Die Technologie-Träume. Die unnötigen Debatten. Und was wir wirklich tun sollten!

Die Technologie-Träume. Die unnötigen Debatten. Und was wir wirklich tun sollten!

Letztens habe ich meinen Sohn (6) mitten in der Nacht auf dem Flur zufällig „angetroffen“. Beide waren wir zufällig gleichzeitig kurz aufgestanden um ein wenig Wasser zu trinken. An und für sich skurril genug. Dann legt er los: „Papa, ich hatte gerade einen wunderschönen Traum“ Ich: „Schön, was hast Du denn geträumt?“ Er: „Das ich zu Geburtstag meine eigene Alexa bekomme“. So weit sind wir also schon.

(Lesedauer: 5 Minuten - weitere Artikel zum Digitalen Wandel)

Träume und Albträume der heutigen Zeit

Die Auseinandersetzung mit der technologischen Entwicklung ist getrieben von Träumen. Das erlebe ich immer wieder. In einer Zeit, in der die technologische Entwicklung die definierende Konstante einer ganzen westlichen Gemeinschaft ist, sind wir zu Träumern des technisch machbaren geworden. Es haben sich verschiedene Lager gebildet: Die „Schönträumer“ und die Albträumer. Das Lager der Nicht-Träumer ist hingegen bedauerlicherweise relativ klein.

Leider ist das jedoch für einen differenzierten Austausch über die Weiterentwicklung der Menschheit nicht gerade förderlich. Denn Träume bleiben Träume. Und erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Ein Traum basiert immer auf (surrealen) Analogien – und gerade diese sind komplett hinderlich, wenn es darum geht, zukünftige Entwicklungen, auch gesellschaftliche, vorherzusagen. Oder zumindest vorhersagen zu wollen.

Werte/Gesellschafts – Debatte

Die darum immer wieder entstehende Werte–Debatte bin ich langsam aber sicher ein wenig Leid. Ich werde praktisch jede Woche in eine verstrickt:

Wir müssten den Menschen vorgeben wie mit Technologie umzugehen ist. Wir müssten die Roboter im Zaum halten – alsdann sie uns selbst sonst aufzäumen. Silicon Valley wolle der ganzen (westlichen) Welt ein Denkmuster aufzwingen.

Was die meisten Leute die da mitdiskutieren, überhaupt nicht erfasst haben ist, wieviel Arbeit es noch bedarf, um Künstliche Intelligenz in einen Bereich zu bringen, in dem sie wirklich radikale Fortschritte bewirkt. Und das sage ich als jemand, der die Geschwindigkeit genau dieser Entwicklung sehr optimistisch beurteilt.

Wenn wir den Punkt dann einmal erreicht haben, wird die Welt so oder so eine andere sein. Und die Fragen welche heute interessant und diskussionswürdig erscheinen, keine Fragen mehr sein. Und die Verwendung dieser Technologie wird sich völlig natürlich anfühlen.

Auch prominente Vordenker sind nicht davor gefeit

Heikel ist, dass eben auch prominente Vordenker wie z. Bsp. Ray Kurzweil, vor solchen öffentlichen Gedankenexperimenten und Spielereien nicht gefeit sind. So hat er z. Bsp. vor ein paar Jahren in seinem Essay „The law of accelerating returns“ gut erarbeitet wie und warum Technologie exponentiell fortschreitet. Es dann aber nicht dabei bewenden lassen, sondern ausgerollt wie diese Entwicklung weitergehen könnte und was die Rolle des Menschen darin ist.

Für die allermeisten Leute ist das nicht als Gedankenexperiment einordenbar: Entweder kompletter Unsinn, totale Begeisterung oder ernst zu nehmende Bedrohung.

Diese Punkte nehmen manche Intellektuelle auf und diskutieren sie breit. Der eigentliche Wert dieser Diskussionen, über quasi den Basis-Wert einer jeglichen Diskussion hinaus, erschließt sich mir bei allem Respekt allerdings nicht. Es ist etwa so, als hätte man 1950 darüber diskutiert, ob es dereinst Handy-freie Hotels geben soll.

Technologic

Die Frage die bei all den Diskussionen wohl am interessantesten ist, ist jene der Entwicklung der Intelligenz. Viele Leute aus der Tech-Szene sehen die Biologie als eine mögliche Technologie zur Entwicklung von Intelligenz. Dass diese sich entwickelnde Intelligenz nur in der Biologie verbleibt, ist indes äußerst unwahrscheinlich.

Wahrscheinlicher ist, dass nicht-biologische Intelligenz zuerst der biologischen hilft, besser zu werden. Das ist eine Entwicklung die schon lange begonnen hat. Wir sind schon lange ein Mensch-Maschine Komplex. Und wir werden es von Tag zu Tag mehr. Wir haben längst alle Grenzen überschnitten.

Dass sich Intelligenz verselbständigt, ist kein per se ideologisches Konstrukt, sondern ein zu Ende gedachter Gedanke. Soweit man im Moment halt denken kann. Dass sich diese verselbständigte Intelligenz dann gegen den Menschen richtet ist ein Fantasiekonstrukt aus Science-Fiction Filmen. Es ist schlicht unlogisch, dass das passiert. Logischer ist, dass diese Intelligenz den Menschen links liegen lässt und weiterzieht. Verharren wir im biologischen, wird sich uns das Agitationsfeld und die Bewusstseinsdimension dieser verselbständigten Intelligenz gar nie erschließen. Und, btw, muss sie sich auch gar nicht. Viel spannender: eventuell ist dieser Prozess mit einer anderen Spezies bereits einmal durchlaufen worden ohne, dass der Mensch es mitbekommen hätte.

Aus all dem den Verdacht zu konstruieren, es gäbe einen Sillicon Valley gesteuerten Plan zur Transformation der westlichen Gesellschaft, wie das da und dort geäußert wird, – dem habe ich nichts zu erwidern. Ich finde ihn schlicht absurd. Denn die Tech-Gemeinschaft hat keinen wirklichen ideologischen gemeinsamen Kern, keinen Common-Sense. Oder ich habe es einfach in all den Jahren nicht mitbekommen. Vielmehr erlebe ich die Tech-Gemeinschaft als bunter Haufen Leute die es gerne sehen, wenn neue Dinge funktionieren.

Wenn sie vielleicht etwas eint, dann das Bemühen möglichst logische und objektive Entscheidungen zu treffen. Möglichst wenig Analogie – möglichst viel First Principle. Das mag in ideologisch getriebenen Kreisen ganz schön radikal rüberkommen.

Mehr aktive Arbeit

Meine Kritik an solchen Auseinandersetzungen zielt denn auch nicht auf den guten Willen der einzelnen Gesprächsteilnehmer. Der rasche technologische Fortschritt bringt gewaltige Herausforderungen.

Was mich deprimiert ist, dass man lieber, gerade auch in der Politik, über hypothetische futuristische Probleme spricht, anstatt sich den Herausforderungen der nächsten Tage zu widmen.

„Every little thing is going to be alright“

Denn für einen komplett sorglosen, „every little things is going to be alright“-mäßigen Umgang mit dem technologischen Fortschritt plädiere ich nicht.

Die Herausforderungen sind gewaltig und das dümmste was von der Politik kommen kann, ist eine Technologieverhinderung. Das geht 100% schief, weil sämtliche Technologie früher oder später zum Einsatz kommt. Statt Verhinderung sollte Antizipieren der Weg der Wahl sein.

Was wir in der Tat benötigen, ist eine aktive Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der nächsten 24 Monate. Was machen wir mit den Taxifahrern, Busfahrern, Zugfahrern & Lastwagenfahrern, wenn autonomes Fahren sich etabliert, was machen wir, wenn sich PV und Speichertechnologien flächendeckend durchsetzen.

Wie gehen wir generell volkswirtschaftlich mit den systemischen Herausforderungen des Ersatzes des Produktionsfaktors Arbeit durch Roboter um. Wie soll unsere Wirtschaft in Zukunft funktionieren. Unser Steuersystem. Unsere Einkommensstruktur. Die Liste an großen, heiklen Fragen ist lang.

Eine ernsthafte Debatte mit konkreten Lösungsvorschlägen und Abwägungen findet derweil nicht statt. Weder in der Politik noch in intellektuellen Kreisen.

Das ist darum katastrophal, weil jetzt noch Zeit bliebe, um endlich mal gesellschaftlich technologische Entwicklung zu antizipieren und die aus den Umwälzungen unweigerlich resultierenden sozialen Schäden zu minimieren. Wenn etwas passieren muss dann das.

**Dieser Artikel wurde ursprünglich auf www.alainveuve.com veröffentlicht. Referate**


Henk-Jan Scholman

Engineering Process Improvement @ IDECI | Smart Customization, Change Management

7 Jahre

Technologie ist Teil der Evolution. Man kann darüber diskutieren so viel man wollt aber kaum beeinflussen. Es ist nur menschlicher Hochmut wann man glaubt dass sich dass steuern lässt. Nur Selbstdestruktion enthält uns von das einsetzen Technologie (z.b.Atombomben). Aber manchmal nicht eben dass.

Johny Varsami

All requests of contacts who only want to sell are rejected. Please stop annoying people here!

7 Jahre

Ich finde es lustig, wie immer wieder versucht wird, Diskussion abzuwürgen, indem man sie als unnötig oder unrelevant abstempelt. Eine wertebasierte Auseinandersetzung mit Technologien hat genauso ihre Daseinsberechtigung wie eine soziale oder wirtschaftliche, schließlich wird unsere Gesellschaft nicht nur durch Geld und Technologie zusammengehalten. Und sowas kann nie früh genug statt finden, sonst werden wir irgendwann von der Entwicklung überrolt, da hilft auch das polemische Beispiel mit hypothetischen Diskussionen in den 50er Jahren über handyfreie Hotels. Bücher wie 1984 oder Schöne neue Welt zeigen, dass es nie früh genug sein kann, vor negativen Entwicklungen der Zukunft zu warnen. Im Übrigen hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass gerade die angeblich neutrale Schweiz, was ethisches Verhalten angeht, doch etwas Nachholbedarf hat.

Brigitte Thoms

Galeristin aus Leidenschaft bei "Flieder Salon"

7 Jahre

Die Leute vom Selicon Valley fordern für Amerika ein Grundeinkommen, so wie es schon lange in Dänemark ist. Ich bin auch ein verfechter dieses Grundeinkommens! Das würde den Leuten helfen, wenn Ihre Jobs wegfallen. Sie könnten auch ihr eigenes kreatives Potential kennen lernen und es ausschöpfen lernen.

Robert Kerschbaumer

Geschäftsführungs- und Aufsichtsratsfunktionen bis 2018; Angestellter bei UNIQA von 1994 bis 2020

7 Jahre

Faszinierend ist der Gleichklang Ihrer Überlegungen mit der österreichischen Spitzenwissentschaftlerin Molekularbiologin Renée Schroeder, dargelegt in Ihrem Buch "Die Erfindung des Menschen". Unterstreichen möchte ich Ihre Aufforderung, die aktive Auseinandersetzung mit den sich klar abzeichnenden Herausforderungen der nächsten Jahre zu suchen, dies dürfte aber offensichtlich die handelnden Personen (aufgrund deren Stärken und Schwächen) und die Mechanismen der politischen Welt bereits weitgehend überfordern.

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