Durch Digitalisierung zu neuen Service Systemen
Quelle: Steinbeis Transfermagazin

Durch Digitalisierung zu neuen Service Systemen

Service war und ist ein bedeutender Wertbeitrag, den Organisationen ihren Kunden anbieten, egal ob Produzenten, Händler oder Dienstleister. Als seinerzeit die Fluglinie LAUDA mit ihrem Slogan „Service is our Success“ wurde ein klar ersichtlicher, zusätzlicher Wertbeitrag zum Transport von A nach B über einen überragenden Service kommuniziert. In fast allen Automobilwerkstätten ist es heute üblich, den Kunden vor Übergabe des Wagens diesen noch kostenlos zu waschen – eine kostenlose Dienstleistung als Service an den Kunden.

Bei industriellen Gütern und deren Vertrieb über den Handel haben sich über die Jahre die verschiedensten Servicesysteme etabliert. Zur Wartung und Reparatur wurden eigene Serviceorganisationen ins Leben gerufen, im Versandhandel ist der für den Kunden kostenlose Rücksendeservice (Treiber waren hier sicherlich Unternehmen wie Zalando und Amazon) fast schon obligatorisch.

Nichts desto trotz war und ist Service ein Wert, der im klassischen Sinn der Wertschöpfungskette hinzugefügt wird. Wir sprechen hier also von einer Güter-dominierten Logik des wirtschaftlichen Handelns und der darauf ausgerichteten Prozesse.

Digitalisierungsstrategien ermöglichen heute eine wirtschaftliche Darstellung tief-greifender Serviceprozesse. Smarte (intelligente) Produkte liefern Daten, die gesammelt und aggregiert über verschiedenste Plattformen neue Dienstleistungen und Serviceimplikationen ermöglichen und dem Kunden einen spezifischen Nutzen bringen. Neue Geschäftsfelder entstehen durch solche Serviceorganisationen und erhöhen somit den Kundenwertbeitrag. Durch permanente Interaktion mit dem Kunden schaffen solche Servicedienstleistungen eine langfristige Kundenbindung.

Eine völlig neue Sicht auf den Begriff der Dienstleistung „Services“ haben Vargo und Lusch (2004, 2008) mit dem Aufruf der Service Dominant Logic (SDL) aufgerufen.

Die der Service Dominant Logik zu Grunde liegende Idee ist, dass der Fokus von Unternehmen nicht mehr die Produktion und der Verkauf von Gütern als solches ist, sondern die Dienstleistung die fundamentale Basis aller Wertschöpfungsprozesse darstellt. Wissen und Fähigkeiten (Ressourcen) sind die Basis zwischen den Marktpartnern und folglich handelt es sich um einen Austausch zwischen Dienstleistung (Fähigkeit und Ressourcen) zur Verfügung zu stellen und Dienst-leistung (Fähigkeit Produkte zu nutzen). Güter sind somit nur mehr als Distributions-mechanismen zur Bereitstellung von Dienstleistung zu verstehen. Unternehmen bieten in diesem Denkmodell mit ihren Dienstleistungen ein bestimmtes Leistungs-versprechen. Dieses Leistungsversprechen ist aus Kundensicht ein Wertversprechen. Erst im Konsum der Dienstleistung kann der Kunde den Wert realisieren und ist somit immer an der Kreation des Wertes beteiligt.


Die Service Dominant Logik hat vor allem für Digitalisierungsinitiativen einen hohen Stellenwert. Beispielsweise stellen Social Media Anbieter  nach dieser Logik also kein Produkt zur Verfügung sondern ein Leistungsversprechen (die Kommunikation mit sozialen Kontakten zu ermöglichen). Andererseits generiert der Kunde das Wert-versprechen durch Nutzung einer Social Media Plattform selbst. So entstehen Dienst-leistungssysteme (Servicesysteme), in denen Nutzwert gemeinsam mit den Kunden generiert wird. Dienstleistungen sind daher Aktivitäten oder Folge von Aktivitäten, in der Regel immaterieller Natur, in welcher Unternehmen und Kunde gemeinsam Dienstleistungen produzieren. Das so entwickelte Dienstleistungssystem besteht also aus dem Dienstleistungsnehmer und dem Potential des bereitstellenden Dienst-leisteranbietersystems. Der Dienstleistungsnehmer fungiert als Koproduzent und erst das Ergebnis des gemeinsamen Interaktionsprozesses generiert einen marktfähigen Nutzen. Facebook, Twitter und Youtube wären ohne die Interaktion ihrer Nutzer nur leere Hüllen ohne jedweden Nutzen. Nutzen wird erst durch die Kreation von Inhalten durch andere Nutzer erzeugt.

Doch nicht nur Unternehmen aus der New Economy und der Digitalwirtschaft legen ihren Fokus auf die Service Dominant Logic. Der Automobilhersteller Daimler hat gemeinsam mit dem Mietwagenanbieter Europcar car2go gegründet. Aus klassischer, güterdominierten Logik ist das Auto ein Gut, das ein Kunde kauft. Das Auto ist somit das fertige Produkt und der Kunde ist der Abnehmer des Gutes. Die gesamte Wertschöpfung hat in der Produktion stattgefunden. Der Bereich Service ist als nach-geordneter, zusätzlicher Prozess ausgestaltet.

Aus Sicht der Service Dominant Logik ist ein Automobil ein Gut, das dem Kunden die Dienstleistung der Mobilität ermöglicht. Der eigentliche Nutzen des Kunden besteht also in der Mobilität, die dem Kunden durch den Verkauf versprochen wird.

Durch die Digitalisierung ergeben sich jedoch heute völlig neue Möglichkeiten durch Dienstleistungssystem Dienstleistungen anzubieten. In einer solchen Digitalisierungs-initiative wurde also car2go gegründet. Mit Hilfe einer intelligenten digitalen Plattform wird den Kunden auf diese Weise den Nutzen der Mobilität zu konsumieren, ohne dafür ein Automobil zu kaufen. Der Kunde kann jederzeit über eine car2go-App ein sich in der Nähe befindliches Auto suchen, buchen und nutzen. Auch hier wird Nutzen der Plattform erst durch Interaktion mit dem Kunden generiert. Für solche Innovationen und durch die Digitalisierung ermöglichten Dienstleistungen ergeben sich neue Geschäftsmodelle, wie sie bisher noch nicht vorgekommen sind.

In Industrie 4.0 Initiativen (horizontale Integration) sehen wir heute das Bemühen von Herstellern, neue Servicesysteme zu schaffen. Im Versicherungswesen, beispielsweise bieten die lange den traditionellen Geschäftsmodell anhängigen Gesellschaften neue Servicesysteme zur Kommunikation mit ihren Kunden. Der Zugriff auf Polizzen wird ebenso zur Verfügung gestellt wie Online-Schadensmeldungen. TomTom und Bosch bieten ihren Kunden ein Flottenmanagement Tools, die Automobilhersteller wiederum bieten verstärkte Integration verschiedener Systeme in ihren Fahrzeugen an.

Viele Unternehmen sind sich aber nicht bewusst, dass sie schon Servicesysteme haben. Hier gilt es diese zu identifizieren um entsprechende neue Dienstleistungen draus zu entwickeln. Digitale Dienstleistungssysteme bieten ein hohes Potential, sich von Mitbewerbern zu differenzieren und neue Geschäftsfelder bis hin zu Geschäfts-modellinnovationen zu erschließen.

Unternehmen stehen in der eigenen Organisation jedoch oft nicht alle (Human) Ressourcen zur Verfügung, um eigene, neue Servicesysteme zu entwickeln und anzubieten. Gerade produzierende Unternehmen können heute sowohl in der Produktion (durch Industrie 4.0-Themen) wie auch aus den von ihnen hergestellten Smart Products riesige Datenmengen gewinnen. Diese Rohdaten als solches generieren aber noch keinen Nutzen. Erst durch sinnvolle Analysen (Analytics) können Werte durch Verstehen der erzeugten Daten generiert werden.

Die systematische Betrachtung von generierten Daten und die Entwicklung neuer Servicesysteme ist Aufgabe des Managements mit Unterstützung der Innovationsmanager im Unternehmen.

Bestehen wenig hausinterne Ressourcen zur Etablierung eines eigenen Servicesystems können Partnerschaften mit Unternehmen gesucht werden, für die die Rohdaten von Systemen und Produkten von Wert sind bzw. die Werte aus diesen Daten generieren können. Gemeinsam mit Partnern können so neue Ökosysteme geschaffen werden, die den Kunden einen Nutzen bringen.


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