Die Idee der Industrie 4.0 springt viel zu kurz
Wie emsig Politiker und Unternehmer an der Industrie 4.0 arbeiten! Mit großem Engagement forciert die Bundesregierung den Trend zu smarten Fabriken. Auf den ersten Blick entsteht so der Eindruck, der Wirtschaftsstandort Deutschland arbeite konzertiert an seiner digitalen Zukunft. In Wahrheit werden hier mit deutscher Gründlichkeit die Märkte von morgen verspielt. Teil I der Exklusivserie "Digitale Transformation" für die Fachzeitschrift Automationspraxis.
Von Karl-Heinz Land
Der Grund: Die Idee der Industrie 4.0 springt zu kurz. Damit optimieren die Unternehmen die Produktion und ihr tradiertes Geschäftsmodell als Lieferant – eine Rolle, die es so eindeutig in der vernetzten Wirtschaft nicht mehr geben wird. Natürlich ist es gut, wenn moderne Fabriken flexibel reagieren können, automatisiert und hochproduktiv sind, ohne Probleme Losgröße 1 herstellen können und kaum Ausfallzeiten aufweisen. Aber das sind alles Grundanforderungen der digitalisierten Wirtschaft, die jedes Unternehmen künftig erfüllen muss. Erfolg und Misserfolg entscheiden sich auf anderen Feldern.
Wer wird im digitalen Spiel gewinnen? Vor allem Unternehmen, die verstehen, dass mit dem Internet der Dinge eine hochvernetzte Wirtschaft 4.0 entsteht, aus der die Intermediäre (also Mittelsmänner) verschwinden. Geschäfte werden künftig direkter und in wechselnden Partnerschaften, sogar mit Konkurrenten, abgewickelt. Dementsprechend stehen die Produkte immer weniger für sich. Entscheidend wird sein, welchen Mehrwert sie im Systemverbund mit anderen Produkten oder Produktsystemen entfalten.
Zeit der Dematerialisierung
Ohnehin erfolgt die Wertschöpfung zunehmend über Software und Services, nicht über Hardware. Digitalen, datengetriebenen Geschäftsmodellen gehört die Zukunft. Produktionskapazitäten, die man jetzt für viel Geld digitalisiert, werden in Zukunft überhaupt nicht mehr benötigt. Denn wir leben im Zeitalter der Dematerialisierung. Eine Produktkategorie nach der anderen verwandelt sich in eine Software, in eine App, in einen Service. Für die Funktionen, die man heute mit dem Smartphone durchführen kann, hätte man früher eine Wagenladung an Hardware benötigt: Kameras, Scanner, Mischpulte, Stereoanlagen, Telefonanlagen, Videokonferenzsysteme…
Internet der Dinge und Sharing Economy heizen die Dematerialisierung weiter an. Wenn sich physische Produkte aber in Software auflösen, dann werden ganze Wertschöpfungsketten obsolet, mit all ihren Fabriken, Maschinen und Arbeitsplätzen. Es wäre klüger, sich mit diesem Umbruch auseinanderzusetzen, bevor man weitere smarte Fabriken in die Landschaft setzt oder viel Geld in die Umrüstung bestehender Anlagen steckt.
Der Beitrag erschein zuerst in der Fachzeitschrift Automationspraxis 1-2/2018. Lesen Sie hier den Kommentar im Originallayout
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Develops & operates platforms for digital service delivery | Builds & runs digital customer journeys and success management
6 JahreIch stimme zwar zu, dass viele Dinge dematerialisiert werden und die Bedeutung Digitaler Produkte und Produktbestandteile exponentiell zunehmen wird. Ich glaube aber nicht, dass wir zukünftig in einer demateriellen Welt leben werden, es wird nur andere Schwerpunkte geben. Es gibt immer weniger CD-Spieler, aber der durchschnittliche Haushaltsbestand an beispielsweise Sportgeräten oder „Outdoor Gear“ ist in den letzten Jahren sicherlich stark angestiegen. Dies Frage ist doch wie stark „Hardware-Produktion“ zukünftig eine reine „commodity“ wird, in der Produzenten agnostische Plattformen adhoc entscheiden welche Produktionsstrasse bei welchen Produzenten weltweit angesteuert werden. Insofern glaube ich auch nicht an das Verschwinden von Intermediären. Der Typus des Handelsintermediärs wird verschwinden; dafür kommen Plattformen, die Produkt und Produktionssysteme orchestrieren und dadurch Teil der Wertschöpfung werden.
CDO MaterialsX | GenAI-powered Materials Innovation
6 JahreDie wichtigste Message ist hier: Adaptiver werden und lernen mit ständiger schneller Veränderung zu leben und den Erfolg daran zu knüpfen. Was genau die Veränderungen sein werden (Dematerialismus/sharing economy auf der einen, höherer Bedarf an strategischen Ressourcen für eine neue Energieinfrastruktur auf der anderen Seite) ist komplex und daher nahezu unmöglich im Detail auf lange Sicht vorherzusagen. Digitaler Darwinismus, wie Herr Land das schon vor Jahren geschrieben hat. Adapt or die!
Bauherren-Beratung für Großprojekte | Professor | Smart Districts, Bau- und Verkehrslogistik, Projektmanagement
6 JahreDas IoT ist nicht immateriell. Die Dematerialisierung, die Sie ansprechen, würde nur stattfinden, wenn Warenströme und der Verbrauch an Ressourcen zurückgehen würden. Diese nehmen durch die Vernetzung und Globalisierung allerdings eher zu als ab. Die Sharing Economy ist (noch) nicht Realität. Damit werden smarte Fabriken noch eine ganze Zeit gebraucht: vor allem in Deutschland. Das sich die Geschäftsmodelle der Hersteller ändern/erweitern, steht jedoch ebenfalls außer Frage.
Digitization Leadership - SCM/PLM Transformation | Business Model Engineering | SaaS | IoT
6 JahreDurchaus etwas Wahres dran und ein Punkt den ich selbst immer wieder anspreche. Welchen Mehrwert bietet das „digitalisierte“ Produkt im Gesamtwertschöpfungsverbund. Ein Kernproblem ist die Verschlossenheit innerhalb etablierter Wertschöpfungsketten und Eco-System. Hier erfordert es halt neue Formen der Zusammenarbeit. Aber das Schöne. Auch diese Beispiele gibt es.