Das erste RS-Lastenrad
Mein erstes Lastenradprojekt ist vollendet. Das war ein riesiger Kraftakt. Meine Kundin wollte ein Lastenrad und wusste schon sehr genau, welches. Das Weiße im Bild. Doch es gab einige Knackpunkte. Und die wollte ich ihr nicht zumuten. Warum?
Bevor ich etwas verkaufe, schaue ich es mit den Augen der Nutzer(innen) an. Diese sammle ich in meinen Verkaufsgesprächen und intensiven Testphasen der Produkte. Im zweiten Schritt folgt die Betrachtung aus Herstellerperspektive. In welchem Land entwirft dieser seine Fahrräder? Wie wird dieses Land in der allgemeinen Berichterstattung charakterisiert? Wie unterscheiden sich die dortige Topographie und Radfahrpolitik von unserer in Deutschland? Hat das Auswirkungen auf die Gestaltung bzw. Ausstattung der Fahrräder?
Diese funktionale Vorbetrachtung erscheint vielleicht aufwendig und ungewöhnlich, für mich ist sie aber elementar. Mein, und vielleicht auch dein, Rad soll einen gewissen Nutzen erbringen. Dafür muss das Rad bestimmte Merkmale aufweisen.
Kaufst du dir einen Kleinwagen, wenn du weißt, dass du immer deine drei Kinder und viel Gepäck dabeihast? Wahrscheinlich nicht. Deshalb setze ich auch genau da an, wenn ich dich berate. Farben und Marken sind Nebensache. Wofür du deinen zweirädrigen Untersatz brauchst, ist die Kernfrage.
Damit ich deinen Nutzen übersetzen kann, setze ich mich mit dem Produkt auseinander. Auf austauschbares Marketing-Blabla lasse ich mich erst gar nicht ein.
Bei dem weißen Lastenrad gab es super umgesetzte Elemente und einige, die eines Ingenieurbüros unwürdig sind. Das Rad ist leicht, fährt sich wie ein normales Zweirad und ist sogar teilbar. Nur, dass für den Aufbau der Regenabdeckung auf die Box auch der Lenker um 180° gedreht werden muss, damit du noch lenken kannst, ist indiskutabel. Zum Umbau brauchst du Werkzeug. Wenn du es brauchst, hast du es entweder nicht dabei oder keine Zeit. Im Endeffekt baust du dir dein Rad einmal um und belässt es dann so. Womit sich der daraus folgende Makel anschließt: Durch das Drehen des Lenkers sinkt der Abstand Sattelspitze zu Lenker auf weniger als 30 cm. Das ist hochgradig instabil. Also auch gefährlich, zumindest megaunpraktisch. Und unpraktischer Kindertransport passt für mich überhaupt nicht zusammen. Für dich?
Also habe ich einen Rahmen entworfen, der genau diese Mängel behebt. Und ein paar weitere Schwachstellen obendrein. Die Geometrie und das Design lehnen sich an den die Vorgaben des Herstellers an, sind ansonsten jedoch komplett frei und entsprichen der hauseigenen bikefitting-inspired Geometry.
Das Fahrrad besteht aus einem Vorderwagen mit zwei Rädern und dem hinteren Hauptrahmen mit dem Hinterrad. Am ursprünglichen Veleon-Model brauchtest du Werkzeug, um den Vorderwagen abzubauen und separat zu schieben. Ich wollte, dass du das werkzeuglos machen kannst. Dafür habe ich die Leitungsführung optimiert: mit den Bajonettverschlüssen trennst und verbindest du beim RS-Lastenrad die Züge.
Das Regenverdeck sollte montiert werden können, ohne den Lenker zu drehen. Also habe ich den Lenker "richtig" herum angebaut. Damit ich den optimalen ergonomischen Abstand zum Sattel erreiche, erhielt der Rahmen um 13 cm verlängert Ober- und Unterrohre. Dennoch ist das Rad nur etwa 5 cm länger, dem kleineren Hinterrad sei dank.
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Den zusätzlichen Raum verschenke ich natürlich nicht: Auf dem Oberrohr findet jetzt ein Korb Platz. Dafür habe ich schon einmal die Gewinde in das Oberrohr einbringen lassen. Die Plattform für den Korb kommt später.
Damit du auch etwas siehst und es optisch gut aussieht, braucht ein Trike meines Erachtens zwei Frontscheinwerfer. Der Hersteller bietet nur eine Batteriebeleuchtung an. Schon wieder so etwas Unpraktisches an einem hochgradig praktischen Gegenstand. Also ließ ich mit dem Rahmen zwei Rohre fertigen und schraubte diesen an die Box. Nun hat das Rad auch ein Gesicht. Die Lampen sind die Augen. Die Kabel wurden am Boden der Box verlegt. Zwei Scheinwerfer verlangen dem Nabendynamo einiges ab, deshalb leuchtet eine Lampe stärker als die andere. Da braucht es noch etwas Feintuning.
Als Antrieb musste es die stufenlose Enviolo-Nabe sein, um in jeder Situation stets den passenden Gang parat zu haben. Für eine optimale Kettenspannung verfügt der Rahmen über einen integrierten Kettenspanner. Es kann auch ein Carbonriemen für noch mehr Laufruhe eingebaut werden. Dafür ist der Rahmen bereits mit der dafür notwendigen Rahmenöffnung versehen.
Aus dem schmalen 28-Zoll-Hinterrad wurde ein breites in 27,5 Zoll mit einem 55 mm breiten Reifen. Der garantiert Federungskomfort und das gefahrenfreie Überfahren der Erfurter Straßenbahnschienen.
Den Anbau des Gepäckträgers hätte ich mir deutlich einfacher vorgestellt. Erst im vierten Anlauf passte er. Die Position des Anschraubpunktes und der Platz des Bremssattels führten mehr als einmal zu hochroten Köpfen.
Da steht es nun. Im Gänze. Ich bin froh, es in seine neuen Hände entlassen zu haben. In meinem Kopf leuchten die Synapsen und suchen sich neue Betätigungsfelder.
Suchst du auch ein Fahrrad, dass deinen Bedürfnissen entspricht? Das exakt auf dich zugeschnitten ist? Melde dich bei mir.
Postdoctoral Researcher
3 JahreGenial! Da muss ich für den nächsten Radkauf wohl tatsächlich nach Erfurt kommen.