Gedanken zu "falschen" Zahlen, inadäquaten Annahmen und Vorschriften im Vorsorgesystem
Werner Grundlehner beschreibt in diesem NZZ-Artikel einige der "wunden" Punkte bei der beruflichen Vorsorge. Ob man diese Punkte nun "falsche" Zahlen, inadäquate Annahmen (so der Vorsorgeexperte Werner C. Hug, im Artikel zitiert) oder inadäquate Vorschriften nennt, ist letztlich irrelevant. Wichtig wäre, dass sich die Politik jetzt endlich fundamental mit der Reform des Vorsorgesystems adäquat und professionell auseinandersetzt. Ohne Partei-Geplänkel, nur mit Sachverstand, Weitsicht und etwas Mut. Vor allem sollen sich die Politiker:innen von links bis rechts vorab durch Personen beraten und begleiten lassen, die etwas von der Sache verstehen. Die Anliegen der eigenen Klientel dieser Politiker:innen sind längst auf dem Tisch und durften gebührend lang präsentiert werden. Jetzt geht es um das TUN! Nicht länger "laberen", sondern die richtigen Stellschrauben neu ausrichten. Einige davon werden unter anderem im erwähnten NZZ-Artikel aufgeführt. Dabei gilt: vor allem auf die Stärken der beruflichen Vorsorge und der dritten Säule - nämlich das langfristige Ansparen von Vorsorgekapital, Ausnutzen des Zinseszinseffektes, möglichst freie Hand in der Vermögensanlage - setzen und die steuerlichen Rahmenbedingungen (noch) attraktiver gestalten.
Und nicht vergessen: nicht "wir alle" leben auf Kosten der Jungen. Solche pauschalen und oft zitierten Aussagen im Zusammenhang mit dem beruflichen Vorsorgesystem sind falsch. Siehe z.B. der unsägliche Kommentar im Tagesanzeiger unter dem Titel "Warum die Jungen bei der Altersvorsorge alt aussehen". Solange "wir alle" (damit meine ich wir Erwerbstätigen von sagen wir Alter 25 bis mindestens 65) keine Rente oder Vorsorgekapital beziehen, sondern uns in der Ansparphase befinden, sind wir alle den Ungleichgewichten im Vorsorgesystem ausgesetzt. Unterschiedlich stark und je nach zukünftigem Zins-/Ertragsszenario an den Finanzmärkten anders, das stimmt. Aber gerade die "Übergangsgeneration" von heute rund 49-63-jährigen wird beispielsweise im Szenario "Temporärer Tiefzins, 10 Jahre tiefe Zinsen, dann Normalisierung" (gem. Ecoplan, Forschungspapier 13/20) sehr stark belastet. Die tiefen Zinsen sind im ebenfalls gesunkenen Umwandlungssatz «eingefroren». Diese Jahrgänge können zudem von später steigenden Renditen nicht mehr (lange genug) profitieren. Falls sich die Inflation zusätzlich höher als angenommen entwickelt, sieht es noch schlechter aus. Die jüngere Generation (Jahrgänge ab ca. 1973) aber mutiert dann zu den Umverteilungsgewinnern. Die tiefen Zinsen spielen heute noch keine grosse Rolle, da noch nicht so viel Kapital vorhanden ist. Später profitieren sie von den steigenden Zinsen und höheren Sparbeiträgen.
Es bleibt die Feststellung, dass nichts am Weg über einen kontinuierlichen, möglichst langen, individuell gestaltbaren Sparprozess bzw. Aufbau von Vorsorgekapital geht. Die Politik soll dazu möglichst optimale Rahmenbedingungen mit möglichst viel Freiheiten und Selbstverantwortung und möglichst wenig Regulierung schaffen - nicht mehr und nicht weniger.