CO2-Emissionen so hoch wie noch nie
Das isländische Carbfix-Projekt (Foto: F.A.Z.)

CO2-Emissionen so hoch wie noch nie

Sollen die weltweiten Klimaziele noch erreicht werden, müsste spätestens 2025 der Scheitelpunkt der Treibhausgas-Emissionen erreicht werden, danach müsste der Ausstoß beständig fallen. Im Moment sieht es jedoch nicht danach aus, wie neueste Zahlen belegen. Im Gegenteil: Im laufenden Jahr dürften die weltweiten Emissionen von Öl, Gas, Kohle und Zementherstellung abermals gestiegen sein und voraussichtlich sogar einen neuen Höchststand erreichen.

Dieser traurige Rekord geht aus dem Bericht zum globalen Kohlenstoff-Budget (Global Carbon Budget) hervor, der am 5. Dezember aus Anlass der Weltklimakonferenz veröffentlicht wurde. Beteiligt waren mehr als 120 Wissenschaftler, die Studienleitung hatte die Universität Exeter in England inne.

F.A.Z. und Deutsche Presse-Agentur zitieren Julia Pongratz von der Universität München, eine der Hauptautorinnen des Berichts, mit den Worten:

»Es erscheint unausweichlich, dass wir das 1,5-Grad-Ziel überschreiten werden.«

Ein Satz, wie in Stein gemeißelt. Der Blick in die Details ist durchaus aufschlussreich. Die traditionellen Industriestaaten, gern als "westliche Welt" bezeichnet, sind weiterhin vergleichsweise erfolgreich bei der Minderung ihrer Emissionen. So nahm in der EU der Treibhausgas-Ausstoß um 7,4 Prozent ab, in den Vereinigten Staaten um 3 Prozent. Dagegen stieg er im gleichen Zeitraum in China um 4 Prozent und in Indien sogar um 8,2 Prozent. In den anderen Staaten der Welt gab es im Schnitt einen leichten Rückgang um 0,4 Prozent.

Deutschland wird im Bericht nicht gesondert erwähnt. 2022 waren hier - trotz unvermindert hohem Einsatz fossiler Brennstoffe bei der Energieerzeugung - die Emissionen um 1,9 Prozent auf 0,67 Gigatonnen gesunken. Gegenüber dem Referenzjahr 1990 bedeutet das einen Rückgang von ca. 37 Prozent. Der deutsche Beitrag am globalen Gesamt-Ausstoß beträgt ca. 1,8 Prozent.

Diese Meldung sollte uns zweierlei zu denken geben:

Zum ersten besteht offenbar ein grundsätzlicher Ziel-Mittel-Konflikt: In Deutschland kleben sogenannte Aktivisten auf Straßen und Landebahnen, beschädigen Gebäude und Kunstwerke, während die deutschen Emissionen sinken. Dagegen klebt in den großen asiatischen Volkswirtschaften Indien und China niemand irgendwo, obwohl dort die CO2-Emissionen dramatisch steigen und weiter steigen werden. Dabei müsste anhand der aktuellen Zahlen auch dem letzten Idealisten klar werden, welchen wirksamen Hebel Deutschland hat, um die weltweite Emission von Treibhausgasen wirksam zu reduzieren: Fast keinen.

Es sei in diesem Zusammenhang beispielhaft daran erinnert, dass das Wirtschafts- und Klimaministerium auf Anfrage die Auskunft geben musste, dass das Gebäudeenergiegesetz in seiner ersten, schärferen Fassung, deren Blitz-Verabschiedung bekanntlich am Veto des Verfassungsgerichts scheiterte, voraussichtlich eine Reduzierung der deutschen CO2-Emission von bestenfalls 2 Prozent bewirken kann - auf den Zeitraum bis 2030 gerechnet.

Es ist schon eine Ironie der Geschichte, dass die Klimaaktivisten verschiedener Provenienz zurecht die Leugnung der Realität eines menschengemachten Klimawandels anprangern, sich selbst aber beharrlich weigern, die Tatsache anzuerkennen, dass unsere eigenen Mittel und Möglichkeiten, erfolgreich (!) gegen diesen Klimawandel anzukämpfen, vernachlässigbar klein sind.

Zum anderen stellt sich angesichts der ernüchternden Einschätzung der Experten die drängende Frage, was genau wir in Deutschland unternehmen, um den großen Risiken zu begegnen, die infolge des nicht mehr aufzuhaltenden Klimawandels unvermeidlich auf uns zukommen. Welche unserer - wie uns jüngst beim gescheiterten KTF wieder eindringlich vor Augen geführt wurde - beschränkten Ressourcen setzen wir besser für das vorausschauende Risikomanagement ein, statt sie in einen ebenso verzweifelten wie erfolglosen Kampf gegen die inzwischen unausweichliche Erderwärmung zu investieren?

Konkret: Wie viele Deiche, Dämme und Polder bauen wir, um Fluten, wie die im Ahrtal, künftig zu verhindern? Wieviele Quadratkilometer Wald und Kilometer Straße forsten wir mit dürreresistenten Baumarten auf? Konzipieren die großen Städte bei ihrer Stadtplanung konsequent eine Bebauung, die der kommenden Tropenhitze in den städtischen Lebensräumen wirksam begegnet? Welche öffentlichen Gebäude werden künftig ökologisch und energiebewusst klimatisiert? Wieviel investieren wir in die Sicherheit unserer Straßen, Bahn- und Hafenanlagen, Mobilfunk- und Hochspannungsmasten sowie Windkraftanlagen, kurz unserer lebenswichtigen Energie- und Verkehrsinfrastruktur bei Orkanen, Tornados, Starkregen und anderen Extrem-Wetterlagen? Mit welchen Maßnahmen bereiten wir uns auf zunehmende Sturmflutlagen in den Küstenstädten vor? Der Fragenkatalog ließe sich beliebig verlängern.

Das offensichtliche Problem ist, dass Risikobewältigung und Gefahrenabwehr in diesem Zusammenhang mittel- bis langfristigen Charakter tragen und die Erfolg versprechenden Maßnahmen nicht von heute auf morgen umsetzbar sind. Wir hätten längst im große Stil damit beginnen müssen. Es steht jedoch zu befürchten, dass auf viele dieser Fragen derzeit noch immer keine zufrieden stellenden Antworten gegeben werden können. Das zeigt wieder einmal mit aller Deutlichkeit, dass die Politik sich daran gewöhnt hat, von der Hand in den Mund zu leben, auf Sicht zu fahren und an die kommende Wahl zu denken, statt jenseits von plakativ zur Schau gestellten Sorge um die kommenden Generationen wirklich strategisch zu denken - und zu handeln.

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