Der Guide zu sozialem Kaffee
Kaffee ist eines der wenigen Konsumgüter, die unsere Gesellschaft in allen Schichten formt, bestimmt, teilt und vereint. Kaffee hat ab dem 19. Jahrhundert die Gesellschaft im Sturm erobert. Wie? Vor allem der günstige Preis war ausschlaggebend. Mit der Öffnung der ersten Kaffeehäuser und der technischen Revolution wurden Tag und Nacht, Produktiv- und Ruhezeiten komplett neu gemischt.
Jeder hat zu Kaffee eine Meinung und das hier ist meine:
Ich trinke Kaffee schwarz. Gern Americano. Ohne Zucker. Anstatt 4,80 € zahle ich dann nur 2,00€ - auch in einem Café ohne Inneneinrichtung. (Was ich damit meine, findest du HIER heraus.) Latte Macchiato war gestern! Mir geht es nicht nur um den Geschmack, sondern um das Netzwerken und natürlich auch um meine Produktivität. Wie leicht es ist, als Kaffee-Trinkerin mit meinen Kollegen ins Gespräch zu kommen, “möchte noch jemand einen Kaffee?”. Auch unsere neue Siebträgermaschine im Büro unterstützt das Netzwerken, denn während man sich seinen köstlichen Kaffee zubereitet, verstreichen einige Minuten und ich kann ganz leicht herausfinden, wie es meinen Kollegen geht. Und das ganz ohne Rauchen.
Durch meinen Kaffeekonsum bin ich Teil von Gruppen. Schon in der Schule sind wir in der Pause schnell zum Bäcker gegangen, um uns für die nächsten Stunden zu wappnen. Denn der Kaffee hält nicht nur wach, sondern die Unterhaltungen und das gemeinsame Kaffee holen vermitteln ein Gefühl von Zugehörigkeit.
Heute ist es eher das gemeinsame Zusammensitzen im Co-Working-Space oder das nächste Coffee Date mit einer Freundin zu vereinbaren. Alle trinken Kaffee! Das liegt nicht nur an einer kleinen Koffein-Sucht, sondern an dem Bedürfnis dazuzugehören und ein Teil der produktiven Gesellschaft zu sein.
Teure Cafés werden auch dazu genutzt, sich abzugrenzen und ein Statussymbol zu setzten. Nicht jeder kann sich leisten jeden Tag bei Starbucks Kaffee zu holen oder in dem Hipster-Café nebenan überteuerten Kaffee zu trinken. Der Preis geht bei Kaffee selten mit der Qualität einher. Dennoch siehst du in den teuren Cafés andere Konsumenten ein- und ausgehen als in den Günstigen. Wie möchte ich mich sozialisieren? Was ist mir das Networking wert? Oder bin ich vielleicht auf der Suche nach einem Date?
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Das sind alles Fragen, die unterbewusst die Wahl unseres Cafés beeinflussen und die ebenso relevant für das Marketing sind. Umso interessanter, dass häufig die teuren Cafés durch begrenzte Plätze wenig Raum zum Verweilen bieten. Stattdessen vermitteln sie eine gewisse Exklusivität.
Wenn ich so über Kaffee nachdenke, muss ich gezwungenermaßen an Bourdieu denken. Der französische Soziologe forschte zu gesellschaftlichen Gruppenzugehörigkeiten und dem Habitus. Der Habitus ist nach Bourdieu eine Haltung, die man der Gesellschaft gegenüber hat. Jeder hat sie. Jeder formt sie schon in der frühesten Kindheit. Dabei geht es nicht nur darum, was konsumiert wird (fast jeder konsumiert Kaffee), sondern auch wie. Es wird Espresso getrunken. To Go. Er wird langsam genippt, bis er kalt ist. Wo wird der Kaffee getrunken und mit wem.?
Bourdieu versuchte nur durch die Art, wie sich eine Person gibt, herauszufinden wie diese Person lebt -durch die Haltung, die Gesten, die Mimik. Er führte zahlreiche Umfragen durch und fragte die Personen nicht nur danach wie sie lebten, sondern auch danach wie sie gern leben würden. Eine völlig neue Herangehensweise an Gesellschaftsstrukturen entstand.
Der Habitus bestimmt auf welchem Spielfeld wir uns bewegen, mit wem wir netzwerken, wo wir uns zugehörig fühlen. Kaffee hat dabei viele Grenzen durchbrochen und Regeln neu geformt. So allgegenwärtig dieses Konsumprodukt ist, so innovativ und wegweisend kann es sein. Kaffee bietet die Möglichkeit Grenzen zu überschreiten und Einblicke in neue Spielfelder zu gewinnen, seine Netzwerke zu stärken oder Neue aufzubauen.
Was heißt das? Unendliche Möglichkeiten für das Marketing. Manche haben das schon erkannt und integrieren in ihrem Fashion Store ein Café. Café und Boutique, ebenso wie Café und Galerie sind nicht selten gesehene Kombinationen.
Die wichtigste Frage bleibt bei allen: WIE trinkst du deinen Kaffee am liebsten? Ich trinke meinen Kaffee schwarz...
Managing Director at MR WOLF Consulting
1 JahrDa werde selbst ich noch zum Kaffee-Liebhaber. Danke Freya!