Die Zukunft der städtischen Mobilität: Was sind integrierte Nahverkehrssysteme?
Nahverkehrssysteme halten die Städte zusammen und sind in der Lage den Autoverkehr massiv reduzieren zu können. Dafür müssen die Kommunen den Nahverkehr modernisieren.
Wir haben ja noch Glück in Deutschland und in den meisten europäischen Städten. Der Nahverkehr wurde in den letzten 50 Jahren zwar an vielen Stellen abgebaut, unterfinanziert und generell nur als Notlösung betrachtet, aber es ist noch lange nicht so schlimm wie in fast allen Städten in den USA. Interessanterweise hatten die Metropolen dort auch mal einen funktionierenden Nahverkehr, diesen aber entweder nie erweitert oder sogar komplett abgeschafft. Ein Beispiel ist die Straßenbahn-Verschwörung. Zwischen 1920 bis Mitte der 50er-Jahre hatten sich die großen Autokonzerne in die meisten Nahverkehrssysteme eingekauft und sie schlichtweg ruiniert, bzw. demontiert. Die Idee dahinter war, dass Menschen, die keinen ÖPNV mehr zur Verfügung haben, dann eben ein Auto kaufen. Das hat funktioniert.
Auch in Deutschland dachte man lange in diese Richtung. Die Vorstellung einer "autogerechten Stadt" basierte teilweise auf den Ideen des Bauhaus, aber vor allem auch auf Entwürfen des Architekten Le Corbusier. Analog zu Ideen wie dem "Plan Voisin" entstanden auch in Deutschland Vororte auf der grünen Wiese, viele ohne jeglichen oder nur minimalen Anschluss an den Nahverkehr. Da die Einwohner dann auf ein Auto angewiesen waren (und Autos in den 60er und 70er auch ein "Must have" waren) fielen die Nutzungszahlen des ÖPNV und damit auch die Einnahmen. Im Endeffekt reduzierten viele Städte ihren Nahverkehr auf das Nötigste.
Ein anschauliches Beispiel für eine unterschiedliche Gewichtung des Nahverkehrs sieht man bis heute in Berlin. Im Westen setzte man auf das Auto und zerstörte das vor dem Krieg gut ausgebaute Straßenbahnnetz. Im Osten war es genau andersherum, was viel damit zu tun hatte, dass das Auto in der DDR lange keine große Rolle spielte, da ein Trabant oder Wartburg schlichtweg nicht verfügbar war.
Aber was müssen Städte oder Kommunen unternehmen, wenn sie ihren Nahverkehr ins 21. Jahrhundert bringen wollen?
Aufbau eines Multimodalen Netzwerks:
Viele Netze sind klein oder decken nur einen Bereich einer Kommune ab. Das gilt vor allem Kleinstädte, die meist nur auf Busverbindungen setzen. Ein Ausbau des Netzes mit einer Straßenbahn kostet aber rund 15 Millionen Euro pro Kilometer. Dazu kommen dann noch weitere Betriebskosten hinzu. Das ist für viele Kommunen nicht zu stemmen.
Aber man ist nicht mehr auf drei Hauptträger, U-, Straßenbahn und Bus angewiesen. Mittlerweile gibt es diverse andere Möglichkeiten, den Nahverkehr zu unterstützen. Dazu gehören E-Scooter, das Bike- oder Carsharing und andere. Vor allem E-Scooter und Bikesharing können schnell Entlastung bringen. Durch den Einsatz dieser Verkehrsmittel kann eine Kommune auch dann Mobilität anbieten, wenn der Nahverkehr seine Dienste eingestellt hat, zum Beispiel in der Nacht.
Sharing-Angebote können Städte in Eigenregie anbieten, aber vornehmlich lohnt sich eher ein Vertrag mit einem der etablierten Anbieter. Firmen wie Bolt, Tier oder Lime bieten relativ günstige Konditionen auch für kleine Städte an, die das Mobilitätsangebot erheblich verbessern.
UCI-Angebote (Unified, Coordinated und Integrated)
Der Mangel an Service und an Informationen wird von vielen Autobesitzer als eine Hürde für einen Umstieg auf den ÖPNV angegeben. Die mangelnde Finanzierung des ÖPNV über Jahrzehnte hat auch zu einer verschleppten Digitalisierung geführt. Viele Services sind deswegen nicht verfügbar. Viele kleine Nahverkehrsanbieter sind aber auch in einem der großen ÖPNV-Verbünde organisiert, was neue Chancen ermöglichen kann.
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Vier Dinge sollte aber jeder Nahverkehr bis 2030 anbieten können:
Das erfordert vor allem für kleinere Kommunen einen erheblichen Aufwand bei der Umstellung der IT-Systeme. Allerdings gibt es schon einige Startups, die diesen Service als White-Label anbieten und die angeben, dass sich ihre Software leicht in bestehende Systeme integrieren lassen kann.
Der Vorteil für ÖPNV-Anbieter ist hier, dass man ohne großen neuen Personal- oder IT-Aufwand das eigene Angebot schnell digitalisieren kann. Wenn Verkehrsverbünde sich dazu entschließen, solche Angebote anzunehmen, lassen sich die digitalen Angebote auch schnell über den ganzen Verband skalieren.
Der wichtigste Punkt, um diese Ziele zu erreichen, liegt aber in den Unternehmen selber. Die strategische Planung und das Management müssen klar strukturiert sein. Dafür muss man intern etliche Weichen stellen:
Entwicklung einer umfassenden Digitalisierungsstrategie:
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Digitalisierung eines öffentlichen Verkehrsnetzes eine umfassende Strategie erfordert, die die Einführung von Technologien, die Einbindung von Interessengruppen, politische Interessenvertretung, Investitionen in die Infrastruktur und eine kontinuierliche Leistungsüberwachung umfasst und gleichzeitig Nachhaltigkeit und Cybersicherheit gewährleistet. Das ist für viele Nahverkehrsbetriebe alleine nicht leistbar, aber die 75 Verkehrsverbünde in Deutschland sollten sich hier zusammenschließen.
Das Deutschlandticket ist eine gute Blaupause und hat gezeigt, dass ein relativ einfaches System auch schnell von den Kunden akzeptiert wird. Jetzt muss der nächste Schritt zu einem integrierten Nahverkehrssystem in den nächsten Jahren erfolgen.