Gebäude ohne Öl und Gas - Teil IX, Auenwerkstatt, Vollautarkie
Zu Beginn dieser Beitragsreihe habe ich versucht aufzuzeigen warum wir anders bauen müssen: Teil I - III, dann das Wie: Teil IV, Materialien sowie Heizen und Kühlen mit der Sonne: Teil V - VIII.
Nach der Theorie jetzt die Praxis: ich möchte in den nächsten Beiträgen Beispiele aus unserem Büro für Neubau sowie für Sanierung vorstellen - und damit zeigen, dass sinnvolles Bauen und ein Betrieb unserer Gebäude durch die Sonne möglich ist.
Und das mit einem völlig normalen Budget.
Die Auenwerkstatt - vollautark
Zu Beginn die Auenwerkstatt: Diese wird vom Land Salzburg in der Weitwörther Au im Norden der Stadt Salzburg errichtet, mit Fertigstellung diesen September. Die Auenwerkstatt ist ein kleines Schulgebäude mit zwei Klassenräumen, einer Werkstatt und einem Büro - und soll tageweise von Schulklassen als Stützpunkt genutzt werden, die dann in der Au umherstreifen und dort ökologischen Unterricht erhalten. Die Weitwörther Au ist ein wunderschönes Gebiet, das teilweise von einem aufgelassenen Schotterabbau wieder renaturiert wurde - und die Natur hat sich dieses Gebiet wunderbar zurückerobert!
In diesem sensiblen Gefüge wird die Auenwerkstatt gerade als kleiner Stützpunkt errichtet - mit der Besonderheit, dass dieser vollautark ausgeführt wird. Das bedeutet es führt keine Leitung zu dem Gebäude hin - und keine Leitung weg. Die Auenwerkstatt 'macht alles selbst' - sie sammelt Sonnenenergie, wandelt diese in Strom um und speichert diesen in neuartigen, recyclebaren Akkubänken. Sie sammelt weiters Sonnenwärme und speichert diese in der Gebäudemasse - und zwar im Beton UND in den massiven Holzbauteilen. Sie holt sich Grundwasser aus einem eigenen Brunnen, bereitet dieses selbst auf - und die Auenwerkstatt klärt auch ihr Abwasser selbst in einer Pflanzenkläranlage. Und zuletzt - im Sommer kühlt sich das Gebäude selber über Erdkühle...und nutzt dazu die Massivholzdecke als Kühlspeicher (!).
Die gesamte Planung des Energiesystems und der Vollautarkie wurde durch den österreichischen Pionier auf diesem Gebiet, Harald Kuster von der Firma FIN - Future is now! durchgeführt, das System Bauteilaktivierung in Holz wurde in Zusammenarbeit zwischen FIN und Thoma entwickelt.
Hier die Auenwerkstatt in der Vogelperspektive - links im Bild die Freiluftklasse, auf dem Dach die Solarpaneele, rechts am Hügel die Photovoltaikpaneele.
Die Innenräume werden durch Holz bestimmt, die Aussen- und Innenwände sowie die Decke werden aus Massivholz gefertigt, der Boden besteht aus einer einfachen, geschliffenen Betonplatte: Die Aufbauten sind damit sogar einfacher als in 'normalen' Gebäuden: der Boden besteht aus nur zwei (!) Schichten: unten 70cm Glasschaumschotter als Wärmedämmung auf der 'nur' die 50cm starke Betonbodenplatte aufgebracht wurde. Deren Oberfläche wurde geschliffen und bildet damit schon den fertigen Boden. Die Betonplatte selber enthält Rohrleitungen durch die das sonnenwarme Wasser geleitet wird. Fertig.
Hier die Auenwerkstatt in Bau (Ende April 2021) - die Baumeisterarbeiten und die Geländemodellierung sind abgeschlossen, der Holzbau startete in der folgenden Woche:
Die Aussenwände (System Thoma) werden in der konstruktiven Schicht nur 30cm stark - mehrere Lagen aus Holzbrettern die mit Buchenholzdübeln verbunden sind. Ohne Leim, ohne Nägel. Die innere (Holzpaneel) und die äußere Schicht (Lärchenschindeln) werden rein aus optischen Gründen aufgebracht, konstruktiv und als Dämmung reicht die 30cm starke Wand völlig aus.
Die Decke besteht ebenfalls aus Vollholz - und dient im Winter zum Speichern der Sonnenwärme und im Sommer als Kühlspeicher. Im Bereich der Mehrzweckräume wird die Decke als Kastenträger ausgeführt (siehe Schnitt), um die größeren Spannweiten überbrücken zu können. In den übrigen Bereichen reicht die Vollholzdecke als alleiniges Tragsystem aus.
Die Auenwerkstatt bleibt damit bei aller technischen Leistungsfähigkeit in ihren zentralen Aufbauten sehr einfach - ist aber extrem leistungsfähig. Zum Beispiel werden tagsüber bei Bewölkung die weiter innenliegenden Bereichen sanft in Tageslichtfarbe zusätzlich ausgeleuchtet, gegen Abend wird das Lichtfarbe dann wärmer.
Das Gebäude ist außerdem sehr flexibel nutzbar - die beiden Klassenräume können miteinander und mit dem zentralen Gangbereich verbunden werden, die Kinder können die Küche mitbenutzen, der Unterricht kann auch in der Außenklasse stattfinden, die Werkstatt wird für die Erhaltung des Wegenetzes genutzt.
Zusammengefasst: Die Auenwerkstatt wird von Frühling bis Herbst ausschließlich durch die Sonne betrieben (!) und ist meines Wissens das erste vollautarke kommunale Gebäude Europas.
Im nächsten Beitrag möchte ich ein 'normaleres' Gebäude vorstellen: ein 120 Jahre altes Schlösschen das generalsaniert und mit Sonnenwärme versorgt wird. Ohne Fassadendämmung! Dies soll zeigen dass die Sanierung von Bestandsgebäuden mit Bauteilaktivierung kombinierbar ist - und auch bei einem völlig pragmatischen Zugang zu sehr guten Ergebnissen führt.