Der schnell-schnell-Wumms
Zügig musste es gehen, bis zum Morgengrauen des Montag habe man nachgedacht und verhandelt, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Dann stand zumindest das Grundgerüst für den Vorschlag der Gaspreis-Expertenkommission: Die Abschlagszahlung von Privaten und gewerblichen Kleinverbrauchern im Dezember übernimmt der Staat, ab dem kommenden März, allerspätestens dem April, trägt er außerdem bis Ende April 2024 einen Teil der Gas- und Fernwärmekosten.
Dann sollen für die Privat- und Kleingewerbe-Kunden 80 Prozent eines geschätzten Grundkontingents auf einen Preis von zwölf cent pro KWh(inklusive aller Steuern und Abgaben) abgesenkt werden, bei Fernwärme auf 9,5 Cent. Für Industriekunden hat die Kommission einen anderen Weg gewählt: Ab Januar greift bei ihnen bereits eine modifizierte Gaspreisbremse. Die Begründung für den früheren Start ohne die Extra-Zahlung im Dezember: Die Zahl der Industrie-Verträge ist mit rund 25.000 in Deutschland überschaubar, deswegen schaffen es die Versorger schon bis Anfang des Jahres, die staatliche Intervention in die Verträge einzuarbeiten.
Ist dies der große Wurf? Eines hat die Bundesregierung immerhin geschafft: In einer Situation, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf eine harte Probe stellt, hat sie über 20 Vertreter von Arbeitgebern, Beschäftigten und Wissenschaft an einen Tisch bekommen. Das nimmt Rechtfertigungsdruck von der Politik, und es fördert im günstigsten Fall die Einsicht, dass wir durch die aktuelle Krise nur zusammen kommen, nicht gegeneinander.
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Bleiben die offenkundigen Mängel des Vorschlags. Die Vertreter der Kommission machen keinen Hehl daraus, dass sie sich selbst eine umfassendere Lösung gewünscht hätten. “Es zerreißt mir das Herz”, räumte Gewerkschafter Michael Vassiliadis auf die Frage ein, ob mit der staatlichen Gießkanne nicht die Spaltung der Gesellschaft in stark und weniger stark belastete Bürger verstärkt werde. Allein: Die Energieversorger, so heißt es, wüssten schlicht nicht, wer hinter einem Anschluss stehe - ob der Millionär in seiner Villa mit Pool oder ein Mehrfamilienhaus mit Geringverdienern. Also müssten bei allen Lösungen, die direkt die Verträge mit den Versorgern tangierten, Unschärfen und Ungerechtigkeiten in Kauf genommen werden. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm verwies darauf, dass die Erstattung der Abschlagszahlung ab einem bestimmten Betrag versteuert werden solle - wenigstens so würden gutsituierte Verbraucher um einen solidarischen Beitrag gebeten.
Die Begrenzung des subventionierten Verbrauchs auf 80 (Private/Kleingewerbe) bzw. 70 Prozent (Industrie) soll gewährleisten, dass der staatliche Geldsegen nicht den Willen zum Energiesparen abwürgt. Insgesamt taxiert die Kommission die Kosten für ihren Vorschlag auf rund 90 Milliarden Euro. Der Doppelwumms umfasst bekanntlich potentielle Ausgaben über 200 Milliarden, somit wäre Luft gewesen für stärkere Entlastungen. “Unser Auftrag war nicht, alles auszugeben”, sagt aber Veronika Grimm. Es würden noch andere Maßnahmen gezahlt werden müssen. Michael Vassiliadis sprach von einem Sonderfonds für soziale Dienstleister und Wohngeld. Die Details will die Kommission noch bekanntgeben. Ob sich die Ampel nach ihren Vorschlägen richtet, ist genauso offen wie die Frage, ob die Zahlungen mit dem europäischen Beihilferecht vereinbar sind. Das ist dann aber nicht mehr das Problem der Experten.