»Wir können uns in Deutschland die Angst vor Veränderung nicht länger erlauben«

»Wir können uns in Deutschland die Angst vor Veränderung nicht länger erlauben«

In unserer Interviewreihe FUTURE PERSPECTIVES stellen wir Unternehmer*innen und anderen spannenden Persönlichkeiten aus unterschiedlichsten Bereichen und Branchen 11 Fragen zur Zukunft.

In dieser Ausgabe sprechen wir mit Sven Wagenknecht, Chefredakteur von BTC-ECHO, dem reichweitenstärksten Medium zum Themenfeld Blockchain in der DACH-Region. In seiner Rolle kommentiert er regelmäßig den sozio- und makroökonomischen Einfluss dezentraler Technologien. Darüber hinaus berät er öffentliche Institutionen (u.a. Vereinte Nationen, Europäische Union und Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) zu einzelnen Blockchain-Initiativen.

(1) Eine Sache, die in Zukunft unbedingt erfunden werden muss?

Ein Analyseverfahren bzw. ein Gadget, das eine Krankheit erkennt, bevor sie ausbricht.

(2) Eine Person, von der du viel über Zukunft gelernt hast?

Mir haben die Bücher von Yuval Noah Harari (»Homo Deus«) und von Thomas Ramge (»Das Digital«) gute Denkanstöße geliefert, wie die Zukunft aussehen könnte. 

(3) Ein gesellschaftlicher Missstand, der sich in Zukunft unbedingt verändern muss?

Gerade in Deutschland und Europa können wir uns die Angst vor Veränderung nicht länger erlauben. Dieses noch junge Jahrzehnt wird eine gewaltige Dynamik in jederlei Hinsicht mit sich bringen. Wir dürfen hier nicht den Fehler begehen, uns an vermeintliche Gewissheiten und sicher geglaubte Lebensentwürfe zu klammern.

(4) Was wird es in Zukunft nicht mehr geben? 

Vollbeschäftigung. Entgegen der Theorie, dass jede industrielle Revolution mehr Arbeitsplätze erschafft als vernichtet, glaube ich, dass dies bei der aktuellen digitalen (R)Evolution nicht zutrifft. Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge, Extended Reality, Blockchain und andere technologische Innovationen führen in letzter Instanz zu einer enormen Substitution menschlicher Arbeit.

(5) Was wird in Zukunft ganz groß werden?

Ich glaube, dass sich unser Verhältnis zum menschlichen Körper und zu unserer Psyche radikal verändern wird. Was aktuell mit elektromagnetischen Meditationsstirnbändern, privatwirtschaftlich betriebenen DNA-Analyselaboren und Algorithmen-getriebenen Gesundheits-Apps ganz langsam Fahrt aufnimmt, wird sich in Zukunft zu einem gigantischen Geschäftszweig entwickeln. 

(6) Wie werden wir in Zukunft arbeiten?

Die Stichworte »digital« und »remote« haben in der Corona-Krise eine neue Durchdringung in unserer Arbeitswelt erfahren. Auch wird diese Flexibilisierung die Trennung zwischen »beruflich« und »privat« weiter aufweichen. Insgesamt werden anspruchsvolle Berufe immer weniger durch Fleiß und immer mehr durch Kreativität bestimmt.

(7) Wo bist du in deinem Job mit Zukunft konfrontiert?

Ich treffe viele Start-ups aus dem Tech-Bereich, die an Lösungen bzw. Applikationen arbeiten, die es heute in der Form noch gar nicht gibt. Mein Schwerpunkt ist dabei die Blockchain-Technologie, die genau wie das Internet Anfang der 2000er Jahre noch in den Kinderschuhen steckt.

(8) Welche individuellen Fähigkeiten werden in Zukunft entscheidend sein?

Das Wissen aus Schule und Universität wird weiter an Bedeutung verlieren. Gleichzeitig werden bestimmte Fähigkeiten an Relevanz hinzugewinnen. Dazu zähle ich: Die Fähigkeit vernetzt zu denken, Kreativität, interdisziplinäres Grundwissen und schnelles Reindenken in neue Situationen und Arbeitsumfelder.

(9) Was wird in Zukunft die wertvollste Ressource für Unternehmen sein?

Das Mittelmaß kommt unter die Räder. Konkret wird durch kluge Software-Programme und Roboter die Notwendigkeit nach der Ressource Mensch auf immer weniger Felder reduziert. Kreativität und Erfindergeist werden die wichtigste Ressource sein, während Fleiß und stumpfes Abarbeiten von Menschen an Maschinen outgesourct wird.

(10) Was bedeutet Zukunft für dich ganz persönlich?

Langfristig gesehen hält die Zukunft mehr Positives als Negatives für uns bereit – trotz gelegentlicher Rückschritte. Ich freue mich auf die Zukunft, da sie Möglichkeiten offenbart, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Zukunft kann das Leid von heute, zum Beispiel unheilbare Krankheiten oder menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, abschaffen und uns ein besseres Leben ermöglichen – das ist zumindest mein Fortschrittsoptimismus.

(11) Was würdest du deinem 20-jährigen Ich raten?

Noch weniger auf die Aussagen von Lehrern, Vorgesetzten oder anderen Menschen hören, vor allem mit Blick auf die Arbeitswelt sowie dazugehörige Lebensentwürfe. Als junger Mensch lernt man in einem System zu funktionieren, weniger aber seinen eigenen Weg zu gehen und mit diesem Weg Erfolg zu haben. Mehr an sich selbst zu glauben und kritischer zu hinterfragen, was einem als vermeintlich optimaler Lebensweg verkauft wird, könnte hier ein guter Ratschlag sein. 

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