Die goldenen Zeiten der CeBIT oder "Als ich noch in deinem Alter war ..."

Die goldenen Zeiten der CeBIT oder "Als ich noch in deinem Alter war ..."

In Hannover spürt jeder den Beginn der CeBIT: in den Straßen drängen sich die Menschenmassen, öffentliche Verkehrsmittel sind richtig voll und ein Hotelzimmer ist nur sehr schwer zu bekommen. Nicht zu vergessen die Standpartys an jedem Messetag und die legendären Veranstaltungen großer Unternehmen. So zumindest die Erinnerung einiger Kollegen an die Computermesse in ihren goldenen Zeiten.

Übrig ist davon nicht mehr allzu viel. Einer der Gründe dafür ist die neue Ausrichtung. Seit zwei Jahren richtet sich die Messe nicht mehr an ein breites Publikum, sondern nur noch an die Fachbranche. Ein Fakt, den Kommunikations-Profis mit wenig IT-Branchen-Kenntnisse leicht und gerne übersehen.

So oder so zeigen sich die Macher der IT-Messe zufrieden: Mehr als 200.000 Besucher sollen gekommen sein. Laut Oliver Frese, Vorstand der Deutsche Messen AG, entspricht das ungefähr den Besucherzahlen vom Vorjahr.
[Die eine oder andere Party, mit dem einen oder anderen Band-Auftritt durfte natürlich auch nicht fehlen. Auch wenn sich die Feierlaune in Grenzen hielt. ;)]

„Die Stimmung auf der CeBIT war hervorragend – vor allem dank der vielfach brillanten und inspirierenden Lösungen, die die Unternehmen präsentiert haben.“
- Dr. Bernhard Rohleder, Bitkom-Hauptgeschäftsführer

KMU und die Digitale Transformation

Die CeBIT versteht sich als Plattform für die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Eine Umfrage des IT-Branchenverbandes unter den Ausstellern ergab allerdings, dass vor allem mittelständische Unternehmen den digitalen Wandel häufig zu langsam angehen. So haben 37 Prozent der befragten Unternehmen mit 20 bis 50 Mitarbeitern keine Digitalstrategie, bei den Unternehmen ab 500 Mitarbeitern sind es 11 Prozent. 

Das Gefühl der Gelassenheit war auch vor Ort spürbar: Besucher bummelten zwischen den Ständen hin und her, Unternehmen ergriffen nur selten die Initiative, um Messebesucher in ein Gespräch zu verwickeln.

Laut Bernhard Rohleder hatte diese Einstellung gegenüber der Digitalisierung auch etwas mit vollen Auftragsbüchern zu tun. Viele Unternehmen fühlen sich sicher und glauben, ihr Geschäftsmodell nicht anpassen zu müssen. Doch auch die Bitkom warnt KMU vor zu viel Gelassenheit:

„Wer nicht abgehängt werden will, muss digital denken und handeln – selbst wenn das bedeutet, das eigene Geschäftsmodell komplett umzukrempeln. Auch Mittelständler müssen diese disruptive Mentalität verinnerlichen und den Wandel anpacken.“
- Dr. Bernhard Rohleder, Bitkom-Hauptgeschäftsführer

CeBIT: Erfolg oder Misserfolg - eine Frage der Perspektive?

Besucherzahlen und positive Stimmen sind aber nur eine Seite der Medaille. Es gibt auch verstimmte Erfahrungsberichte. So schildert Tim Cole in seinem Beitrag, dass die IT-Messe an allen (wichtigen) Ecken und Enden spart: Für WLAN musste bezahlt werden, der Presse-Shuttle für die Journalisten wurde abgeschafft und diverse beliebte Treffpunkte blieben geschlossen. 

Es heißt nicht umsonst: "Es sind die kleinen Dinge, die das Leben lebenswert machen." Zeigen diese Veränderungen laut Tim Cole doch, dass die CeBIT verarmt: Aussteller bleiben weg. Und Zuschauer erhielten mit kostenlosen Karten Eintritt, die eigentlich Fachbesuchern vorbehalten sein sollten.

Auch Marketingexperte Wolf Hirschmann kritisierte im Rahmen eines Fachgesprächs die IT-Branche im Hinblick auf die Digitalisierung. Ein digitaler Anstrich auf dem Level von Steckern, Servern, Bits und Bytes wird für die angestrebte Transformation nicht ausreichen. Die IT-Industrie denkt nicht weit genug

Doch Christian Spanik mahnt zur Vorsicht. Der Erfolg bzw. Misserfolg der Computermesse liegt im Auge des Betrachters. Für Spanik ist die Diskussion um die diesjährige CeBIT eher "unglücklich", denn:

"Wir reden über die Messe. Aber die Wahrheit ist: Wir reden über uns. Unsere Fehler, unsere Selbstgefälligkeit gegenüber denen, deren Lebensmittelpunkt nicht IT ist. Die suchen Antworten - nicht medienwirksame Innovationen. Aber diese Besucher (egal wo) brauchen wir, damit wir gemeinsam digitalisieren können. Gemeinsam. Wir brauchen sie auf Augenhöhe. Nicht als Arzt der auf einen kranken Patienten guckt und fremde Worte spricht, die der Patient nicht versteht."

Ob Digitale Transformation oder digitale Kommunikation: Anpacken ist angesagt!

Viele Kollegen aus der Kommunikations-Branche kritisierten die Vielzahl der Vertriebsmitarbeiter und Marketingmenschen. Wie können sich Unternehmen "Digitalisierung" oder "digitale Kommunikation" auf die Fahnen schreiben, wenn es deutlich an qualifiziertem Personal fehlt? Für viele Kommunikatoren entstand der Eindruck, dass Digitalisierung in vielen Fällen nur ein Label ist, das keine echte Veränderung beschreibt.

Wer die digitale Transformation meistern will, benötigt mehr als eintönige Messestände, einsilbiges Messepersonal und ein liebloses Veranstaltungsprogramm. Es muss angepackt werden!

Christian Müller gibt in seinem Beitrag ein paar Tipps:

  • Nicht nur Vertriebler oder Marketiers sollten auf die Messe. Auch die für die Technik, Prozesse oder Themen Verantwortlichen sollte sich vor Ort zum Austausch treffen.
  • Moderne Möglichkeiten der digitalen Kommunikation sollten genutzt werden. So können auch Kunden unabhängig von Messen und Veranstaltungen eingebunden und mit ihnen kommuniziert werden.
  • Inhaltlich passende Diskussionen und Gespräche bieten Raum für Erfahrungs- und Ideenaustausch.

Auch Gunnar Sohn, Wirtschaftsblogger und Chefredakteur von Boardreport sieht notwendige Änderungen, denn in der heutigen Form ist die CeBIT nicht zukunftsfähig. Nicht die Messe, sondern die Konferenz sollte im Vordergrund stehen. Also nicht die Software bzw. Hardware, die die Digitale Transformation umsetzt, sondern der "Mensch", der die Transformation erlebt und aktiv mit gestaltet.

Nicht nur Gunnar Sohn wünscht sich eine CeBIT, die "bunter, offener, kontroverser und digitaler ist" und "ohne IT-Prozess-Schwafelei" auskommt. Auch die Journalisten, Kommunikatoren, Marktiers, Vertriebler sowie mittelständische Unternehmen haben bemerkt, dass sich die Zeiten geändert haben und sich die Dinge im Hinblick auf die Digitale Transformation ändern müssen.

Ein erster Schritt kann am Mittwoch, den 30. März, gemacht werden. Gunnar Sohn lädt zu einer offenen Diskussion zum Thema "CeBIT 2017: Neuanfang oder Absturz?" ein.

Die Diskussionsrunde findet im virtuellen Raum statt. Aber das versteht sich ja von selbst. Die Digitale Transformation und digitale Kommunikation haben Sie sich ja schließlich nicht umsonst auf die CeBIT-Messe-Fahnen geschrieben oder?

 

Quelle:

Titelbild: Businessman standing in his office, picjumbo.com, by Viktor Hanacek

Die Bundeskanzlerin muss zur CeBIT. Obama darf zur SXSW.

Christian Spanik

Medienmacher #editorialcontent *LinkedIn TopVoice DACH * Livestreamer * GF netproducer

8 Jahre

Dann freu ich mich schon drauf, dass wir uns alle sehen. Morgen, ab 17 Uhr im virtuellen Raum ;-) Ach - das gab es noch gar nicht, als ich noch jung war ;-)

Gunnar Sohn

Man hört, sieht und streamt sich.

8 Jahre

Global Conference aufwerten, allerdings nicht als geschlossenes Konzept. Es muss in die Hallen fluten. Sonst bringt das nichts.

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Weitere Artikel von Stephanie A. Kowalski

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen