Führungsaufgabe Selbstorganisation
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Führungsaufgabe Selbstorganisation

Fünf Handlungsempfehlungen, um Selbstverantwortung und Selbstorganisation in Teams zu stärken

Mit steigender Komplexität wird Unternehmen heute ein Höchstmaß an Agilität, Flexibilität und Kreativität abverlangt. Zu Beginn eines Projektes steht häufig ein wesentlicher Teil der Anforderungen sowie das exakte Ziel noch gar nicht fest. Um diesem Umfeld standzuhalten, braucht es exzellent kooperierende und selbstverantwortliche Teams, die Prozesse und Teilaufgaben auch über Bereichs- und fachliche Grenzen hinweg gemeinsam erarbeiten. Arbeit wird so gestaltet, wie sie von den Mitarbeitern, die die Arbeit tun, als bestmöglich beurteilt wird. Der alte Königsweg der arbeitsteiligen Organisation, bei dem sich das Management einmal ausgedacht hat, wie sich die beste Verteilung von Arbeit anhand von individuellen Zielvereinbarungen und klassischen Jobdescriptions darstellt, funktioniert einfach nicht mehr.

Wie schaffen Sie es jetzt als Führungskraft ein solches selbstverantwortliches Spitzenteam zu entwickeln? Reinhard Sprenger definiert Selbstverantwortung als „Die Einstellung des Selbst, die Verantwortung nicht als Last, sondern als Lust zu erleben“. Ist also Selbstverantwortung so wie Motivation nicht zu verordnen? Wie sollen dann selbstorganisierte und selbstverantwortliche Teams entstehen? Und wozu braucht es dann noch Führungskräfte? Mit den nachfolgenden fünf Empfehlungen kommen Sie diesem Ziel sicher näher:

Geben Sie die Rahmenbedingungen vor und vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern

Die gute Nachricht vorweg: Führung wird gebraucht - mehr denn je - allerdings muss sie muss neu gedacht werden. Schaffen Sie ein fruchtbares Umfeld und die passenden Rahmenbedingungen, um Mitarbeitern Selbstverantwortung und Selbstorganisation zu ermöglichen. Geben Sie die Illusion der Kontrolle auf, weil dadurch die Gefahr besteht, dass zu sehr auf die Erwartungen der Chefs geachtet und neue Ideen und Lösungsansätze erst gar nicht geäußert werden.Schauen Sie auf Stärken und Motive Ihrer Mitarbeiter, denn Selbstverantwortung lässt sich stärken, indem Mitarbeiter Verantwortungsbereiche erhalten, die ihrer intrinsischen Motivation entsprechen. Befähigen Sie Ihre Mitarbeiter, so dass sie Verantwortung übernehmen können und lassen Sie auch von der weiteren Illusion los, dass jeder Mitarbeiter Verantwortung übernehmen will. 

Delegieren Sie Verantwortungsbereiche, Projekte, einzelne Koordinations- und Kontrollaufgaben und an weniger erfahrene Mitarbeiter auch Aufgaben. Sie können diese auch rotieren lassen. Ähnlich wird dies bei Scrum oder auch beim Rundfunk oder Fernsehen mit dem „Chef vom Dienst“ (CvD) durchgeführt. Sehen Sie Führung als Rolle, die übernommen wird, wenn es erforderlich ist. Nehmen Sie nicht die Rolle des Entscheiders ein, sondern befähigen Sie Ihr Team, selbst Entscheidungen zu treffen. Sehen Sie Führung als dienende oder gastgebende Rolle.

Erarbeiten Sie mit Ihrem Team einen Sinn und Zweck (Purpose)

Teams und deren Mitglieder entwickeln Fokus, Energie und Einsatzbereitschaft, wenn Klarheit darüber besteht, wie ihre Ergebnisse die übergeordneten Ziele des Unternehmens unterstützen und wie ihre Zugehörigkeit definiert ist: Wer sind wir? Wofür sind wir zuständig? Wodurch fühlen wir uns als Mitglieder dieser neuen sozialen Einheit? Im Prozess der Teamfindung sollten Sie diese Fragen mit dem Team klären. Diese allgemeine Sinn- und Zweckbestimmung des Teams muss keine konkreten Leistungsziele enthalten, die Ziele und Projekte des Teams sollten jedoch mit diesem „Purpose“ übereinstimmen. Sehr hilfreich und einprägsam sind nicht zu umfangreiche und aussagekräftige Zweckerklärungen.

Dies hilft Teams, Fokus herzustellen und ihren Beitrag zum Gesamtergebnis zu verstehen sowie mit größerer Motivation durch Sinn mitzuwirken.

Souverän scheitern – fördern Sie eine konstruktive Fehlerkultur

In unserer Kultur neigen wir dazu, Fehler als etwas Negatives zu sehen. So manch einer verbindet mit der Einführung einer Fehlerkultur den Auftakt eines Qualitätsdesasters. Chefs der alten Schule haben die Besorgnis, dass, wenn man den Leuten alles durchgehen lässt, diese sich nicht mehr anstrengen. Dem liegt ein negatives Menschenbild zugrunde. Die Motivationspsychologie lehrt hingegen, dass eine Bestrafung von Fehlern das Verhalten massiv verändern kann. Menschen, die ursprünglich vom „Streben nach Erfolg“ motiviert waren, richten ihre Energie dann ängstlich auf das Vermeiden von Fehlern. Sobald eine Aufgabe mit Risiken behaftet ist, verhalten sich Misserfolgsvermeider defensiv und versuchen auf gar keinen Fall einen Fehler zu machen. Sie verhalten sich demzufolge passiv und machen kaum einen Versuch mehr, die Aufgabe zu lösen.

Unterstützen Sie also den positiven Umgang mit Fehlern. In der agilen Teamarbeit wird beispielsweise mit dem „Blameless Post Mortems“ Prinzip gearbeitet. In einer Retrospektive wird überlegt, was das Team beim nächsten Mal besser machen kann, damit der Fehler nicht mehr auftritt. Die Schuldfrage wird nicht gestellt. Dieses Vorgehen fördert einen offenen Umgang mit Fehlern und verhindert die Entwicklung von Absicherungskulturen. 

Schaffen Sie ein lernendes Umfeld

Also haben Fehler etwas Gutes, auch wenn das ein wenig dubios klingt. Man kann, wie zuvor beschrieben, aus Ihnen lernen. In lernenden Organisationen herrscht diese Haltung vor und Lernen wird als beständiger Veränderungs- und Verbesserungsprozess gesehen. Ein lernendes Umfeld entsteht aber nicht von heute auf morgen. Henry Ford formulierte einmal den Satz: „Ob du denkst, Du kannst es, oder Du kannst es nicht: Du wirst auf jeden Fall recht behalten.“ Es hängt also in einem lernenden Umfeld davon ab, mit welchem Mindset oder Selbstbild wir an die Dinge herangehen. Das statische Selbstbild orientiert sich im Außen. Es geht davon aus, dass Fähigkeiten, Eigenschaften und Intelligenz unveränderbar vorgegeben sind. Situationen werden nur nach den Ergebnissen bewertet und bei Misserfolgen wird der Rückzug angetreten. Ein dynamisches Selbstbild hingegen folgt der Überzeugung, dass Persönlichkeit, Charakter und Intelligenz (Letztere zu gewissem Maße) kontinuierlich weiterentwickelt werden können. Erfolg bedeutet Wirkung.

Fördern Sie also als Führungskraft ein dynamisches Selbstbild für sich persönlich ebenso wie für ihre Mitarbeiter. Hierzu eignet sich Feedback.

Denken Sie auch in Prozessen und Strukturen jenseits der klassischen Hierarchie oder Pyramide

Prozesse und Strukturen können eine Selbstorganisation unterstützen, natürlich nicht ausschließlich erfolgreich machen. Unverrückbare Hierarchien sind in der heutigen VUCA Welt nicht immer förderlich. Die Schwarm Organisation ersetzt häufig die altbekannte Pyramide alseine mögliche strukturelle Lösung, um auf die komplexen Herausforderungen einzugehen. Hierbei entspricht die Einführung einer Schwarm-Organisation dem Vorgehen bei einer Unternehmens-transformation. Das Vorgehen erfolgt in Baby Steps konsequent in die geplante Richtung der Vision. Bei der Umsetzung steht diszipliniertes Experimentieren im Vordergrund. Starten Sie mit ausgewählten Pilotthemen, die von den internen Entrepreneuren vorangetrieben werden.

Sensibilisieren Sie auch die Mitarbeiter außerhalb der Schwarm-Organisation. Veränderungsbereitschaft muss zum festen Teil der Unternehmenskultur werden, so dass kontinuierliche Veränderungen als Chance und nicht als Gefahr wahrgenommen wird. 

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass sich Selbstverantwortung wirklich lohnt. Eigenverantwortung fördert den Kooperationswillen. Teams erkennen, dass sie sich harmonisieren müssen, um der gemeinsamen Aufgabe gerecht zu werden. Einzelziele werden dann unter das Gemeinschaftsziel zurückgestellt. Dennoch streben wir Menschen nach Wettbewerb und Autonomie. Diese kompetitiven Bedürfnisse sollten adressiert werden. Allerdings sollte dies in einer differenzierteren Art geschehen: Entscheiden Sie immer wieder aufs Neue, wo es auch innerhalb der gemeinsamen Arbeit Sinn macht, Einzelleistungen zu würdigen. Die sollte aber nicht im Sinne von „Du bist besser als ein anderer“ geschehen.



Nicole Fürst

Business Coaching und Karriereberatung für Menschen, die Veränderung suchen! Ich verspreche Ihnen radikale Ehrlichkeit mit ❤ und Empathie! Ich freue mich, Ihre Wegbegleiterin 🗺 zu sein!

5 Jahre

Eine sehr gute Darstellung von realistischen Vorgehensweisen in Organisationen! Die Bedeutung von intrinsischen Motiven und Lebensmotiven lässt sich wunderbar mit Steven Reiss Motivations Profile in Verbindung bringen, um so die Ressourcen zur Umsetzung von agilem Führen und agiler Teamarbeit bestmöglich einsetzen zu können!

Katharina Kluge

Scrum Master & Projektleiterin

6 Jahre

Bei Scrum gibt es keinen Chef vom Dienst! Ja, das agile Framework spiegelt wieder was du schreibst. 

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