Spielermaterial
Eine Jury aus sechs Sprachwissenschaftlern hatte im Jahr 2000 das Wort "Menschenmaterial" als Unwort des 20. Jahrhunderts gewählt, da dieses aus ihrer Sicht für eine Tendenz stehe, "Menschen nur noch nach ihrem "Materialwert" einzuschätzen" (Quelle: zdf.de)
Der Begriff "Spielermaterial" war der Stein des Anstoßes, den zwei TV-Experten letzte Woche benutzt haben. Hier sehen wir wieder, wie sensibel der Umgang mit Sprache doch ist und wie unterschiedlich hier die Wahrnehmung sein kann. Dies zeigt sich beim "Gendern" ebenso, wie bei der Definition, ob ein behinderter Mensch, nicht eher als "eingeschränkt" oder gar "besonders" zu bezeichnen ist. Das Zigeunerschnitzel kommt wieder zu ungeahnten Ehren und die Auseinandersetzung darüber, wie man Menschen mit anderer Hautfarbe bezeichnet. Der Mainzer Musiker Thomas Neger erzählte mir neulich (mit Augenzwinkern), dass er seinen Namen behalten wird.
Sprache ist nicht nur ein kraftvolles Werkzeug, das Poesie und Magie beinhaltet – sie hat auch die Macht, Menschen zu diskriminieren und auszugrenzen. Eine inklusive Sprache hingegen hilft vor allem Kindern, diese Welt und deren Beteiligte anders wahrzunehmen. Wie soll sich ein junges Mädchen für den Bäckerberuf begeistern, wenn dort alles im generischen Maskulinum beschrieben wird. Stereotype Rollenbilder und unbewusste Vorurteile werden oftmals durch unsere Sprache hervorgerufen. Neue Bilder in den Köpfen, neue Rollenbilder und Vertrauen müssen eben auch durch eine entsprechende Sprache unterstützt werden.
Unternehmen leben von Kommunikation
Und da eine der Hauptaufgaben von Unternehmern die Kommunikation ist, müssen sich Unternehmen heute intensiv und ernsthaft mit ihrem Sprachstil beschäftigen. Besonders in der Rekrutierung von Menschen werden hier die ersten Signale von Wertschätzung und Offenheit gesendet. Durch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sprachstil entstehen andere Perspektiven und neue Blickwinkel, die dabei helfen, das Unternehmen weiterzuentwickeln. Dies Vielfalt von Menschen unterschiedlicher Herkunft, des Alters und der Persönlichkeit muss künftig auch sprachlich abgebildet werden, um genau diese Vielfalt auch anzuziehen. Zurück zum "Spielermaterial": Ich persönlich würde mich als Spieler nicht diskriminiert fühlen, kann aber nachvollziehen, wenn es andere tun. Spielerpotenzial hört sich besser an, trifft aber nicht genau das, was wohl gemeint war. Der Begriff „Human Ressource“ kann da ähnlich kritisch gesehen werden, bei Humankapital scheiden sich auch die Geister. Moderne Personalverantwortliche aber sehen ihre Berufung nicht mehr darin, Humanressourcen zu „steuern“. Sie wollen mit ihren Kolleginnen und Kollegen arbeiten. Daher sprechen sie eher von People- oder Culture-Management. Interessant – oder?
Anfangen ist wichtiger als Perfektionismus
Dabei kommt es aber nicht darauf an, immer alles perfekt machen zu wollen, sondern immer zu bedenken, dass Sprache eben ein mächtiges Instrument ist. Und Menschen diskriminieren, aber auch motivieren kann. Es ist ein Unterschied, ob wir von Rebellen oder Freiheitskämpfern sprechen und schreiben. Ein "Umwelt-Aktivist" wird anders empfunden als ein "Klima-Kleber" oder eine "Umweltschützerin". Das Ziel muss eine inklusive Kommunikation, sein welche die Gesellschaft als Ganzes repräsentiert, Minderheiten Sichtbarkeit verleiht und dafür sorgt, Stereotypen abzubauen.
Wenn sich die Gesellschaft wandelt, muss sich auch Sprache wandeln
Nicht die regelmäßig stattfindende Rechtschreibereform ist entscheidend, sondern der stetige Wandel und die Anpassung der Sprache in Bezug auf unsere Gesellschaft. Entscheidend ist nicht, ob wir uns erinnern (was ja bekanntlich nicht geht) oder ob wir erinnern. Sprachliche Feinheiten, die sich an der korrekten Grammatik orientieren, sind bestimmt nicht falsch. Verändern aber auch nicht die Welt. Kann die sprachliche Anpassung nicht mit der gesellschaftlichen Entwicklung mithalten, gibt es meist Konflikte, da dann die sprachliche Welt nicht mehr zur erlebten Realität passt. Und dafür ist die die "Deutsche Gesellschaft für Sprache" verantwortlich, sondern jede(r) Einzelne von uns. Und vor allem das Management von Unternehmen. Wie sprechen und schreiben wir interne und extern? Eine zentrale Frage, die heuet noch viel zu kurz kommt.
Der Umgang mit Sprache sollte fester Bestandteil in Meetings für den beruflichen Kontext werden und nicht nur in Elternratgebern vorkommen. Wobei gerade Kinder und junge Menschen, die mit einer gewissen Sensibilität für Sprache ausgestattet sind, sich anders entwickeln.
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Interessant fand ich zum Beispiel bei Begriffen, die die Hautfarbe von Menschen benennen, folgendes Zitat aus "Sprachmächtig – Glossar gegen Rassismus von bla·sh8":
«Interessanterweise wird das vermeintlich „andere" oft benannt, während das vermeintlich „normale" unbenannt bleibt. So sprechen Menschen z.B. von einer Gruppe von Menschen und den zwei „Dunkelhäutigen" in der Gruppe, ohne dabei die anderen Gruppenmitglieder zu benennen. So wird immer wieder die unbenannte und unsichtbare Norm vorausgesetzt und die „Abweichung" benannt. Dies führt eine hierarchische Schieflage.»
Ich wünsche dir einen guten Start in die Woche:
Markus Euler
Geschäftsführender Gesellschafter bei communicall GmbH
6 MonateSprache ist ein machtvolles Instrument, das kann man jeden Tag erleben. In den Medien, in der Politik, im privaten Leben und natürlich im Beruf. Und gerade im Call Center, also bei uns, gewinnt Sprache nochmal mehr an Bedeutung. Sehr schöner Post von dir.