Eine kleine Geschichte zum Taylorismus.
Eine Buchvorstellung der anderen Art - Keine Autor, kein Titel zu beginn. Ich denke die aufmerksamen Leserinnen und Leser werden es schnell heraus finden.
Wir reisen in eine Zeit in der Fabriken noch rauchende Backsteinschlote hatten. Wir reisen in die Zeit der aufstrebenden Großindustrie. In eine Zeit, in der die Nachfrage nach sachkundigen Menschen für die industriellen Betriebe, mehr denn je das Angebot überstieg.
Heute würde man dazu akuter #Fachkräftemangel sagen.
Es war eine Zeit, in der die Unternehmensleitung und die Ingenieure ihren Blick auf die Perfektionierung der Maschinen hatten. Der Fokus lag auf der Übertragung ihrer Intelligenz auf die Maschinen und nicht auf die Arbeiter. Wie dann die Maschinen in der Maschinenhalle bedient wurden, überließ man vollständig den Überlegungen der Arbeitern. Dieses Vorgehen nannte man das Faustregel-System.
Diese fehlende Übertagung der Intelligenz auf die Arbeiter erkannte ein Mann sehr früh und widmete dieser Beobachtung über 30 Jahre seines Lebens, bis er dieses Buch schrieb. Seine Idee, war die perfekte Anpassung von Menschen an die Maschine. Maschinen die von einzelnen erfunden wurden und von ungelernten Arbeitern bedient werden mussten.
Der Maschinen-Kult und sein berühmtester Dirigent.
Es ging ihm um die möglichst, ich zitiere: "… haushälterischen Verwertung der menschlichen Kraft." Einer für damalige Zeit sehr humaner Zugang.
Denn die Fabrikarbeiter wurden von ihren Vorgesetzten hauptsächlich angetrieben. Und diese Arbeiter kamen ohne Ausbildung mit den Maschinen in Kontakt. Nach dem Motto des Faustregel-Systems: Trial and Error; so wie sie es am besten hinbekommen; ungelernte Arbeiter zeigen ungelernten Arbeitern wie es funktionieren kann. Und dabei ging einiges schief. Zum einem wurden die Menschen körperlich stark verschließen, oder es kam zu schlimmen Arbeitsunfällen. Und zum anderem konnten die Maschinen nie im Sinne ihrer Erfinder, ihr vollständiges Potential entfalten.
Der Autor hatte einen Code gefunden. Den Code Mensch und Maschine in Einklang zu bringen. Den Code, die Maximalleistung aus Mensch und Maschine rauszuholen, ohne dabei die Arbeiterschaft vollständig auszunutzen, sie zur Erschöpfung zu bringen.
Er erkannte wieviel Verschwendung im Umgang mit Maschinen steckt.
Dazu der Autor: "Die Verschwendung materieller Dinge können wir sehen und fühlen; menschliche Handlungen, die nicht die beabsichtigte Wirkung haben, oder bei denen der Erfolg nicht im richtigen Verhältnis zur aufgewendeten Arbeit steht, hinterlassen sonderbarerweise keine sichtbaren oder greifbaren Spuren."
Angetrieben von dieser Beobachtung entwickelte er eine Lösung, die wie er sagte: "…den rechten Mann am rechten Platz herstellt. Vom Generaldirektor bis zum Dienstboten." Denn die damalige vorherrschende Auffassung von exzellenten Personen in Industriebetrieben war eine andere.
"Die Großen der Industrie werden geboren nicht erzogen."
Dem stellte der Autor folgendes gegenüber: "In Zukunft wird man verstehen lernen, dass sowohl richtige Schulungen als auch die körperliche Eignungen und ein systematisches Zusammenarbeiten, zur besten Nutzung aller Kräfte führen."
Er fasst es so zusammen:
"Bisher stand die Persönlichkeit an erster Stelle, in Zukunft wird die Organisation und das System an erster Stelle treten."
Eigentlich entstand dieses Buch aus einer Abhandlung eines Vortrags, welcher vor der American-Society-of-Mechanical-Engineers gehalten wurde.
Der Zweck diese Abhandlung war:
Der Autor sah als größtes Übel "Das-Sich-um-die-Arbeit-drücken." Dies galt es zu beseitigen, damit man die Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber neu gestalten kann. Aber was meinte er damit, wie sah er dieses Übel, was waren seine Schlussfolgerungen?
Es gab zu jener Zeit eine weit verbreitete stillschweigende oder offene Übereinkunft der Arbeiter, absichtlich so langsam zu arbeiten, dass ja nicht eine wirkliche ehrliche Tagesleistung zustande kommt. Die Amerikaner nannten es "soldiering", die Engländer "hanging it out". Wenn dann trotzdem ein Arbeiter versuchte seine größtmögliche Arbeitsleistung zu erzielen, wurde er von den Kollegen bestraft, weil er sich quasi unsolidarisch verhalten hat.
Dazu eine kleine Anekdote von Frithjof Bergmann, dem Begründer der #NewWork Bewegung.
Bergmann sah 1953 im Kino den Film "Die Faust im Nacken". Darin spielte Marlon Brando einen Hafenarbeiter. Daraufhin beschloss er selbst Hafenarbeiter zu werden. Da er auch als Boxer sein Geld verdiente, war er sehr flink auf den Beinen. Aber er war nicht besonders kräftig gebaut. Also so, wie man sich einen Hafenarbeiter vorstellt. Er war damals 23 Jahre alt und hat sich sehr angestrengt, es den Hafenarbeitern gleich zu tun. Er konnte es nicht mit der Kraft, somit kompensierte es mit seiner Geschwindigkeit. Eines Tages hat man ihn zur Seite geholt und in die amerikanische #Gewerkschaft eingeführt. Folgendes hat er, laut seinen Erinnerungen, zu hören bekommen: "So läuft das bei uns nicht. Wir haben gekämpft, um langsam arbeiten zu können. Du arbeitest schnell, um zu beweisen dass du es kannst." Das hat Bergmann beeindruckt, damit hat er nicht gerechnet.
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Kommen wir zurück zu unserer Geschichte.
Der Autor hatte für die Situation des langsamen Arbeitens drei Gründe gefunden.
Der Autor hatte auch ein Menschenbild, das dem Typ X der Theorie X/Y von Arthur McGregor sehr nahe kommt.
Er nannte es das systematische Sich-drücken-von der-Arbeit.
Dazu schrieb er folgendes: "Den angeborenen Instinkt und der Neigung der Menschen, nicht mehr zu arbeitet als unumgänglich nötig. Die angeborene Bequemlichkeit der Menschen ist zwar ein bedauerliches Moment, den größten Schaden jedoch erleiden Arbeiter und Arbeitgeber durch das systematische Sich-drücken-von der-Arbeit."
Er erkannte auch den Typ Y, doch dieser waren für ihn die Ausnahme. Folgende Zeilen dazu aus seinem Buch: "Es gibt natürlich auch Menschen von ungewöhnlicher Energie und großem Ehrgeiz, die ganz von selbst überall das schnellste Tempo nehmen und die angestrengt und hart arbeiten. Aber diese bilden eine Ausnahme und heben nur die Tendenz der anderen umso stärker hervor."
Anmerkung: Arthur McGregor wiederholt mehrmals in seinen Schriften, dass die Annahmen der Theorie X über die menschliche Natur geradeaus falsch sind.
”Theory Xers do not exist. (…) Theory X is just an ugly prejudice about other people at work.” McGregor 1960
Ich denke, die Beobachtungen des Autors und das davon abgeleitete #Menschenbild, darf man nicht moralisch sehen. Die Art der Arbeit wie er sie kannte, hatte schon über 100 Jahre industrielle Revolution in den Knochen. Arbeit die er beobachtete war halt nicht artgerecht. Auch hatte er noch nicht die Möglichkeit auf die Soziologische #Systemtheorie zurück zu greifen, da diese erst 40 Jahre später erstmals beschrieben wurde.
Das Sich-drücken-von der-Arbeit war ein gut aus gebildetes Subsystem, dem sich kein Arbeiter entziehen konnte. Dazu schreibt er: "Der weitaus größere Teil von systematischer Drückebergerei geschieht jedoch mit dem festgefassten Vorsatz, die Arbeitgeber in Unwissenheit darüber zu erhalten, wie schnell Arbeit tatsächlich getan werden kann." Das war auch das, was Bergmann 40 Jahre später noch zu spüren bekam. Es galt das Credo ja keinen Rekord im Stücklohnsystem aufzustellen. Auch wenn der Arbeitgeber einzelne Personen, vor allem die Neuen, mit einer Verdiensterhöhung versuchte zu überreden. Die Arbeiter hatten Angst für den gleichen Lohn noch mehr und anstrengender zu arbeiten.
Der Autor hatte 30 Jahre in pre-tayloristischen Manufakturen gearbeitet, beobachtet und hat eine Lösung für diese Probleme beschrieben.
Sein Hebel war das Ersetzen des Faustregel-Systems durch ein von ihm neu geschaffenes wissenschaftliches System.
Er schreibt dazu: "Unter den verschiedenen Methoden und unzähligen Werkzeugen, die für eine einzelne, elementare Operation in einem Gewerbebetrieb in Gebrauch sind, gibt es immer nur eine Methode und ein Werkzeug, die schneller und besser sind als alle anderen. Und diese beste Methode und das beste Werkzeug kann nur durch ein systematisches Studium und durch Prüfung aller Methoden und Werkzeuge, die aktuell im Gebrauch sind, gefunden werden. Und das wird vereint mit einem gründlichen, eingehenden Bewegungs- und Zeitenstudium."
Das war der Weg zur Ersetzung des Faustregel-Systems durch das System-Taylor, den Grundsätzen wissenschaftlicher Betriebsführung.
The Principles of Sientific Management.
Und das betraf alle Personen in den Betrieben vom Betriebsleiter bis zum Hilfsarbeiter. Er perfektionierte das Arbeiten im Takt der Maschinen. Frederick Winslow Taylor, der Namensgeber des #Taylorismus, war überzeugt, dass seine Prinzipien alle erfassen wird und es gut für die Menschheit ist.
In diesem Buch steckt (fast) unsere ganze Lohnarbeitswelt drinnen.
Das Basis-Betriebssystem der nordamerikanischen und europäischen Wirtschaft. Ein aufschlussreiches Buch von einem, aus damaliger Sicht, Menschen und Maschinen Freund.
verwendete Literatur:
Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung von Frederick W. Taylor (Autor), R. Roesler (Autor) - Salzwasser Verlag 2011 - ISBN-13: 978-3861957133
McGregor, Douglas, and Joel Cutcher-Gershenfeld. 2006. The Human Side of Enterprise. Annotated ed. New York: McGraw-Hill.