Gamification – Was steckt dahinter?
Gamification ist nicht erst durch die Pandemie und die rasant zunehmende Digitalisierung zum Hype geworden - bereits seit längerem hält der Trend in der Industrie und in unserem Alltag Einzug. Die Kalaidos Fachhochschule hat daher eine Online-Veranstaltung zum Thema Gamification – Tipps, Tricks und Anwendungsmöglichkeiten lanciert. Als Moderator hat Fabrizio Palmas (Technologische Kompetenzcenterleitung am Kompetenzcenter New Learning) den schwedischen Gamification Experten Adam Palmquist zu einem virtuellen Gespräch eingeladen.
Was ist Gamification?
Um Gamification zu beschreiben, wird häufig die Definition von Deterding et al. (2011) zitiert: "Gamification is the use of game design elements in non-game context", das heisst, unter Gamification versteht man die Anwendung von Spieldesignelementen in nicht spielbezogenen Kontexten. Konkret können dies Systeme sein, beispielsweise im Lernumfeld, die Nutzerinnen und Nutzern virtuelle Auszeichnungen (Badges) verleihen oder Ranglisten (Leaderboards) abhängig von erreichten Lernerfolgen erstellen. Auch Palmquist beschreibt Gamification ganz ähnlich, nämlich mit der Anwendung von Spieldesignelementen und Spielprinzipien in nicht-spielerischen Kontexten. Seiner Erfahrung nach kann durch die Verwendung von Gamification in den meisten Fällen ein höheres Engagement von Schüler/innen, Teams und Benutzer/innen erzielt werden. Gerade im Bereich der Bildung konnte Palmquist als Lehrer Gamification zur Motivation seiner Schüler/innen erfolgreich einsetzen.
Anwendungsbeispiele von Gamification im Alltag
Die potentiellen Anwendungsmöglichkeiten von Gamification sind äusserst vielfältig. Gamification Elemente kommen heute beispielsweise in Apps, die wir zum Tracking unserer sportlichen Aktivitäten nutzen, zum Einsatz, z. B. in der Fitness-App RunKeeper. Zunächst zeichnet man damit nur das Training und den persönlichen Fortschritt auf, aber spätestens beim Vergleich mit Freunden und der Aufstellung von Ranglisten, kann die Motivation zu mehr Sport und besseren Leistungen geweckt werden.
In der Fülle an Reizen, die uns das Internet anbietet, setzen auch grosse Unternehmen auf Gamification, um unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen und zu behalten. Als Bespiel sei hier der Streamingdienst Netflix zu nennen. Die Plattform blendet nach dem Ende einer Serienfolge oder eines Filmes einen Countdown von 10 Sekunden ein, um den nächsten Film gleich zu starten. Dieses Vorgehen verleitet uns dazu, doch noch eine Folge mehr anzuschauen als ursprünglich geplant - unsere Aufmerksamkeit wird künstlich aufrechterhalten.
Ein dritter grosser Anwendungsbereich von Gamification sind Loyalty-Programme, bei denen Kund/innen entsprechend ihres Umsatzes belohnt werden. Es werden Punkte oder "Meilen" gesammelt, die den Kund/innen vermeintliche Vorteile bieten und dazu anhalten, mehr Umsatz zu generieren.
Gamification als Forschungsfeld – Theoretische Ansätze
Im Bereich Gamification als alleinstehende Disziplin wird laut Palmquist eher wenig geforscht. Gamification wird in der Regel in Zusammenhang mit weiteren Forschungsthemen wie Lernen, e-Health, etc. untersucht.
Betrachtet man Gamification aus der Perspektive der Psychologie, kommt die Self-Determination-Theory (Selbstbestimmungstheorie) zur Anwendung, die darauf beruht, dass Menschen zunehmend motivierter agieren, wenn die drei Grundbedürfnisse nach Autonomie (1), Kompetenz (2) und Verbundenheit (3) erfüllt werden. Gamification kann genau dort ansetzen: in einem sozialen System, das die intrinsische Motivation der Nutzer/innen nachhaltig steigert, jedoch die Selbständigkeit nicht beeinträchtigt (vgl. Aparicio et al., 2012).
Gamification kann ebenfalls die operante Konditionierung durch Feedback unterstützen, die der amerikanische Psychologe Skinner, ein bekannter Vertreter des Behaviorismus, in einem Experiment mit Ratten beobachtete. Das Feedback auf das Verhalten der Tiere fiel unterschiedlich aus, sodass zwischen einer positiven und negativen Verstärkung sowie einer positiven und negativen Bestrafung unterschieden werden konnte. Das zukünftige Verhalten hat sich je nach Feedback und den damit verbundenen Konsequenzen geändert (vgl. Skinner, 1965). Die Theorie der Konditionierung kam beispielsweise in einem Experiment in Stockholm zum Einsatz: Es wurde eine Kamera installiert, welche die Geschwindigkeit von vorbeifahrenden Autos gemessen hat. Fahrer/innen, die schneller als die Geschwindigkeitsbegrenzung fuhren, wurden mit einem Bussgeld bestraft. Wer sich an die erlaubte Geschwindigkeit hielt, wurde mit einem Lottoschein belohnt. Der Gewinn für die Lotterieteilnehmenden stieg mit jeder Bestrafung. Bei dem Experiment war schnell erkennbar, dass die Autofahrer/innen durch das Feedback in Form einer Strafe oder eines Gewinns, konditioniert wurden und sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung hielten (ispring eLearning Blog, 2015).
Die Goal-Setting-Theory (Zielsetzungstheorie) nach Locke und Latham (1990) beruht darauf, dass Menschen durch Ziele motiviert werden. Die Theorie besagt insbesondere, dass schwer erreichbare Ziele auch zu besseren Leistungen führen. Landers et al. (2017) haben etwa gezeigt, dass Gamification-Elemente wie Leaderboards (Ranglisten), zu einer besseren Performance führen können.
Wie geht es mit Gamification weiter?
Gamification ist als Framework zu verstehen, das sich durch den Einsatz in unterschiedlichen Systemen zu Produkten weiterentwickelt und damit an einem Punkt angelangt ist, den «Start-up-Modus» zu verlassen. Nach Einschätzung von Palmquist besteht noch grosses Potenzial für den Einsatz von Gamification-Elementen in den Bereichen e-health, Recycling und in Umweltsystemen, aber auch in Industrie 4.0 Anwendungen.
Der Artikel erschien zuerst im Kalaidos Blog im Auftrag der Kalaidos FH Schweiz.
Quellen und weiterführende Informationen
Aparicio, A. F., Vela, F. L. G., Sánchez, J. L. G., & Montes, J. L. I. (2012, October). Analysis and application of gamification. In Proceedings of the 13th International Conference on Interacción Persona-Ordenador (pp. 1-2).
Deterding, S., Dixon, D., Khaled, R., & Nacke, L. (2011, September). From game design elements to gamefulness: defining" gamification". In Proceedings of the 15th international academic MindTrek conference: Envisioning future media environments (pp. 9-15).
ispring eLearning Blog (2015). Gamification: Turning eLearning Students into Gamers.
Landers, R. N., Bauer, K. N., & Callan, R. C. (2017). Gamification of task performance with leaderboards: A goal setting experiment. Computers in Human Behavior, 71, 508-515.
Locke, E. A., & Latham, G. P. (1990). A theory of goal setting & task performance. Prentice-Hall, Inc.
Skinner, B. F. (1965). Science and human behavior (No. 92904). Simon and Schuster.