Ernstgemeinte Glosse!
Jeder kennt das in seinem Umfeld: Spätestens nach der dritten Doppelnennung schalten viele das Radio aus, Kunden kündigen Kundenkonten und Lehrer verwenden lieber ihre eigene Materialien und keine Lehrbücher mehr von Verlagshäusern, die Lektüre eines neu aufgelegten Romans wird nach zehn Seiten abgebrochen, … diese Aufzählung ließe sich endlos fortsetzen.
Man kann es in einem Satz zusammenfassen: Doppelnennungen nerven!
Doppelnennungen nerven, weil bereits Gesagtes unnötigerweise vom Sprecher noch einmal ungefragt wiederholt wird. Eine Doppelnennung sollte von daher stets motiviert sein, sonst wirkt sie anstößig oder übergriffig.
(Die Konkretisierung des Geschlechts durch das Anhängen eines Suffixes nennt man in der Linguistik übrigens "Movierung".)
Wann ist eine Movierung motiviert?
Die wohl am meisten verbreitete Form der Movierung ist der sogenannte "Honorativ", der sich von Lateinisch honoratus „geehrt“ ableitet. Durch seine Verwendung möchte man dem weiblichen Geschlecht eine besondere Ehre erweisen.
Möchte man dem männlichen Geschlecht eine solche Ehre zuteilkommen lassen, so müsste man auf eine entsprechende Movierungsform zurückgreifen - z.B. -rich wie in "Gänserich". Das ist allerdings äußerst unüblich, wurde aber immerhin neulich mal in einem Stadtrat einer Kommune in Rheinland-Pfalz gefordert, was zeigt, dass auch einige Männer gerne eine Extrawurst hätten.
Ansonsten kann ich über die Gründe nur spekulieren, warum es den meisten Männern nicht so wichtig ist, dass ihnen eine gesonderte Ehre erwiesen wird.
Wie viele Movierungen verträgt ein Text?
Die Antwort: i.d.R. nur eine, und diese in der direkten Ansprache, und das vor allem auch nur deswegen, weil es historisch so gewachsen ist.
Verwendet man die Movierung mehrfach in einem Fließtext, so spielt sich auf der Rezeptionsebene allerdings folgendes ab:
Beispiel: "Unsere Lehrer und Lehrerinnen kommen aus 17 verschiedenen Ländern."
Aufgeschlüsselt heißt das: Unsere Menschen, die lehren und unsere Frauen, die lehren, kommen aus 17 verschiedenen Ländern.
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Würde man schreiben "Unsere Lehrer und Lehreriche …" würde man den Spieß einfach nur umdrehen. Semantisch aufgeschlüsselt: Unsere Menschen, die lehren und unsere Männer, die lehren, …
Am besten fährt man i.d.R. mit der generischen Allgemeinform: Unsere Lehrer … aufgeschlüsselt: unsere Menschen, die lehren, … . Diese Form ist allgemein verständlich und regt außerhalb einschlägiger kleiner gesellschaftlicher Blasen niemanden auf.
Wenn Ihnen guter respektvoller Stil am Herzen liegt, befreien Sie die Sprache von Informationsballast und vermeiden Sie nach Möglichkeit:
Rollenbezeichnungen wie etwa Bürger, Straftäter oder Steuerzahler bedürfen keiner zusätzlichen semantischen Aufladung, denn sie bezeichnen lediglich die Rolle einer Personengruppe unabhängig vom Geschlecht. Eine geschlechtliche Betonung wäre hier unnötiger Informationsballast für den Rezipienten.
"Lehrer" ist eine Berufsbezeichnung, "Lehrerin" hingegen nicht! Es handelt sich auch nur um einen Beruf, nicht um zwei. Es gibt weibliche Personen, die diesen Beruf ausüben und diese Personen kann man durchaus als „Lehrerinnen“ bezeichnen, das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass eine Lehrerin ebenso wie ihr männlicher Kollege den Beruf des „Lehrers“ ausübt.
Conclusio: Immer wenn Sie nur vom Beruf an sich reden, verwenden Sie die generische Allgemeinform "Lehrer". Wenn Sie hingegen betonen möchten, dass dieser Beruf in einer gegebenen Situation gerade von einer Frau ausgeübt wird, dann ist die Movierung mit dem Suffix "-in" durchaus angebracht.
Da das für das männliche Geschlecht verwendbare Suffix "-rich" (Gänserich) äußerst unüblich bzw. selten ist, kann man bei der Betonung des männlichen Geschlechts auch auf ein Adjektiv-Attribut ausweichen: "Der Anteil der männlichen Sprachlehrer liegt bei unter 20 Prozent."
Gute Kommunikation zeichnet sich aus durch Authentizität und guten Stil - alles andere wirkt gekünstelt.
Bleiben Sie erhaben!
Stellvertretende Geschäftsführerin bei BASHO-AN GmbH & Co.KG
3 MonateAls DaF- Trainerin kann ich nur sagen: Geschlechterspezifische Berufsbezeichnungen sind ein Dorn im Auge der Lernenden. 🤯 Es ist mir sowieso ein Rätsel, warum unser Intimbereich eine Rolle bei der Berufsbezeichnung spielen sollen 🤷♀️ Und doch klingt es verwirrend, wenn ich das „in“ bei Trainerin weglassen würde 🤭
Gymnasiallehrer (Deutsch, Politik, Wirtschaft) am Albeck-Gymnasium Sulz
3 MonateIn der Tendenz haben Sie Recht damit, dass den Großteil der Menschen das Gegendere und die Doppelnennung à la "Bürgrimmmbürga" nervt, klar. Genau deshalb entwickeln Sprachen ja Generika. Aber Ihre Ausführungen sind in bestimmten Punkten falsch, denn die generische Lesart verschwindet bei Doppelnennung. Ab da wird's spezifisch. Das ist ja das Doofe, nicht wahr. Der Lehrer in "Ich möchte Lehrer werden" ist generisch, der in "Sehr geehrte Lehrerinnen und Lehrer " halt nicht. Das bietet ja das Konfliktpotential. Jedenfalls danke für den Impuls.
Schriftsteller
4 MonateSehr gute Erläuterung!