Fußball: Moneten dominieren
Europa dominiert auf dem Fußball-Globus – unter wirtschaftlichen Aspekten allen voran die Briten. Doch britische Clubs gehören inzwischen längst nicht mehr nur den Briten. Vielmehr sind Superreiche aus aller Welt engagiert. In der Szenerie gibt es sehr viel Bewegung. Auf- und Abstieg sind normal. Dass jetzt spekuliert wird, Michael Dell – US-amerikanische PC-Ikone - sei am Kauf des in die Drittrangigkeit abgerutschten AFC Sunderland interessiert, weckt die Lebensgeister an der britischen Nordseeküste. Andererseits wird spekuliert, Roman Abramowitsch denke über einen Verkauf des FC Chelsea nach. Fußball – das Milliarden-Spiel………….
Zuletzt ist der Kapitalfluss in Europas Soccer- Ligen von Seiten global agierender Superreicher etwas dünner geworden. Nachdem Chinesen bei den Clubs lange Zeit als Hoffnungsträger für Kapitalzuflüsse galten, ist auch von dieser Seite der ganz große Run ausgeblieben. Abgesehen von einigen Transaktionen der Chinesen in Italien und Spanien. Mit der kommen- den Fußball-WM in Katar hofft Europa indes auf den Zufluss von Ölgeldern aus den Opec-Staaten. Deutschland bleibt vorerst (auch wegen der 50+1 Regel) in diesen Fragen meist außen vor. Unverständlich ist indes, warum nur vergleichsweise wenige Clubs in Europa und auch in Deutschland bisher die Kapitalmärkte zur Geldbeschaffung nutzen.
Ungeachtet dessen tut sich jedoch auch in Deutschlands Fußballszene etwas. Nein, nein – das Nationalteam ist auf der FIFA-Rangliste nicht etwa nach oben geklettert. Ganz im Gegenteil ………… Und nein - auch die Zahl der deutschen Super-Talente ist nicht gestiegen. Noch immer bestimmen die agilen und sehr geschickt und geschmeidig agierenden Athleleten aus Osteuropa, Afrika und Lateinamerika das Geschehen in der Bundesliga. Aber immerhin – das Bemühen um Seriosität ist Deutschland nicht abzusprechen. Dass der von mir sehr stark geschätzte Fritz Keller vom SC Freiburg zum DFB-Präsidenten aufsteigen soll, ist ja grundsätzlich zu begrüßen. Denn zuletzt drohte hierzulande eine Situation, in der der Fußball auch in Deutschland die Bodenhaftung zu verlieren schien. Jetzt schaun‘ mehr mal …… was passiert. Fritz Keller ist eine gute, eine sehr gute Wahl……..
Dass Deutschland den Weltfußball nicht mehr länger dominiert, ist offenkundig auch auf ein gesellschaftliches Problem. Denn der Jugend in diesem Land geht es gut, zu gut – seit vielen Jahren. Sie muss sich nicht mehr weiter nach oben kämpfen. Abgesehen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Finanziell weitgehend abgesicherte Eltern und Großeltern stehen für die meisten deutschstämmigen Kinder parat. Und - welcher Jugendliche quält sich schon gern? In Osteuropa, Lateinamerika und Afrika und anderen ärmeren Regionen kann der Sport – vor allem der Fußball – das Karriere-Sprungbrett für von der Natur mit Blick auf den Körperbau und die Geschmeidigkeit eh favorisierte und teils begnadete Jugendliche. Ein Blick auf die Kicker des FC Bayern München bestätigt diese Aussage mit Blick auf die internationalen Stars. Dabei hatte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge noch vor vielen vielen Jahren im Interview mit mir erklärt, der FC Bayern suche vor allem heimische Akteure mit „Bayern-Herz“.
Die Zeiten haben sich geändert – auch im Fußball-Wunderland England. Noch vor mehr als zehn Jahren war Roman Abramowitsch nicht nur in Europa, sondern weltweit in aller Munde. Der inzwischen 51jährige ehemalige russische Oligarch hatte im Jahr 2003 einen Teil seines üppigen Geldvermögens - also rund 140 Mio, Pfund – für den Erwerb des Londoner Fußballclub FC Chelsea genutzt. Inzwischen ist es in der Fußball- und Finanzwelt ruhiger geworden um den Russen, der nach Streitereien zwischen England und Moskau inzwischen wesentlich weniger relaxed in London lebt. In der City heißt es sogar, Roman Abramowitsch suche nach der Verweigerung der Visa-Erteilung durch die britische Regierung einen Käufer für den FC Chelsea. Der zuvor geplante Neubau eines Fußballstadions für rund 1 Mrd. Pfund wird in diesem Kontext aktuell heiß diskutiert.
Seit Abramowitschs Einstieg beim FC Chelsea hat die britische Liga eine gigantische Entwicklung genommen – sportlich und vor allem auch finanziell. Dies auch, weil neben dem Russen auch andere Superreiche aus den USA, China, Arabien und anderen Staaten ihr Herz für „Fußball - Made in UK“ entdeckt haben bzw. das eigene Ich durch Moneten in einem völlig neuen Glanz erscheinen lassen wollen. Auch reiche Briten selbst – Elton John und andere – sprangen auf diesen Zug. Bei den US-Amerikanern fällt mir spontan John W. Henry ein; denn das Büro der bescheiden – ja, fast schüchtern – wirkenden Hedge-Fonds-Größe habe ich vor vielen Jahren in der Nähe Boca Raton in Florida besucht. So hatte sich Henry nicht nur in Boston an der Ostküste der USA sein Sport-Imperium Fenway Sports Group LLC u.a durch den Erwerb des Baseball-Clubs Boston Red Sox und der Rennsportfirma Nascar aufgebaut. Henry zog es später dann auch ins Vereinigte Königreich, wo er große Summen in den FC Liverpool investiert hat.
Wenn Geld im Fußball als das einzige Hilfe zur Verhinderung (weiterer Abstürze) angesehen wird, kommt exakt das Übel zum Ausdruck, das den Fußballsport seit Jahren diktiert. Mein kurzer Trip nach Sunderland in die Hafenstadt im Nordosten Großbritanniens beschreibt die seit Jahren existierende Situation. Zugegeben - ich hatte überhaupt nicht mitbekommen, dass der ehemals prominente Premiere-League-Club Sunderland AFC inzwischen unter Durchfall leidet und nach dem Fall aus der Top-Liga zum Abschluss der Saison 2016/17 in die Liga „England Championship“ nur ein Jahr später weiter in die „England League 1“ – also die dritte Profiliga – durchgeschlupft ist. Dass mit diesem Absturz ein finanzielles Chaos einherging, sei nur am Rande erwähnt.
Als ich vor rund acht Jahren zuletzt in Sunderland an der Nordseeküste war, hatte ich mir dies ob der hier herrschenden Fan-Begeisterung überhaupt nicht vorstellen können. Aber zugegeben - dass viele Bürger hier (laut Wahl- zettel-Auszählung) Brexit-Befürworter sind, zeigt die Eigenheiten sowie die besondere Lebens- und Denkweise der Menschen vor Ort. Dort wo der Fluß Wear in die Nordsee mündet, sind zahlreiche der 175 000 Einwohner dieser Stadt fußballbegeistert und dementsprechend Fans des AFC. Entsprechend groß ist daher die Enttäuschung der Menschen angesichts des fußballerischen und monetären Absturzes vergangener Jahre. Dieser Sturz ins Nirwana verwundert indes nicht; denn während in der Premiere League die Umsätze der Clubs in der vergangenen Saison im Mittel bei rund 240 Mio. Pfund Sterling lagen, brachte es die League 1 gerade einmal auf durchschnittlich etwa nur 6 Mio. Pfund pro Club.
Viele Bürger nehmen das sportliche und wirtschaftliche Chaos ihres Clubs ganz offensichtlich persönlich, wie die in den Pubs der Stadt geführten Gespräch zeigen. Durchschnittlich rund 35 000 Zuschauer pilgern regelmäßig zu den Heimspielen ins Stadion. Als Schuldige werden selbstverständlich die Eigner, Manager und auch Spieler gesehen. Die viel zu egoistischen Kicker der „Black Cats“, so heißt es, würden ebenso wie das Top-Management nicht wirklich an die sich selbst als „Mackems“ bezeichnenden Menschen in der Nordseeküsten-Region denken. Zweifel sind angesagt; denn der fußballerische Erfolg sollte für die Kicker und für das Management über allem stehen, bedingt er doch auch den finanziellen und sozialen Erfolg. Man ziehe nicht an einem Strang, wird kritisiert.
In solchen Kommentaren steckt offensichtlich die Motivation für superreiche Amerikaner, sich in Sunderlands Soccer-Szene engagieren zu wollen. Sunderland – immerhin sechs- maliger Meister in England (zuletzt im Jahr 1936) - hatte in den vergangenen Jahren zwei Eigentümer. Zum einen den amerikanisch-irischen Milliardär Ellis Short, der den Club im Jahr 2018 an die Versicherungs-Größe Steward Donald verkauft hatte. Dieser wollte andere Kaufinteressenten mit in den Deal einbringen und ein Kauf-Konsortium bilden. Aber - vieles ist während dieser Zeit schief gelaufen beim AFC – trotz des bestehenden unternehmerischen Fachwissens der Ex-Eigner. Die Probleme: Rote Zahlen bei den Spieler-Transfers und deutlich niedrige TV-Gelder in den unteren Ligen. Aber all das war absehbar – weil bekannt. Die Bilanzen der vergangenen Jahre sind gruselig. Jetzt will es MSD Capital besser machen. Die Manager dieser Finanzfirma – nämlich Glenn Fuhrmann, Rob Platek und John Phelan – handeln dabei wohl mit Sicherheit nicht im eigenen Interesse. Denn MSD Capital mit Sitz in New York City gehört dem bekannten amerikanischen Computermarkt-Dinosaurier Michael Dell. Und Dell dürfte nach Analyse des Marktes wissen, dass der Weg zu den riesigen Geldtöpfen von UK Soccer nur über üppige „Investments in Beine“ läuft.
„Milliardär Michael Dell will den AFC Sunderland kaufen“, erfahre ich dann auch von einem Finanzguru, den ich am Londoner Flughafen Heathrow treffe. „Ein Club mit einer soliden Fan-Basis“ gerät der Mann ob des Potentials ins Schwärmen. Dell befindet sich also auf den Spuren seiner US-Landsleute Malcolm Glazer (Manchester United) und John W. Henry (FC Liverpool). Das Problem: Sunderland ist indes im britischen Fußball-Zirkus kein Top-Name mehr. Aber Dell hat Geld genug, um das zu verändern. Ob er das Geld investieren will, muss er selbst entscheiden. Bestätigt ist der Deal indes nicht – noch nicht. Warum, so fragt mich ein Londoner Broker bei einem Zwischenstopp in Großbritanniens Metropole in der Nähe der London Stock Exchange (LSE), sollte Dell zu einem Zeitpunkt an Sunderland interessiert sein, wo angeblich auch andere Clubs wie Crystal Palace und Newcastle United (beide in der Premier League aktiv) zum Verkauf stehen. Hinzu kommt, dass auch der FC Chelsea offensichtlich angeboten wird wie sauer Bier. In der zweiten britischen Liga – der „England Championship“ - steht in diesen Tagen offensichtlich auch Leeds United zum Verkauf – jener Club, in dem Eintracht-Frankfurts Legende Anthony Yeboah im fort- geschrittenen Alter erfolgreich aktiv war.
Der Blick zurück ins Gestern: Im Jahr 2003 hatte Roman Abramowitsch den FC Chelsea für rund 140 Mio. Pfund erworben. Die jüngste Offerte, die er für Chelsea erhalten haben soll, lag Gerüchten zufolge bei über 2 Mrd. Pfund. Man sieht: Fußball kann ein lohnendes Geschäft sein – längerfristig jedenfalls. Ungeachtet dessen scheint zu gelten: Als Kaufwilliger einen Fußballclub zu finden, ist offensichtlich recht einfach – später allerdings zu einem „fairen“ Preis wieder verkaufen zu können, ist wohl wesentlich schwerer. Sollte es zu der von mir erwarteten Weltwirtschaftskrise kommen, dürfte sich indes auch die finanzielle Lage der Eigentümer von Fußballclubs indes weiter verschärfen. Fußball-Aktien wie vor vielen Jahren Borussia Dortmund an der Börse zu listen, könnte sich unter mehreren Aspekten also doch lohnen. Juve, Ajax, ManU, Bröndby IF und einige andere haben das in den vergangenen Jahren bereits erkannt.
Und jetzt haben sie auch in Unterhaching offensichtlich festgestellt, dass die Kapitalmärkte einen Ausweg für die finanziellen Herausforderungen von Sportclubs bieten können. Dies zumal, da man auf diese Art und Weise mehr Fans an den Club binden und zugleich die Aktie als Finanzierungsinstrument bei den Bürgern etablieren könnte.