Marktkommentar Dezember 2024

Marktkommentar Dezember 2024

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Zwar funkeln die adventlichen Feiertage schon am Horizont, hinter uns liegt jedoch nochmal ein kalter und windstiller November, der steigende Energiepreise und energiewirtschaftliche Neuigkeiten bereithielt. Unter folgender Überschrift können die Ereignisse und Ergebnisse subsumiert werden: „Erheblicher Investitionsbedarf für die notwendigen Herausforderungen der Dekarbonisierung“.

Zunächst verkündete die Trading Hub Europe GmbH (THE) die Erhöhung der deutschen Gasspeicherumlage zur Sicherung der Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen ab 2025 auf 2,99 EUR/MWh. Bislang waren 2,50 EUR/MWh fällig. Hintergrund sei, dass die Kosten auf weniger Kunden umgelegt werden dürften, hieß es in einer Aussendung. Deutschland hatte zunächst die Nachbarländer beim Bezahlen der Gasspeicherumlage einbezogen, wird dies jedoch nach Beschwerden von Österreich, Tschechien, Ungarn und der Slowakei aufgeben. Angesichts der möglichen Verzögerung des entsprechenden Gesetzes wegen des Bruchs der Ampelkoalition soll der Betrag rückwirkend ab März erhoben werden. Mit der geplanten (!) Gesetzesänderung darf THE zukünftig keine Gasspeicherumlage mehr auf Mengen erheben, die in Nachbarländer fließen. In die Neuberechnung der Umlagehöhe ab dem 01.01.2025 geht ein prognostizierter, stärkerer Rückgang der umlagefähigen Menge ein. Die Umlage wurde in Deutschland im Zuge des Ukrainekriegs eingeführt, nachdem Deutschland Füllstandsvorgaben für die Speicher erhob.

In den letzten Wochen wurde außerdem in beinahe allen EU-Mitgliedsstaaten bekannt, dass die Netzkosten für Strom und Gas steigen. Und das je nach Netzebene um weit mehr als die Inflation. Ein wesentlicher Grund dafür ist, so wie bei der deutschen Gasumlage, die geringere Verbrauchsmenge. Da die spezifischen Netzkosten in beinahe allen EU-Ländern über den Verbrauch beeinflusst werden, ist bei sinkendem Gesamtjahresverbrauch eine Kostensteigerung die Folge. Diese Netzkosten beim Strom werden angesichts zusätzlicher Investitionen weiter ansteigen. Die Europäische Kommission schätzt, dass bis 2030 zusätzliche Infrastrukturinvestitionen in Höhe von 584 Milliarden Euro erforderlich sind. Zum Vergleich: Die jährlichen Netzinfrastruktur-Investitionen lagen in den letzten Jahren zwischen 22 und 32 Milliarden Euro. Gemäß Bericht der Beratungsfirma BCG wird eine Lücke von 800 Milliarden Euro bis 2030 und von 2,5 Billionen Euro bis 2050 prognostiziert. Dadurch werden die Netze bis 2050 um 60 Prozent hinter dem Bedarf zurückbleiben, warnen die Industrievertreter in ihrem Bericht. Die Verstärkung der europäischen Stromnetze ist jedoch notwendig, wenn der Kontinent seine Bemühungen zur Dekarbonisierung fortsetzen will. Bei den Gasnetzen ist noch nicht ökonomisch abschätzbar, wie die Zukunft zur Aufnahme der H-Mengen aussehen soll. Die Zielkonflikte zur politischen Steuerung der Energiewirtschaft in Europa sind offensichtlich. Steigende Netzkosten führen in Europa zu einer verschlechterten Wettbewerbsfähigkeit. Medial wirksame Standortschließungen der letzten Wochen sind Ausdruck dieser jetzt auch in der Öffentlichkeit angekommenen Rezession. Fehlende eigene Energierohstoffe (v.a. Gas) machen uns von Importen von konventioneller Energie abhängig und somit zahlen die europäischen Volkswirtschaften die Differenz zwischen den Gestehungskosten und den Importpreisen auf beinahe jede MWh.

Mehr als ein Zielkonflikt kam auch bei der 29. UN-Weltklimakonferenz zum Vorschein. Unter der Berücksichtigung des Realszenarios von 2,8 Grad Temperaturerhöhung sind die Ergebnisse der COP29 kaum ein Erfolg. Wichtigster Punkt bei der sogenannten „Finance-COP“: die Klimazahlungen von Industrie- an Entwicklungsländer, nachdem die bisherige Vereinbarung (100 Mrd. USD/Jahr zwischen 2020 und 2025) ausgelaufen war. Um die gesteckten Ziele zu erreichen und nicht noch mehr Kohlenstoffbudget abzuschöpfen, muss investiert werden. Die Frage ist nur: Wie viel? Eine Studie des Klima-Allianz e.V. schreibt von 1 Billion USD und eine Phalanx von Ländern forderte während der Konferenz 1,3 Billionen USD, also einem Vielfachen der bisherigen 100 Mrd. USD. Letztlich gab es eine schwache Einigung auf 300 Mrd. USD pro Jahr bis 2035. Alle Expertisen weisen darauf hin, dass die vollständige Zahlung all dieser Kosten aus öffentlicher Hand utopisch sei und es auch auf private Geldströme ankomme. So soll die Lücke zwischen den 1,3/1 Billion USD und den 300 Mrd. USD geschlossen werden. Wie genau das passieren soll, bleibt gewohnt unklar. Fakt ist: Ob Netzkosten, Zahlungen zur Begleichung der Kohlenstoffschuld, Investitionsbedarf für Klimaschutzbemühungen – die Kosten des unbegrenzten Wohlstands der letzten Jahrzehnte sind groß, aber unabdinglich. Wobei betont werden muss, dass sich relevante Player (China, Indien, USA) zumeist vor ihrer Verantwortung drücken und insbesondere der Austritt Trumps aus den Pariser Klimazielen wie ein Damoklesschwert über der Weltklimapolitik hängt. Hier kommt es zu einem asymmetrischen Zielkonflikt, wenn einige Länder fossile Importe fördern, während andere Klimaneutralität anstreben.

Mit Blick auf die Preisentwicklung erlebten die Energiemärkte einen November des Anstiegs. Nach den letzten beiden Monaten, in denen sich eine Seitwärtsbewegung eingestellt hatte, sind es aktuell weniger Fundamentalfaktoren, weniger globale Transportphänomene und auch keine politischen Konflikte. Aktuell ist es etwas ganz Alltägliches: das Wetter. Während am Spotmarkt die geringe Windausbeute (zu Monatsbeginn: 4 GW, ca. 14% der Norm) für den mit 113,91 EUR/MWh im Schnitt höchstwahrscheinlich teuersten Monat des Jahres sorgte, waren am Terminmarkt die kalten Temperaturen ausschlaggebend. Letztlich hat steigender Gasbedarf die Gaspreise für das Frontjahr um 19% ansteigen lassen. Durch das fehlende Windangebot legte sich über die Gaskraftwerke dieser Anstieg auch auf das Strom-Frontjahr um (+15%).

Entgegen den Prognosen hat die Kälte zu einer hohen Ausspeicherung der Gasspeicher (bis zu 4 TWh/Tag) geführt. Gleichzeitig trieb ein weiterer Faktor die Preise an und führte neben der Ausspeicherung zu einem Einspeicherbedarf. Durch die neuen Speichervorgaben der EU-Kommission, nach denen Ende Februar statt 45% nun 50% in den Speichern verbleiben sollen, fehlen dem Markt grob geschätzt etwa 50 TWh, die nun zusätzlich importiert werden müssen. Obwohl die Speicherstände in den letzten fünf Jahren zu aktuellem Zeitpunkt nur 2021 niedriger waren, bleibt der optimistische Winterausblick der ENTSOG (Europäischer Verband der Fernleitungsgasnetzbetreiber). Sowohl im Referenzszenario (Ukraine-Transit bis Ende 2024, durchschnittliche LNG-Versorgung und Temperaturen) als auch im Szenario eines sehr kalten Winters bleiben noch mindestens 18% Gasspeicherfüllstand. Die Wärmeversorgung Europas ist aktuell also gesichert.

Was erwartet uns im Dezember? Zuallererst das Weihnachtsfest, für das wir Ihnen und Ihren Liebsten nur das Beste wünschen. Die Feiertage mit ihren geringen Verbräuchen und eine etwas höher erwartete Windproduktion führen zu einer leichten Konsolidierung der Spotpreise. Gleichzeitig sehen wir kurzfristig keinen Grund für einen Rückgang der Terminmarkt-Gaspreise. Die Ausspeicherungen bleiben signifikant und aktuell reagieren die Preise auf Temperaturaussichten, welche für den Winter 24/25 von Temperaturen von 0,1 bis 1,4 Grad unter Norm ausgehen.

Ergänzend zu dieser erfrischenden Kälte: Viel Erfolg bei Ihren Entscheidungen mit Energie und einen guten Start ins neue Jahr!

Ihre André Masannek, Marlene Aschauer und Felix Diwok

Für das Team der Inercomp


Market Comment December 2024

Although the Christmas holidays are already twinkling on the horizon, we have another cold and windless November behind us, which brought rising energy prices and energy industry news. The events and results can be summarized under the following heading: ‘Significant need for investment to meet the necessary challenges of decarbonization’.

Firstly, Trading Hub Europe GmbH (THE) announced an increase in the German gas storage levy to 2.99 EUR/MWh from 2025 to secure the filling level requirements for gas storage facilities. Previously, EUR 2.50/MWh was due. The background to this is that the costs may be passed on to fewer customers, according to a press release. Germany had initially included neighboring countries in the payment of the gas storage levy, but will abandon this after complaints from Austria, the Czech Republic, Hungary and Slovakia. In view of the possible delay in the corresponding law due to the break-up of the coalition of the traffic light coalition, the amount is to be levied retroactively from March. With the planned (!) amendment to the law, THE will no longer be allowed to levy a gas storage levy on volumes flowing into neighboring countries. The recalculation of the levy amount from 1 January 2025 will consider a predicted, stronger decline in the leviable volume. The levy was introduced in Germany in the wake of the war in Ukraine after Germany imposed filling level requirements for storage facilities.

In recent weeks, it has also become known in almost all EU member states that grid costs for power and gas are rising. And, depending on the grid level, by far more than inflation. One of the main reasons for this, as with the German gas levy, is the lower consumption volume. As the specific grid costs in almost all EU countries are influenced by consumption, a fall in total annual consumption results in an increase in costs. These grid costs for power will continue to rise due to additional investments. The European Commission estimates that additional infrastructure investments totaling 584 billion euros will be required by 2030. By comparison, annual grid infrastructure investments have been between 22 and 32 billion euros in recent years. According to a report by the consulting firm BCG, a gap of 800 billion euros is forecast by 2030 and 2.5 trillion euros by 2050. As a result, the grids will fall 60 per cent short of demand by 2050, the industry representatives warn in their report. However, strengthening Europe's power grids is necessary if the continent is to continue its decarbonization efforts. In the case of gas grids, it is not yet economically feasible to estimate what the future will look like in terms of accommodating H-volumes. The conflicting objectives for the political control of the energy industry in Europe are obvious. Rising network costs lead to a deterioration in competitiveness in Europe. Site closures over the last few weeks, which have had a media impact, are an expression of this recession, which has now also reached the public eye. A lack of our own energy resources (especially gas) makes us dependent on imports of conventional energy, meaning that the European economies are paying the difference between production costs and import prices for almost every MWh.

More than one conflicting goal also came to light at the 29th UN World Climate Conference. Taking into account the real scenario of a 2.8 degree increase in temperature, the results of COP29 are hardly a success. The most important point in the so-called ‘Finance COP’: climate payments from industrialized to developing countries after the previous agreement (USD 100 billion per year between 2020 and 2025) expired. In order to achieve the targets set and not siphon off even more of the carbon budget, investments must be made. The only question is: how much? A study by the Klima-Allianz e.V. writes of USD 1 trillion and a phalanx of countries demanded USD 1.3 trillion during the conference, i.e. a multiple of the previous USD 100 billion. Ultimately, there was a weak agreement on USD 300 billion per year by 2035. All expert reports point out that paying all of these costs in full from the public purse is utopian and that private money flows are also important. This is how the gap between the USD 1.3/1 trillion and the USD 300 billion is to be closed. How exactly this is to happen remains unclear as usual. The fact is: whether it's grid costs, payments to settle the carbon debt, investment requirements for climate protection efforts - the costs of the unlimited prosperity of recent decades are high, but indispensable. It must be emphasized, however, that relevant players (China, India, USA) are mostly shirking their responsibility and that Trump's withdrawal from the Paris climate targets in particular hangs like a sword of Damocles over global climate policy. There is an asymmetrical conflict of objectives here if some countries promote fossil fuel imports while others strive for climate neutrality.

In terms of price trends, the energy markets experienced a November of increases. After the last two months of sideways movement, there are currently fewer fundamental factors, fewer global transport phenomena and no political conflicts. At the moment, it is something quite commonplace: the weather. While the low wind yield on the spot market (at the beginning of the month: 4 GW, approx. 14% of the norm) was responsible for what was most likely the most expensive month of the year at an average of EUR 113.91/MWh, the cold temperatures were the decisive factor on the futures market. Ultimately, rising gas demand caused gas prices for the front year to rise by 19%. Due to the lack of wind supply, this increase was also passed on to the power front year via the gas-fired power plants (+15%).

Contrary to forecasts, the cold weather led to a high level of gas storage withdrawals (up to 4 TWh/day). At the same time, another factor drove up prices and led to a demand for injection in addition to withdrawal. As a result of the EU Commission's new storage targets, according to which 50% instead of 45% should now remain in storage at the end of February, the market has a roughly estimated shortfall of around 50 TWh, which must now be imported in addition. Although the storage levels in the last five years were only lower in 2021 at the current time, the optimistic winter outlook of ENTSOG (European Network of Transmission System Operators for Gas) remains. Both in the reference scenario (Ukraine transit until the end of 2024, average LNG supply and temperatures) and in the scenario of a very cold winter, gas storage levels remain at least 18% full. Europe's heat supply is therefore currently secure.

What can we expect in December? First of all, Christmas, for which we wish you and your loved ones all the best. The holidays with their low consumption and a slightly higher expected wind production will lead to a slight consolidation of spot prices. At the same time, we see no reason for a fall in futures market gas prices in the short term. Withdrawals from storage remain significant and prices are currently reacting to the temperature outlook, which assumes temperatures of 0.1 to 1.4 degrees below normal for winter 24/25.

In addition to this refreshing cold: Good luck with your energy decisions and have a good start to the new year!

Yours André Masannek, Marlene Aschauer and Felix Diwok

For the Inercomp team

 

 



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