Digitale Ökosysteme von morgen schon heute entwickeln
Wie Stadtwerke und ihre Gewerbekunden gemeinschaftlich die kommunale Wertschöpfung effektiv steigern und Kunden langfristig begeistern können
Interview mit Mirco Pinske, CEO und Gründer der DIPKO (Digitale Plattform für Kommunale Services)
Herr Pinske, die massiv gestiegenen Energiepreise werden für viele Unternehmen zu einer existenziellen Bedrohung. Was bedeutet diese Entwicklung für EVUs und Stadtwerke?
Der extreme Anstieg der Energiepreise sowie die hohe Inflation trüben das Konsumklima stark ein. Der Gfk Konsumklimaindex lag vor einem Jahr noch bei -1,8 Indexpunkten. Im August 2022 ist er bereits auf -30,9 gefallen – mit weiterhin negativer Tendenz. Industrie und Gewerbe müssen also die Explosion der Energiekosten managen, während ihnen die Einnahmen wegbrechen. Zwar haben viele Gewerbekunden längerfristige Energieverträge abgeschlossen. Aber auch diese laufen irgendwann aus. Die Stadtwerke müssen in dieser schwierigen Lage aktiv auf ihre Kunden zugehen, um zu helfen und die Kundenbeziehung zu stabilisieren.
Wie könnte eine solche Hilfestellung aussehen?
Es geht darum, in der angespannten Situation die Gewerbekundenbindung zu stabilisieren und partnerschaftlich zu fundieren. Das hilft beiden Parteien – denn gerade die Stadtwerke, die in der Regel einen regional begrenzten Markt haben, brauchen ihre Gewerbekunden als langfristige Bestandskunden und Partner. Deshalb sollte überlegt werden, wie man Gewerbekunden dabei helfen kann, die schwächelnde Nachfrage anzukurbeln. Stadtwerke, die bereits über digitale Plattformen verfügen, können z.B. das Thema „kommunale Vorteilswelten“ unterstützen. Durch intelligentes gemeinsames Marketing kann ein lokaler digitaler Marktplatz geschaffen werden, auf dem lokale Partner, Gewerbekunden oder Einzelhändler der Kommune den Endkonsumenten attraktive Angebote vor Ort machen.
So kann ich beispielsweise das Thema Energiesparen für alle mit dem Gedanken der kommunalen Vorteilswelten verknüpfen – wir nennen es „Energiesparwelten“. Es gilt, Kunden aktiv zu unterstützen, wirkungsvoll Energie einzusparen. Beispielsweise durch den Austausch stromfressender Haushaltsgeräte wie dem alten Kühlschrank, LED- statt Halogen-Lampen, etc. Das kann in Zusammenarbeit mit lokalen Gewerbepartnern und Einzelhändlern wirkungsvoll umgesetzt werden, z.B. durch vergünstigte Angebote energieeffizienter Produkte. Oder mit einem Gamification-Ansatz, bei dem Bürger Punkte sammeln für ihr energiesparendes Verhalten. Diese Punkte können sie später wieder einlösen für Vorteile und Angebote der Stadtwerke wie Schwimmbad, Parken, usw. oder der lokalen Gewerbepartner/Einzelhändler. So ergibt sich für teilnehmende Bürger ein monetärer Vorteil durch die Vorteilswelt, für die lokalen Einzelhändler entsteht über die Energiesparwelt ein weiterer Vertriebskanal und eine klare Imageaufwertung.
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Die großen EVUs haben andere Möglichkeiten als die vielen mittleren und kleinen Stadtwerke. Diese verfügen doch nicht unbedingt über die finanziellen Mittel, um ihre Gewerbekunden zu unterstützen?
Um direkte finanzielle Unterstützung geht es auch nicht. Sondern um das kommunale Ökosystem und die Endkundennähe, die Stadtwerke haben. Wenn ihre Produkte und Services auch noch in einer kommunalen Plattform integriert und vernetzte Aktionen steuerbar sind, lässt sich diese Nähe zum Wohle aller Parteien nutzen. Die Frage ist doch, wie man als Energielieferant jetzt seine Rolle als aktiver Partner und Krisenmanager in der Kommune glaubhaft vertritt und in seiner Kundenkommunikation sinnvolle Hilfestellung geben kann. Hier kommen kommunale Vorteilswelten ins Spiel, die alle Akteure einbinden und ein steuerbares digitales Ökosystem bilden.
Es geht also einerseits darum, welche gemeinsamen Szenarien man als Stadtwerk entwickeln und managen kann. Andererseits wird durch den Aufbau von kommunalen Vorteils- und Energiesparwelten das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt und die konkrete Botschaft an die Gewerbekunden vermittelt: „Wir halten zusammen - Stadtwerke, Kunden, Einzelhandel“. Für eine aktive und partnerschaftliche Interpretation des Versorgungsauftrags und der Geschäftsbeziehung.
Welche Bedeutung kommt in der aktuellen Situation der Digitalisierung zu?
Generell gesprochen wäre es vermessen, von der Digitalisierung und Integration von Prozessen im kommunalen Bereich Wunder zu erwarten. Durch sie werden weder die Energiepreise noch die Inflationsraten sinken. Aber es entstehen Möglichkeiten, Ressourcen effektiv zu nutzen, unternehmensübergreifende Aktionen zu organisieren, Kooperationen zu vereinfachen, Informationsflüsse viel stärker im Kundensinn zu gestalten und Fehler und Verzögerungen zu vermeiden.
Stadtwerke, die ihre Prozesse im Kundenmanagement bereits digitalisiert und vernetzt haben, sind jetzt im Vorteil. So hilft eine digital unterstützte Abwicklung des Forderungsmanagements und die Verbindung zu den Abrechnungssystemen über die Plattform dabei, die anstehenden Kundendialoge effektiv zu gestalten. Dazu setzen wir aktuell auch auf innovative Chat-Bot Technologien. Chatbots können auf individuelle Fragen und Probleme der Kunden eingehen, Self-Service Funktionen wie Abschläge anpassen, Ratenzahlung vereinbaren, Zählerstand erfassen etc. anbieten und vieles mehr. Sie sind als einfacher Kommunikationskanal 24/7 nutzbar. Damit helfen sie, die Welle der Kundenanfragen zu bewältigen. Man kann schneller und effizienter reagieren und entlastet die Servicemitarbeiter, die sich dann stärker auf die komplexeren Themen und kritische individuelle Fragestellungen der Kunden konzentrieren können.