Disruption bei Bayer: 
Blaupause für exzellentes  Change Management
Bayer-CEO Bill Anderson im Gespräch mit Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes (Foto: U. Germann @ Work in Progress)

Disruption bei Bayer: Blaupause für exzellentes Change Management

Aktuell blickt die Community der Change Maker gespannt nach Leverkusen. Nicht auf die Meisterschale von Bayer 04 Leverkusen, sondern auf die Champions League der Transformationen. Alle zukunftsorientierten C-Level-Manager verfolgen aufmerksam die große Disruption der Bayer AG. Konsequent, unfassbar schnell und mit extrem weitreichenden Maßnahmen wird der Konzernumbau umgesetzt.  Was für viele Manager bislang undenkbar war, wird beim Leverkusener DAX-Konzern als Blaupause für exzellente Organisationsentwicklung sowie Change Management zur neuen Realität.

Live und sehr klar hat Bayer-CEO und Vordenker Bill Anderson auf der Work in Progress-Konferenz der Handelsblatt Media Group (in Kooperation mit Stepstone Deutschland ) dem Handelsblatt -Chefredakteur Sebastian Matthes für seinen Podcast "Disrupt" offen geantwortet und Insights seiner neuen Bayer-Strategie erzählt.

Für meinen Newsletter EX Insights und Trends sind diese Einblicke der Bayer-Transformation das absolute Topthema. Bayer stellt nicht nur konsequent den Kunden ins Zentrum aller Aktivitäten, sondern wird auch radikal zur mitarbeiterzentrierten Organisation. Die Highlights des Interviews sowie die relevanten Punkte für Change Manager habe ich hier zusammengefasst.

 

Bayer erfindet sich neu

Bill Anderson ist anders. Er ist einzigartig. Statt Design-Anzug und Corporate-Etikette setzt er auf Authentizität und kommt lässig daher, normalerweise mit seinem Skateboard. Statt einer ausformulierten Rede und aufgesetzten Phrasen erzählt er mit Begeisterung von seiner Mission, und der Bayer-Challenge.  Ungewohnt offen benennt er die Tipping-Points und Learnings seiner Karriere. Ohne Distanz interagiert er mit dem Publikum und strahlt trotz oder gerade wegen seiner unkonventionellen Art die Kompetenz und Mut aus, die seinesgleichen suchen.

Eine Transformation kann so einfach sein, scheint es. Doch die massive Veränderung, wie Bayer sie derzeit umsetzt, ist einer der größten Change Prozesse der Wirtschaftsgeschichte. Sie erinnert an den seinerzeit fast unmöglich anmutenden Turnaround von Ford Motors durch Alan Mulally.

Mit dem eigens entwickelten Change-Modell „Dynamic Shared Ownership“ hat Anderson den radikalen Konzernumbau eingeleitet. Bayer wird eine komplett neue Organisation werden, sagt er ebenso selbstbewusst wie selbstverständlich.

Der Kunde steht unverrückbar und konsequent im Zentrum der neuen Organisationsstruktur. Weg mit Organigrammen, Hierarchien, starren Führungsstrategien, Silos und vermeintlichen Managementregeln! Das Ziel ist die konzentrierte Fokussierung auf Kundenbedürfnisse und dazu passende Lösungskonzepte anbieten zu können.

Das verlangt einen neuen Kurs. Grundsätzlich werden jetzt Entscheidungen bei Bayer von Teams getroffen. Sie kennen und erfüllen die Kundenbedürfnisse. Manager auf der Meta-Ebene sind laut Anderson zu weit weg von der Kundenschnittstelle und verfügen nicht über ausreichend Wissen und Kompetenz.

"Wenn wir wichtige Prinzipien aufstellen, transformieren sich Prozesse von allein."

Ein zentraler Punkt, der Anderson am Herzen liegt und den er besonders hervorhob: Prinzipien sollten Regeln ersetzen. Für ihn führen Reglementierungen und Regeln zu einer maximalen Handlungsunfähigkeit von Unternehmen. „Wenn wir wichtige Prinzipien aufstellen, transformieren sich Prozesse von allein“, sagte er in Düsseldorf. 

Zwei Säulen sollen den Change bei Bayer ermöglichen und sind die Grundpfeiler der Transformation:  Die Organisationsstruktur wird neu definiert, auf einem weißen Blatt und mit dem Kunden als Kern. Anderson berichtet, dass die gesamte Organisation mit dem Missionsziel, den Kunden bestmöglich zu bedienen, neu designt wird. Vom Kunden als Mitte startend wird ein Netzwerk entwickelt, das sich selbst entwickeln und erweitern kann. So wird aus einer starren hierarchischen Struktur eine flexible, leistungsorientierte Organisation.

"Was Mitarbeitende wirklich wollen, ist einen wichtigen Beitrag zu leisten."

Die zweite zentrale Säule der weltweit beachteten Transformation ist die neue Führung. Entscheidungen werden in Teams verlagert. Anderson fragte das Work-in-Progress-Publikum: „Wer kann besser entscheiden, was für Kunden gut ist? Die Mitarbeitenden im Kundenkontakt, die die eigentliche Arbeit erledigen oder der Manager der obersten Hierarchieebene? Volle Zustimmung für die Teams. Seine Erkenntnis: „Sie können Ihren Manager täuschen, aber nicht Ihre Kollegen.“ Auch Anderson selbst betrachtet sich als Teammitglied und sagte, man könne auch zu mehreren Teams gehören.

Bayer hat das neue Führungsmodell als VACC-Konzept definiert. Die Buchstaben stehen für Grundvoraussetzungen, die Anderson an Führungskräfte von Bayer stellt. V steht für Vision, A für Architecture, C einmal für Catalyst und das zweite für Coach. Mit dem für diese Themen passenden Skill-Set sollen Führungskräfte Mitarbeitenden ermöglichen, einen werthaltigen Beitrag zum Erfolg und der Entwicklung der Organisation zu erbringen. „Das ist, was Mitarbeitende wirklich wollen, einen wichtigen Beitrag leisten. Dann stehen sie für ihren Job in guten wie in schlechten Zeiten“ sagte Anderson.

Sein Konzept basiert auf Mitarbeiter-Feedback. Mitarbeitende hätten bei Bayer ebenso wie in früheren Unternehmen seiner Laufbahn immer wieder in Befragungen gesagt, dass die Prozesse sie nicht bei der Erledigung ihrer Arbeit unterstützen und ihnen nicht helfen, wichtige Ziele zu erreichen. Zeitgleich hätte auch das Ergebnis vorgelegen, dass Mitarbeitende ihren Manager als großartig einordnen. Er würde befähigen und unterstützen. Also war klar: Das System krankt. Und das Management würde längst nicht mehr das System steuern, sondern das System würde das Leadership kontrollieren. Das will Anderson jetzt konsequent ändern und den Weg der Exzellenz einläuten.

Was sind die Key-Take-aways dieser Transformation?

1.         Unternehmen brauchen mutige Macher an der Spitze, die Visionen haben, Kunden sowie Mitarbeitenden zuhören, den Blick auf das Wesentliche richten und nicht vor disruptiven Maßnahmen zurückschrecken. 

2.         Manager müssen Organisationen komplett neu denken – nur so gelingt eine wirkliche Transformation.

3.         Ein exzellent gemanagter Change-Prozess findet Unterstützung bei allen Stakeholdern, auch wenn die Disruption für Einzelne Nachteile mit sich bringt.

4.         Führung muss heute neu definiert werden. Leadership-Modelle mit Hierarchien und Silos sind Vergangenheit und nicht mehr zukunftsfähig.


Meine persönlichen Key-Take-aways:

1.         Ich erhalte eine ganz persönliche Bestätigung. Denn die Bayer-Strategie entspricht in allen zentralen Charakteristika der Communicative Organization. Diese Organisationsform habe ich bereits 2022 auf Basis der Theorien von Harvard- und Lund-Professoren entwickelt und in dem Buch „Disrupt your Communication – Neue Business Intelligence für CEOs“ beschrieben. Bill Anderson setzt das jetzt weltweit um.

Disrupt your Communication! Neue Business Intelligence für CEOs. Das Management-Buch beschreibt die #CommunicativeOrganization, die in vielen Punkten mit der neuen Organisationsstruktur von Bayer übereinstimmt.


2.         Ich bin sicher, dass Bill Anderson mit seiner radikalen Konsequenz und scheinbaren Furchtlosigkeit Bayer zur Vorzeigeorganisation führen kann und vielen weiteren Konzernen ähnliche Transformationen bevorstehen. Es scheint, als sei die deutsche Wirtschaft endlich aufgewacht.

   

Wichtige Links zum Thema


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Im Podcast „Disrupt“ von Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes können Sie das Interview mit Bill Anderson komplett anhören.
Die dritte Work in Progress-Konferenz fand am 13. und 14. Juni in Düsseldorf statt.


Hier finden Sie weitere Details zur Work in Progress und auch schon den Termin für 2025.


Informationen zur Strategie und Mission von Bayer aus erster Hand, finden Sie hier


Das Buch „Disrupt your Communication – Neue Business Intelligence für CEOs” mit Beschreibung der Communicative Organization ist in der dfv-Mediengruppe erschienen und hier erhältlich oder im Buchhandel und natürlich mit Leseprobe bei Thalia und Amazon.


Eine gute Darstellung in Form einer Case Study zum Turnaround von Ford Motors hat Harvard Business Review veröffentlicht.


 


 

Nick Lynn

Engagement & EX | Leadership | Culture

6 Monate

Great insights; thank you Ulrike!

Sabine Grosser

Raus aus dem Frust, Resiliente Teamentwicklung, Alexander-Technik Lehrerin🕴️, Seminare am Meer🌊

6 Monate

Klingt leichter als es ist. Spreche ich mit den Mitarbeitenden, so ist DSO zwar gewollt, aber noch weit weg von der gelebten Realität. Und die Vermittlung der Strategie über e-Learning kommt auch bei vielen max bis zum Ohr, aber noch nicht ins Herz. Ich verfolge den Prozess neugierig weiter und unterstütze, wo ich kann. Denn es geht wie immer um „Selbstverantwortung“ und „Chancendenken“ Kernthemen meiner Seminare.

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