Die neue Seidenstraße – Megaprojekt vor zahlreichen Herausforderungen
Rolf Koeppen/duisport

Die neue Seidenstraße – Megaprojekt vor zahlreichen Herausforderungen

2013 hielt Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Kasachstan eine im Westen eher wenig beachtete Rede über das im Englischen als „one belt, one road“ bezeichnete Projekt der neuen Seidenstraße. China wolle mit dem Vorhaben unter anderem die Zusammenarbeit mit eurasischen Ländern intensivieren, sagte Xi. Konkret sollen 65 Länder und 4,4 Milliarden Menschen zusammengebracht werden. Neben Zug- und Straßenverbindungen von China bis Westeuropa geht es auch um eine maritime Route mit zahlreichen Tiefseehäfen, die vom Reich der Mitte über Ostafrika bis an die Nordsee geht.

Im Bereich Schienengüterverkehr gibt es bereits erste Beispiele aus Deutschland für die „rollende Seidenstraße“. Rückblick: Weit vor der Geburt der Idee einer „neuen Seidenstraße“ wurde der erste Container aus Europa nach Asien auf der Schiene transportiert. Das war 1973. Damals reiste ein einzelner Container auf der Transsibirischen Eisenbahn mit. 2008 wurde erstmals ein Testzug mit 50 Containern von Xiangtang (700 Kilometer nördlich von Hongkong) nach Hamburg gefahren. 17 Tage dauerte die Reise über Nowosibirsk und Moskau. Einen Tag weniger benötigte ein Testzug im März 2011 auf der sogenannten Südroute über Kasachstan bis Duisburg. Diese Strecke mit rund 10.300 Kilometern ist etwa 2.000 Kilometer kürzer als die Nordroute über die Transsibirische Eisenbahnstrecke.

Als erster großer Automobilhersteller entdeckte BMW die Schiene als Transportweg ins Reich der Mitte. Seit November 2010 lässt der Konzern mindestens jede Woche einen Containerzug von Wackersdorf zum Werk Shenyang rollen. Das gleiche Ziel hat seit September 2011 ein Containerzug aus dem BMW-Werk Leipzig.

2011 war auch das Jahr, in dem erstmals Züge nach einem festen Fahrplan über die neue Seidenstraße rollten. Ausgangspunkte in Deutschland sind unter anderem Duisburg und Hamburg. Große Logistikdienstleister wie etwa Hellmann oder DHL werben intensiv mit den Services ins Reich der Mitte. Der gelbe Riese verspricht seinen Kunden, dass per Bahn sowohl Stückgut als auch Container-Vollladungen binnen 17 Tagen von Hamburg nach Zhengzhou gelangen. Blick in die Statistik: 2014 registrierte DB Schenker bereits 300 Züge zwischen Deutschland und China.

Die transeurasische Landbrücke auf der Schiene ist aber nur ein Teil der Idee „one belt, one road“. Einen mindestens genauso wichtigen Part soll einmal die maritime Verbindung zwischen Asien und Europa spielen. Die Vision sind zahlreiche Tiefseehäfen entlang der Route China, Ostafrika, Europa. Experten aus Europa kritisieren oft, dass bei dem Vorhaben ein konkreter Masterplan fehlt, die Finanzierung schwierig und die politischen und kulturellen Hürden herausfordernd sind.

Prof. Dr. Michael Schüller, Inhaber des Lehrstuhls für Management und Supply Chain Management an der Hochschule Osnabrück und Referent auf der Fachkonferenz EXCHAiNGE, schrieb für uns einen interessanten Blogbeitrag anlässlich unserer EXCHAiNGE-Podiumsdiskussion zur neuen Seidenstraße. Lesen Sie selbst!

Die Initiative der chinesischen Regierung zur Vernetzung des asiatischen Wirtschaftsraums mit Europa und mit afrikanischen Staaten in Form einer Wiederbelebung der historischen Seidenstraße birgt enorme ökonomische Wachstumschancen. Ein wichtiger Eckpfeiler wird die Logistikbranche darstellen, die länderübergreifende Transportsysteme zur Verfügung stellen und demzufolge von der neuen Seidenstraße profitieren wird.

Die Beweggründe zur Seidenstraßeninitiative sind offensichtlich. Die chinesische Industrie hat in den vergangenen Jahren enorme Überkapazitäten aufgebaut. Unter anderem war dies dem Wettbewerb zwischen den chinesischen Provinzen geschuldet. Die neue Seidenstraße dient also zunächst der Auslastung der chinesischen Wirtschaft und sichert chinesische Arbeitsplätze. Ebenso dient sie der Sicherung wichtiger Rohstoffe, wie Öl, Gas, Uran, Kupfer und Gold. Auch ist davon auszugehen, dass die chinesische Währung internationalisiert werden soll. Die Weltwirtschaft wird nach wie vor vom US-Dollar und dem Euro und nicht vom Yuan dominiert.

Vor diesem Hintergrund sind die zunehmenden Aktivitäten der chinesischen Wirtschaft in Europa nicht verwunderlich. Hervorzuheben ist vor allem das Engagement im Hafen von Piräus, der aus chinesischer Sicht als „Tor zu Europa“ gesehen wird und demzufolge zum größten Hafen Europas ausgebaut werden soll.

Neben den offensichtlichen Chancen sollten allerdings mögliche Hürden nicht übersehen werden. Das gigantische, auf Jahrzehnte ausgelegte Projekt bedarf eines enormen interkulturellen Managements. China betont immer wieder die dezentrale Vorgehensweise, so dass „One Belt – One Road“ nicht zentral durch Peking gesteuert, sondern sich aus zahlreichen Einzelprojekten zusammensetzen soll. Doch auch diese müssen in Form eines übergreifenden Masterplans aufeinander abgestimmt werden. Gleichzeitig sind lokale Interessen zu wahren. Es gab bereits Widerstände der Bevölkerungen in Kasachstan, Kirgisistan sowie Myanmar. Fraglich bleibt die zukünftige Rolle Pekings in diesem gigantischen Vorhaben.

Prof. Dr. Michael Schüller, Inhaber des Lehrstuhls für Management und Supply Chain Management an der Hochschule Osnabrück, wird auf der vierten Internationalen Fachkonferenz „EXCHAiNGE – The Supply Chainers’ Conference“, die am 6. und 7. Oktober in Frankfurt am Main stattfindet, in der Podiumsdiskussion „Die neue Seidenstraße – Wie ändert das Projekt ‚One Belt, One Road‘ die globalen Supply Chains?“ mitwirken. Moderator Thilo Jörgl, Chefredakteur des Fachmagazins LOGISTIK HEUTE, zeigt mit renommierten Vertretern Wissenschaftlern, Logistikdienstleistern und Industrievertretern aus China, Hongkong und Deutschland auf, wie sich das Projekt entwickelt und was die Ziele und Herausforderungen sind.

Als Mitstreiter bei „Die neue Seidenstraße – Wie ändert das Projekt ‚One Belt, One Road‘ die globalen Supply Chains?“ sind angekündigt:

  • Javier Contijoch (Director, BYD Forklift Europe)
  • Norbert Dierks (Koordination transsibirische Eisenbahn, BMW Group)
  • Oliver Kaut (Vice President Marketing & Sales Deutschland, DHL Global Forwarding GmbH)
  • Willy Lin (Member of the Hong Kong Logistics Development Council, Managing Director of Milo’s Knitwear (International) Ltd and Milo’s Manufacturing Co Ltd)
  • Lars Nennhaus (Vice President Port Development and Terminal Management, Duisburger Hafen AG)
  • Prof. Dr. Michael Schüller, Inhaber des Lehrstuhls für Management und Supply Chain Management, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Hochschule Osnabrück)

Mehr Informationen zur Fachkonferenz EXCHAiNGE - The Supply Chainers' Conference, die am 6. und 7. Oktober in Frankfurt am Main stattfindet, finden Sie unter www.exchainge.de

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