Drei Schritte, wie Top-Führungskräfte Millennial-Mitarbeitende motivieren
Regelmäßig frage ich Studierende der Betriebswirtschaft, alle Anfang 20, wer denn Führungskraft werden möchte: Für immer weniger scheint das erstrebenswert.
Es geht hier also um die Führungskräfte von morgen, die Mitarbeiter heute, die Anfang 20 sind und in den späten 80er Jahren des letzten Jahrhunderts oder Anfang der 90er Jahre auf die Welt gekommen sind. Auch wenn es differenziertere Bezeichnungen für die einzelnen Gruppen gibt, bezeichne ich sie hier insgesamt als „Millennials“. Weiterhin verwende ich die grammatikalisch männliche Form der einfacheren Lesbarkeit halber. Gemeint sind immer alle wie Männer und Frauen.
Immer weniger wollen Führungsverantwortung übernehmen
Die Quote derjenigen, die weniger Wert auf eine Karriere legen und deren Ziele ich eher im Bereich „schnell, viel Geld verdienen“ oder „mit 40 aufhören zu arbeiten“ identifizieren kann, liegt meinen Beobachtungen nach deutlich über 60%. Also maximal ein Drittel können sich vorstellen, einmal eine Führungsposition zu übernehmen.
Geld, Ansehen und vielleicht auch Macht sind nach wie vor für Viele attraktiv. Aber im Unterschied zur Vergangenheit ist den Millennials heute mehr denn je bewusst, welchen Preis eine Führungsposition hat.
Die 60, 70 oder mehr Arbeitsstunden pro Woche sind kein Ausweis mehr für besonderen Erfolg, sondern man will auch Leben, die Balance halten und überhaupt, Verantwortung zu tragen, das ist vielen sehr bewusst, kann auch anstrengend sein.
Führung heute hat hier Handlungsbedarf, nicht zuletzt um dem Führungskräftemangel wirksam entgegenzutreten. Was können Führungskräfte wie Inhaber, Geschäftsführer oder Leitende tun? Ich schlage ihnen die drei folgenden Schritte vor: Verstehen der Sozialisierung von Millennials, wahrnehmen der resultierenden Fähigkeiten und Bedürfnisse, sowie das Ableiten einer veränderten eigenen Haltung:
Schritt 1: Millennials verstehen: digitale Sozialisierung
Um die jungen Leute, Millennials, besser zu verstehen, lohnt ein Blick in deren Kinderstuben: Sie sind mehrheitlich in einem völlig anderen Umfeld aufgewachsen als meine Generation oder die Generation der meisten heutigen Führungskräfte: Als „Digital Natives“ waren nicht nur ein Internetanschluss eher Standard, sondern Computer und Smartphones entwuchsen den Kinderbeinen, Kabelfernsehen und digitale Medien wurden normal und damit auch die weiter exponentiell anwachsende Flut an Informationen, denen Heranwachsende ausgesetzt waren (und dies auch weiterhin zunehmend sind).
Zu den wesentlichen Rahmenbedingungen des Aufwachsens zu Beginn der 2000er Jahre gehören:
- Ungebremste digitale Informationen: Wo Eltern heute beginnen Regeln zu vereinbaren, wuchsen die Kinder zu Beginn der Digitalisierung meist wenig reglementiert, d.h. in hoher Dosierung begleitet von den Annehmlichkeiten und den leichten Fluchtmöglichkeiten die PC und Spielekonsole bieten auf. Erst langsam wird klarer, welche auch negativen Auswirkungen der intensive Konsum digitaler Medien und Inhalte gerade auf Heranwachsende und insbesondere auf das heranwachsende Gehirn (sehen Sie dazu einen spannenden und aktuellen Vortrag von Gehirnforscher Manfred Spitzer) haben kann.
- Eltern als Partner der Kinder: Die Lehren und Normen der Kinder- und Jugendpsychologie entwickeln sich rasch, der Wert von Kindheit und Jugend ist noch eine relativ neue Idee der Post-Industrialisierung, die aber seit etwa den 70er Jahren von Eltern immer intensiver gelebt wird. Heute gilt Gott sei Dank ein positives Leitbild der Eltern als Partner der Kinder. Dadurch wirkten immer frühere und mehr Autonomie in Summe z.B. auf das Bindungsverhalten, die Selbstverantwortung oder die Kreativität der damals Heranwachsenden und jetzt der jungen Erwachsenen ein.
Schritt 2: Neue Fähigkeiten und Bedürfnisse der Millennials verstehen
Daraus resultieren andere Bedürfnisse aber auch neue Fähigkeiten von Millennials, ihrer heutigen und zukünftigen Mitarbeiter:
Fähigkeiten
- Die Fähigkeiten liegen im leichten Umgang mit vielen Informationen; gleichzeitig ist das Erreichen von Tiefe eine Herausforderung.
- Der Umgang mit neuen und digitalen Medien ist von Kindesbeinen an geübt, die Fähigkeit den Nutzen zu sehen und umzusetzen sind häufig stark ausgeprägt.
- Durch den leichten Umgang mit vielen Informationen sind Möglichkeiten, die der Arbeitsmarkt bietet „auf dem Schirm“ und werden auch genutzt, dadurch kommt es zu mehr Beweglichkeit der Arbeitnehmer und zu Fluktuation für die Unternehmen.
Bedürfnisse
- Manche haben die Eltern als Führungskräfte erlebt oder lesen Berichte zu „Work-Life Balance“. Sie sehen, wie anstrengend Führen sein kann; der Wille zu Führung ist deutlich weniger ausgeprägt.
- Das Bedürfnis nach autonomen Entscheidungen ist hoch und Millennials haben zunehmend größere Probleme als ältere Generationen mit einem Führungsstil á la „Befehl und Gehorsam“.
- Mehr Möglichkeiten am Arbeitsmarkt steigern auch die Komplexität, was nicht unbedingt zu schnelleren Entscheidungen führt. Das Bedürfnis nach einfachen Botschaften steigt.
- Geringere Loyalität und Bindung gegenüber dem Arbeitgeber.
- Die Gewöhnung des Belohnungssystems an schnelle, oder wenigstens unrealistisch geringe, weil „designte“ Aufwände, um eine Belohnung zu erhalten. Das durch digitale Unterhaltung sozialisierte und geprägte Belohnungssystem ist für viele im richtigen Leben eine Qual: Der Aufwand eine Belohnung zu erreichen ist im realen Leben meist deutlich höher und die Belohnung etwas subtiler. Die Gewöhnung des heranwachsenden Gehirns stellt dann die jungen Erwachsenen vor gewisse Herausforderungen und senkt ihre Frustrationstoleranz.
Die Liste der Fähigkeiten und Bedürfnisse ist sicher nicht vollständig. Dennoch beobachte ich doch die genannten Effekte in auffallend hoher Verbreitung und massiver Wirksamkeit.
Schritt 3: Geänderte Haltung zu Hierarchie und die Wichtigkeit von Autonomie
Die beschriebenen Bedürfnisse haben weitreichende Auswirkungen auf den Führungsalltag, insbesondere für Führungskräfte, die 20 oder 30 Jahre vor den Millennials geboren sind, also die Generation der etwa ab Mitte 40-Jährigen.
In VUKA-Zeiten (VUKA steht für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) steigt der Erfolgsdruck, Veränderungen gibt es häufiger und müssen immer zügiger umgesetzt werden. Gleichzeitig sind Millennials es gewohnt, selbst zu entscheiden und lassen sich viel weniger hereinreden, bzw. erleben das als übergriffig, was früher noch als erwartete Hilfestellung durch Vorgesetzte erlebt wurde.
Millennials sind auf eine Fehlerkultur, die nicht nur von Bestrafung absieht, sondern echte Verantwortung würdigt, angewiesen: Gerade wegen einer geringeren Frustrationstoleranz wird es immer wichtiger, Fehler so unangenehm sie auch momentan sind, als Quelle für Kreativität und Verbesserung zu sehen. Wenn das zu wenig beachtet wird, stört Führung den starken motivatorischen Faktor „Autonomie“:
Was Führungskräfte tun (und besser lassen) können
Führungskräfte müssen sich darauf einstellen: Eine gute und wirksame Kommunikation wird zentral, der Umgang mit Fehlern muss reflektiert stattfinden und mit gut gemeinten Tipps und Ratschlägen sollte Führung sich deutlich zurückhalten. Hintergründe dazu im nächsten Artikel an dieser Stelle, wir untersuchen da unsere drei „Ratschlagmonster“. Führung konzentriert sich so immer mehr auf das Setzen von Rahmenbedingungen, die ihre Mitarbeiter erfolgreich sein lassen. Dabei ist das Setzen von Grenzen mit immer mehr und maximal wirksamer Kommunikation verbunden.
Im Coaching erarbeiten Führungskräfte mit mir, wie sie diese teils widersprüchlichen Ideale (z.B. das Bewahren von Autonomie der Mitarbeiter bei gleichzeitig klar kommunizierten Rahmenbedingungen und manchmal Grenzen) authentisch in ihr eigenes Führungsverhalten integrieren.
Die Fähigkeiten von Millennials sind wertvoll, ich habe viel sehr positive Erfahrungen z.B. mit ihrer Kreativität und schnellen Auffassungsgabe gemacht.
Die Führungskultur in vielen Organisationen wird aber den neuen Rahmenbedingungen und auch den Bedürfnissen von Millennials noch nicht ausreichend gerecht. Unzufriedenheit, geringe Produktivität oder gar Abwanderung gerade der besonders guten Mitarbeiter sind hier häufig die Folge.
Fazit
Millennials müssen anders als „früher“ geführt werden, damit das Team und das Unternehmen erfolgreich ist. Zum Beispiel das Definieren von Rahmenbedingungen und auch von Grenzen darf weniger als „Ansage“, sondern mehr mit Erläuterungen und unter Einbeziehung der Betroffenen erfolgen.
Millennials benötigen ein Maximum an Autonomie und Vertrauen, damit sie wirksam sind und somit Zufriedenheit erzielen können (In einem der folgenden Artikel soll um den Zusammenhang zwischen Produktivität und Zufriedenheit gehen).
Es lohnt sich, sein Führungsverhalten dahingehend zu hinterfragen: Nicht nur die Millennials, sondern die Motivation aller Mitarbeitenden wird davon profitieren!
Viel Erfolg bei ihrer Führungsarbeit wünscht Ihnen
Heinrich Scharp
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Wenn aus Gründen der besseren Lesbarkeit im Artikel zur Bezeichnung von Personen die maskuline Form gewählt wurde, beziehen sich die Angaben selbstverständlich auf alle Geschlechter.
Heinrich Scharp arbeitet als Coach mit Führungskräften dazu, wie sie Stress reduzieren und ihre Wirksamkeit verbessern. Er hält Lehraufträge an der Hochschule Fresenius, ist Maschinenbauingenieur, MBA für Entrepreneurship und zertifizierter Coach (DFC). Er informiert Inhaber, Geschäftsführer und Bereichs- und Abteilungsleitende regelmäßig über wirksame Führung mit praktischen Ideen und Impulsen, jetzt mit "Action Guide Motivation".
Hinterlassen Sie doch Ihre Erfahrungen, wie Sie Ihre mitarbeitenden Millennials motivieren, hier unten in den Kommentaren:
Um Menschen zu begeistern, zeige ich ihnen nicht meine Stärken, ich zeige ihnen ihre Stärken.
4 JahreLieber Herr Scharp, Sie schreiben in Ihrem Beitrag, dass Millennials ein sehr ausgeprägtes Bedürfnis nach Autonomie haben. Das nehme ich in der Zusammenarbeit und auch in der Begleitung von Organisationen auch so wahr. Sie zeigen die Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit. Gleichzeitig nehme ich aber auch wahr, dass Beziehung und Verbundenheit eine ebenso wichtige Rolle spielen. Vielleicht nicht auf dieselbe Art und Weise, wie bei den Generationen davor, doch ganz klar spürbar, zumindest für mich. Auch oder gerade Millennials brauchen Sicherheit und das Gefühl dazu zu gehören – „weil ich so bin, wie ich bin und mich entsprechend verhalte, weil Wertbeiträge letztlich außer Frage stehen, weil jeder wert-voll aus sich heraus ist, …“. Wie sehen Sie das? Liebe Grüße, Markus Pollhamer
Real Estate Enthusiast
4 JahreDanke für diesen interessanten Beitrag. Ich als Millennial, empfinde die hier angesprochenen Punkte als sehr wichtig. Es gibt leider noch zu viele Unternehmen, die den richtigen Umgang mit Millennials nicht beherrschen. Wenn sich ein Unternehmen an Ihren 3 Schritten orientiert, bin ich mir sicher, dass sich die Fluktuation der jungen Mitarbeiter deutlich reduziert.
Helping you with your contracts, Partner at Brödermann Jahn, International Business Law
4 JahreLieber Heinrich, Du schreibst: „Eine gute und wirksame Kommunikation wird zentral, der Umgang mit Fehlern muss reflektiert stattfinden und mit gut gemeinten Tipps und Ratschlägen sollte Führung sich deutlich zurückhalten.“ Tatsächlich mache ich die Erfahrung, dass „die jungen Leute“ sich eher klare Ansagen und Strukturen wünschen, viel mehr Anleitung und ein Vorleben, als ich das früher suchte. Natürlich auch Lob und Freiheit, aber am liebsten scheint es, insbesondere Berufsanfänger zu sein, für alles eine Blaupause zu haben.
Product Owner / Senior Consultant / Agile Projektmanager bei Deutsche Telekom, Telekom IT
4 JahreSehr interessant und auf wichtige Punkte gebracht 💡 Danke 😊