Die Grenzen des Culture Fit: Wenn ein Welttorhüter nicht automatisch ein Spitzen-CEO wird

Die Grenzen des Culture Fit: Wenn ein Welttorhüter nicht automatisch ein Spitzen-CEO wird

Der FC Bayern München Bayern ist Deutscher Meister. Mal wieder, möchte man sagen. Und dennoch kracht es in der Zentrale in der Säbener Straße in München. Der Schampus war noch nicht getrocknet, als vergangenen Samstag die Meldung kam: Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić müssen ihre Posten als Vorstandsvorsitzender und Sportvorstand der FC Bayern München AG räumen.

Eine Entscheidung, die Sportdeutschland erschütterte. Auf den ersten Blick wirkt es fast absurd. Der Rekordmeister gewinnt seinen 33. Titel und trotzdem müssen Köpfe rollen? “Sind die Bayern denn nie zufrieden?”, fragen sich viele, sowohl in Reihen der Fans als auch außerhalb der Sportwelt. Ich finde die aktuellen Personalentscheidungen vor allem deshalb spannend, weil sie uns einiges darüber verraten, wie das Unternehmen FC Bayern funktioniert. Daraus wiederum lässt sich viel über die Unternehmenswelt ableiten, in der Sie und ich uns tagtäglich bewegen. Aber zurück zum Anfang:

Die Bayern und der Culture Fit

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Ich erzähle Ihnen nichts Neues, wenn ich sage, dass der FC Bayern gerne innerhalb der eigenen Vereinsfamilie Positionen besetzt. Sowohl auf sportlicher Ebene als auch in Führungspositionen der AG. Man denke allein an Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß, die die Vereins- und Unternehmensgeschichte so geprägt haben wie kaum ein anderer.

Oliver Kahns Berufung zum Vorstand der AG war eine Entscheidung, die sich perfekt in diese Philosophie einreiht. Während seiner aktiven Fußballerkarriere absolvierte der dreimalige “Welttorhüter des Jahres” 632 Pflichtspiele in 14 Jahren und gewann insgesamt 23 Titel mit der Mannschaft. Er kennt, und noch wichtiger: er verkörpert die Bayern-Identität wie kaum ein anderer. Ähnlich der Fall Hasan Salihamidžić: 365 Pflichtspiele für den FC Bayern und 46 Tore in neun Jahren. Auch er weiß, wie der Verein tickt.

Solch elementare Personalentscheidungen wie diese gibt es natürlich nicht nur in München. Sowohl Sportvereine als auch viele Unternehmen, klein und groß, folgen dieser Strategie. Das legt die Frage nahe:

Ist der perfekte Fit ein Selbstläufer für Management-Positionen?

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Die Causa Kahn/Salihamidžić zeigt: Ganz so einfach ist es nicht. Der Fall legt den Finger in eine Wunde, die aktuell viele Unternehmen spüren. Bei der Besetzung von Spitzenpositionen geht der Trend mehr und mehr hin zu eben diesem Culture Fit. Ob jemand zur Unternehmenskultur passt, wiegt teils schwerer als die harten Skills. Auch befördern Unternehmen immer mehr intern, schließlich hat der Kollege oder die Kollegin bereits demonstriert, dass er oder sie sich gut integriert. Das isteinerseits eine begrüßenswerte Entwicklung, denn das passende Mindset ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Teams und Unternehmen überhaupt.

Andererseits geht damit auch ein gewisses Risiko einher. Wo ein Welttorhüter nicht automatisch als Spitzen-CEO überzeugt, ist auch der beste Mitarbeiter nicht zwangsläufig ein ebenso guter Manager. Bei all dem Culture Fit dürfen wir andere, mindestens ebenso wichtige Eigenschaften nicht übersehen. Wenn wir mit Bewerbern (intern wie extern!) für Top-Funktionen sprechen, sollte mindestens genauso wichtig sein:

  • Gibt die Person dem Unternehmen eine (neue) DNA?
  • Was kann — und soll — auf der neuen Position bewegt werden?
  • Ist die bisherige Erfolgsbilanz überzeugend?
  • Welche Art von Leadership wird bevorzugt?
  • Wird das Unternehmen von dem mitgebrachten Netzwerk profitieren?
  • Hat der Kandidat für das Unternehmen eine klare Vision und wie überzeugend ist diese?

Fragen, die sich vielleicht auch die Führungsriege der Bayern in Zukunft stellen wird, bevor sie die nächsten Vorstandsposten besetzen.

Kulturell passend um jeden Preis? Es kann sich lohnen, harte Personalentscheidungen zu treffen

Die Münchner stellen seit vielen Jahren die Bayern-Identität ins Zentrum ihrer Personalpolitik. Nun sind sie (fast) gestolpert und nach eigener Lesart ausgerechnet mit dieser Strategie nicht erfolgreich (genug) gewesen. Das regt zum Nachdenken an. 

Culture Fit ist wichtig, insbesondere in Zeiten der (digitalen) Transformation. Aber was, wenn die “Kultur" verändert werden muss, um in Zukunft noch erfolgreich zu sein und mit dem stetigen Wandel Schritt zu halten? Dann sind harte Personalentscheidungen an der Spitze eines Unternehmens durchaus gerechtfertigt — und sogar notwendig. Denn der Fisch stinkt nicht nur vom Kopf, es ist auch der Kopf, der die Kultur nachhaltig verändern kann und muss. Anstatt auf der etablierten Unternehmenskultur zu beharren, werden Mut zur Veränderung, Hartnäckigkeit und Offenheit für neue Perspektiven in Zukunft immer wichtiger. Denn gewinnen werden die, die nicht locker lassen, die sich durchbeißen und dabei gleichzeitig so agil sind, Entscheidungen bei Bedarf (auch kurzfristig) nachzujustieren.

Ich wünsche Ihnen ein entspanntes Wochenende.

Herzlichst,

Ihr Marcel Kappestein



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