Boris Beckers schwerstes Match.
Grand-Slam-Champion, Wimbledon-Sieger, Nummer Eins der Weltrangliste. Boris Becker hat uns unvergessliche Momente beschert. Nach der Tenniskarriere folgte der Absturz. Jetzt wagt Bum-Bum-Boris sein Comeback, mit neuen Markenberater*innen. Dabei muss er nur die wichtigste Regel des Personal Brandings beherzigen!
Er konnte nicht ruhig stehen. Boris Becker rannte vom Tennisplatz, sprang über die Absperrung, hinein in das Gewölbe des Melbourne Park. Gerade hatte er Geschichte geschrieben. Eine epische Schlacht gegen Ivan Lendl lag hinter ihm, vor ihm sein erster Australian-Open-Titel, das erste Mal die Nummer Eins der Welt. Ein Mann vom Sicherheitspersonal rannte Boris in den Katakomben hinterher und rief: „Schau mal, die ganze Welt wartet auf dich!“ Boris ging zurück auf den Court, strahlte über das ganze Gesicht – das lassen Fernsehaufnahmen erkennen – und ließ sich feiern. Was für ein Moment!
Tennisgott mit Markenzeichen
So viele hatte es zuvor schon gegeben. Der Wimbledon-Sieg mit gerade mal 17 Jahren, ein Jahr später gleich noch mal der Finalsieg auf dem heiligen Rasen. 1989 besiegte er den Tennis-Gentleman Stefan Edberg und sicherte sich damit den dritten Titel in Wimbledon. Und das alles innerhalb von vier Jahren! Die Welt lag dem jungen Leimener zu Füßen. Scoot over, Michael Jackson und Madonna – hier kommt Boom Boom Becker. „Boris ist der Michael Jordan von Deutschland“, erklärte John McEnroe damals und lieferte sich mit Becker große Matches mit reichlich Unterhaltungswert. Unvergessen: „The Cough Game“, in dem der US-Amerikaner sich über Boris’ Husten lustig machte. Oder die Schlacht von Hartford, in der Becker Big Mac nach 6 Stunden 21 Minuten im Davis Cup 1987 auf amerikanischen Boden bezwingen konnte.
Beckers Spiel war einzigartig und wurde schnell zu seinem Markenzeichen. Er spielte emotional. Ballte nach Siegen oder furiosen Ballwechseln die „Becker-Faust“. Er hechtete unwiderstehlich jedem Ball hinterher. „Dieses Hechten!“, merkte Mats Wilander anerkennend an. „Ich meine: Gras – okay. Aber er macht das auf Sand, in der Halle. Alles für den Punkt!“ Der „Becker-Hecht“ war geboren. Sein Rückhand-Return – quasi ohne Ausholbewegung, hart und unfassbar präzise geschlagen – wurde als „Becker-Blocker“ ebenfalls weltberühmt.. Becker gewann nicht nur sechs Grand-Slam-Titel. Viel entscheidender: Er revolutionierte das Spiel, machte es schneller und leidenschaftlicher.
Immer wenn Athlet*innen Außergewöhnliches leisten und ihre Sportart weiterbringen, liegen ihnen Menschen zu Füßen. Zu Recht! Denn wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, wie einzigartig solche Leistungen sind – solche, die imstande sind, sich ins kollektive Gedächtnis einzubrennen. Sie gehen in Jahrzehnte dauernder Arbeit auf. Menschen, die an solchen Höchstleistungen teilhaben dürfen, sind deswegen bereit, vieles zu verzeihen.
Götterdämmerung und Eigendemontage
Die Liste der Irrungen und Wirrungen, die sich Becker nach seiner aktiven Tenniskarriere geleistet hat, ist allerdings spektakulär – und lang. Sie würde den Rahmen dieser Kolumne sprengen. Hier nur einige der kuriosesten Fälle: Becker vermarktete Poker, investierte in nigerianische Ölquellen und verscherbelte seinen ersten Wimbledon-Sieg-Schläger in der Trödelsendung „Bares für Rares“ im ZDF. Hinzu kommen Steuerhinterziehung, Schürzenjägerei, Chaos-Investments und zuletzt sogar ein Gefängnisaufenthalt.
Fest steht: Die Marke Becker hat über die Jahre hinweg erheblich Schaden genommen. Der erste Werbevertrag, den Boris Becker nach seiner vorzeitigen Haftentlassung abschloss, war mit dem deutschen Shop für Fenster, Glasfassaden und Pergolen Fensterversand.com. Der Slogan: „Schmeißen Sie Ihr Geld nicht aus dem Fenster!“ Autsch.
Vor kurzem trat Boris Becker beim OMR-Festival auf. Eine Art Wiederauferstehung der Marke Becker sei geplant, berichtete er vor den Augen der versammelten Marketinggemeinschaft. Dafür habe er sich professionelle Schützenhilfe geholt: Raphael Brinkert und Thomas Strerath sollen Becker dabei helfen, das angekratzte Image wieder zurechtzurücken. Bisher haben sich die beiden Top-Berater nicht dazu geäußert, wie das gelingen soll.
Becker selbst zeigt sich kämpferisch. „Jetzt beginnt der fünfte Satz und ich spiele voll auf Sieg“, sagte er beim OMR-Festival auf der Bühne. Schön und gut, das Game-Narrativ sitzt wieder. Allerdings liegt Becker nach seiner Demontage und all den Verfehlungen wohl eher im fünften Satz bereits ein Break hinten. Es ist an der Zeit für den ehemaligen Superstar, eine der wichtigsten Botschaften des Personals Brandings zu beherzigen.
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Lege die Quelle frei!
Es gibt im Leben von Sportler*innen oder auch Künstler*innen viele Wege, Einzigartiges zu erschaffen. Jahrelange Arbeit, eiserne Disziplin, das sind Grundvoraussetzungen. Auf ihrem Weg verfeinern sie ihren Ausdruck, ihr Repertoire, nehmen Niederlagen nur als Sprungbrett für zukünftiges Lernen wahr. „Compete. Lose. Compete better“, heißt es im US-amerikanischen Sprachraum.
Es gibt im Leben dieser Personen allerdings nur eine unauslöschliche Quelle, aus der sich alles Streben speist, auf die alles zurückführt. Manchmal gerät diese Quelle mit den Jahren in Vergessenheit, weil der Strom aus Erfahrungen sich weiter verzweigt.
Bei Boris Becker ist diese Quelle Tennis. In diesem Spiel hat er die Leidenschaft, über sich hinauszuwachsen, und mentale Stärke verkörpert. Er hatte die faszinierende Eigenschaft entwickelt, den Gegner damals mit Vorsatz wieder ins Spiel zu bringen, nur um eine bessere Version von sich selbst auf dem Platz aus sich herauszukitzeln, wie er 1991 in einer Dokumentation zugab.
Außerhalb des Courts agierte er bislang anders: Er sollte zunächst das Mindset aufbringen und seine Verfehlungen eingestehen. Wer keine Fehler eingesteht, kann auch nicht daraus lernen und verwendet hingegen fortan seine Energie dafür, Verfehlungen zu kaschieren. Das verdeckt die Quelle. Was hat Becker getan? Er war ein sehr chlechter Geschäftsmann. Becker glaubte hingegen (und irgendwie macht er den Eindruck, als glaube er das noch immer), er sei ein guter – und wurde Autohausbesitzer. 2020 trat er in der Gameshow „Hätten Sie’s gewusst?“ als Experte zum Thema Whisky an.
Zweitens sollte Becker alle – restlos alle – Lizenzgeschäfte einstellen. Wieder aus einem Grund: Sie kommen nicht direkt von der Quelle. Sondern sind nur ein schwacher, schnell versiegender Flussarm, der Markenimage und Glaubwürdigkeit verwässert. So hat sich Boris Becker an einer eigenen Modelinie versucht. Kompletter Wahnsinn! Mit Lizenzen sollte er schleunigst aufhören. Selbst wenn sie aus dem Bereich Tennis stammen. In Frankfurt zum Beispiel ist er Namensgeber einer Tennis-Akadamie, übt aber persönlich wohl keinen Einfluss auf die Qualität des Nachwuchses aus. Wo „Becker“ draufsteht, sollte Becker dahinterstehen.
Nur wenn er als Person für sein Spiel, den weißen Sport, antritt, ihn größer, leidenschaftlicher und emotionaler macht, funktioniert Becker. Eurosport hat ihn wieder als Kommentator engagiert. Ein erster, wichtiger Schritt. Warum nicht mit seinem alten Partner Puma ein eigenes Label kreieren und eine Welt rund ums Tennis kuratieren? Vom Griffband über Schläger bis hin zu den Schuhen. Auch Sportswear ginge sicher gut.
Warum nicht die größte deutsche Tennishoffnung Alexander Zverev trainieren? Zumal Becker fast drei Jahre lang den Weltranglistenersten Novak Djokovic in einer der erfolgreichsten Phasen seiner Karriere betreut hatte.
Oder auf den in Deutschland noch eher schleppend voankommenden Trendzug Padel aufspringen. Es würde mich nicht wundern, wenn wir nächstes Jahr beim OMR einen Padel-Court im Zusammenhang mit Boris Becker sehen werden. (PS: bin immer bereit für ein kleines Showmatch
Beckers ehemaliger Trainer Günther Bosch schrieb 1986 in seinem Buch über den Schützling: „Meist spielt nicht Becker gegen Edberg. Oder Becker gegen Lendl. Es spielt Becker gegen Becker. Und wenn er mit diesem eigenen Gegner fertig wird, dann gewinnt er auch das Spiel.“ Becker muss sein bislang schwerstes Match bestreiten: den Kampf gegen sein übermächtiges sportliches Erbe und seinen bisherigen Umgang damit. Er kann sich entscheiden, damit aufzuhören, die Person außerhalb des Platzes, die er nie war, ins rechte Licht zu rücken, und stattdessen zurück zur Quelle gehen. Alles für das Spiel, alles für seinen Sport!
Gehen wir zurück ins Jahr 1985. Wimbledon. Becker und Kevin Curren machen sich bereit für das Match, das ein Leben verändert wird. Über dem Spieler*inneneingang des Center Court befindet sich eine Inschrift aus einem Gedicht von Rudyard Kipling. Sie lautet: „Wenn du Triumph und Desaster begegnen kannst und diese beiden Betrüger gleich behandelst.“ Nur darum geht es. Boris Becker, you got this!
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1 JahrIch war 11, als Boris Wimbledon eroberte. Sofort sind wir Kids auf den Berufsschulhof um die Ecke gerannt, haben mit Kreide einen Court gezeichnet und Bänke als Netz benutzt, alte Bälle besorgt und mit maroden Schlägern aus der Nachbarschaft losgelegt. Tennis hat mich nie mehr losgelassen. Das verdanke ich Boris (und auch ein bisschen Edberg und Lendl 😊) . Deutsche "Helden" haben es immer besonders schwer, doch bei all' seinen Fehlern: Boris ist immer wieder aufgestanden. Ein bisschen Rocky steckt daher auch in ihm, ein anderer Held meiner Jugend. Auf Eurosport lässt sich gerade täglich verfolgen, was BB am besten kann, nämlich im Tennis aufgehen. Insofern stimme ich voll zu: Fokus auf das Wesentliche! Ich bin froh, dass er wieder da ist.
Ahorn Gruppe - Brand Management, Marketing, BizDev & Organisationsentwicklung
1 JahrSchöner Artikel Lars Kreyenhagen ! Fehler eingestehen, ist das eine. Das Tat Boris bereits bei der A-Klasse Kampagne, nachdem sie der Elchtest zum Kippen gebracht hat. Damals war das noch sehr glaubwürdig. Heute fällt es schwer, weil er selbst alles gleich wieder mit dem H… einreißt, was gerade mühselig aufgebaut wurde. Aber ich gebe Dir Recht: Am glaubwürdigsten ist Becker dann, wenn es ums Tennis geht. Immer Top und legendär seine Co-Moderation bei Eurosport. Darauf sich zu fokussieren und sein großes Ego zurückzustellen, dürfte die wesentliche Herausforderung für ihn sein…🚀🚀🚀
Creativity is rebellion not subservience
1 JahrToller Artikel. Einen Punkt sehe ich anders: Sportler und insbesondere Ausnahmesportler wir BB haben ein anderes Mindset als Normalsterbliche. Fehler existieren für sie nicht bzw. sie haben gelernt alles als einen Prozess der ständigen Verbesserung zu sehen. Ich war mit meinem Sohn, der auch Leistungssportler ist, letztens bei einem Sportpsychlogen und der hat mir die Augen geöffnet: Das Ergebnis, egal ob Sieg oder Niederlage, musst du vom eigenen Denken, Fühlen und Tun trennen können. Das Ergebnis positiv wie negativ existiert nur für sich. Es ist was es ist. Deswegen gibt es für BB vermutlich auch keine Fehler, die man zugeben könnte. Auch wenn wir das ggf. anders sehen. Auf Apple TV läuft ja seit einiger Zeit auch die Doku über Boris. Da kann man das in den Gesprächen mit ihm auch gut sehen, finde ich. Es ist ein Mindset was Schwierigkeiten hervorbringen kann, aber auch eines ohne das er niemals so gut geworden wäre.