Was gibt's Neues? Ausgabe 26
Der Frühling deutet sich langsam an, aber an der Streikfront herrscht immer noch tiefer Winter. Die Lufthansa, die Bahn, der öffentliche Nahverkehr - Auseinandersetzungen wohin man nur schaut.
Bringen Sie ein bisschen Freude und Ruhe in Ihren Alltag. Wie machen Sie das? Einfach mal hinsetzen und entspannen! Und wenn Sie schon sitzen, können Sie unseren aktuellen Newsletter lesen.
Bei noch mehr Muße oder beim Weg auf die Arbeit können Sie dann noch unsere aktuelle Podcastfolge hören. Am Montag erscheint Folge 29 mit dem Thema "Die Versetzung - eine Geschichte mit vielen Missverständnissen" - einfach mal reinhören (siehe unten). Und nun zurücklehnen und anschnallen - ab geht's mit dem aktuellen Newsletter:
OLG Hamburg: kununu muss Klarnamen des Bewerters herausgeben oder die Bewertung löschen!
Die Bedeutung von Bewertungsportalen im Internet nimmt für das Employer Branding und das Employer Marketing stetig zu.
Gerade in Zeiten des zunehmenden Arbeitskräftemangels spielen Plattformen, wie z.B. kununu, im Wettbewerb um Talente und Fachkräfte eine bedeutsame Rolle.
Negative Bewertungen auf solchen Bewertungsportalen sind aus Arbeitgebersicht natürlich ein Dorn im Auge, da sie den Ruf und die Attraktivität eines Unternehmens erheblich beschädigen können.
Es stellt sich in diesem Zusammenhang zwangsläufig die Frage, wie Sie sich als Arbeitgeber gegen unberechtigte Kritik und/oder falsche Bewertungen zur Wehr setzen und die Löschung von (unberechtigten, negativen) Beiträgen erreichen können.
Wichtige, neue Entscheidung des OLG Hamburg
In diesem Zusammenhang wollen wir Sie auf eine, spannende, aktuelle Entscheidung des OLG Hamburg aufmerksam machen, die für ein erhebliches Echo in der Fachwelt und der Personalpraxis gesorgt hat (Beschluss vom 08.02.2024, 7 W 11/24).
Was war passiert?
Die Arbeitgeberseite wendet sich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Bewertungsplattform kununu und die Veröffentlichung zweier Bewertungen.
Diese lauteten auszugsweise wie folgt.
a)
„Startup abgebogen in die Perspektivlosigkeit
1,6
Nicht empfohlen
Oktober 2023
Arbeitsatmosphäre
Lob und Anerkennung gibt es hier nicht, Wertschätzung schon gar nicht. Mit Glück wirft einem die Geschäftsführung beim Vorbeigehen morgens ein „Guten Morgen“ hin, ansonsten wird man eher getrieben schnell zu arbeiten und bloß keine Fehler zu machen.
Einarbeitung? Fehlanzeige! Am ersten Tag bekommt man ein paar Dokument, die man sich auf eigene Faust aneignen soll und dann wird bitte losgelegt.
Kommunikation
Es ist alles sehr undurchsichtig. Zahlen, Ziele und Planungen werden konsequent geheim gehalten. Meetings finden in der Regel hinter verschlossener Tür statt. Dabei achtet die Geschäftsführung stets drauf zu zweit den einzelnen Angestellten zu sich zu rufen, Gruppengespräche mit der Belegschaft werden vermieden.
(…)
Vorgesetztenverhalten
Setzen Sechs! Man ist nur eine Nummer.
Empathie ist ein Fremdwort.
Informationspolitik existiert quasi nicht.
Es wird erwartet, dass die Angestellten Verantwortung übernehmen und eigenständig arbeiten, gleichzeitig ist die Geschäftsführung nicht in der Lage Verantwortung abzugeben und leidet unter Kontrollwahn. Die Tür zur Geschäftsführung steht meist offen, aber in erster Linie aus dem Grund, weil permanent ein Ohr bei den Büroangestellten horcht.
(…)
Umgang mit älteren Kollegen
Es wird drauf geachtet die Belegschaft überdurchschnittlich jung zu halten. Es macht den Anschein, ältere Mitarbeiter mit Lebens- Arbeitserfahrung seien unerwünscht.
Arbeitsbedingungen
Veraltete Technik. Gebrauchte Computer statt modernem Arbeitsgerät. Freeware und selbst programmieret Software auf Hobby-Niveau statt lizenzierter Software.
Schlecht beheizte Arbeitsräume, Heizen scheint zu teuer zu sein.
Improvisierte und chaotische Lagerhaltung und Versandabteilung.
Gehalt/Sozialleistungen
Gehalt war angemessen und pünktlich. Urlaubs- Weihnachtsgeld gibt es nicht. Bei Weihnachtsfeiern war auffällig, dass das Budget penibel im Rahmen der steuerlich absetzbaren Summe gehalten wurde.
Image
Nach innen geht es kaum schlechter und auch nach außen scheint es mehr und mehr bekannt zu werden.
Karriere/Weiterbildung
Aufstiegt aussichtslos. Weiterbildung bitte privat organisieren“
b)
„Vorsicht bei der Firmenwahl
1,3
Nicht empfohlen
November 2023
Ex-Angestellte/r oder Arbeiter/in hat im Bereich Administration /Verwaltung gearbeitet.
Arbeitsatmosphäre
Den Mitarbeiten wurde 0,0 vertraut
Kommunikation
Mitarbeiter wurden mehr oder weniger gegeneinander ausgespielt
Kollegenzusammenhalt
War ok
Work-Life-Balance
Abmachungen wurden nicht eingehalten
Vorgesetztenverhalten
Absolute Kontrolle über jeden einzelnen Schritt. Selbstständiges entscheiden von simplen Sachen war nicht gewünscht
Interessante Aufgaben
Immer das selbe
Empfohlen von LinkedIn
Arbeitsbedingungen
Es ist eine kühle Lagerhalle ohne Dämmung. Im Winter ist es zum Teil nur 17-19 Grad. Ich habe durchgehend gefroren und wurde mit einer halb funktionierenden wärme Fußmatte abgespeist.
Image
Wird nach außen toll gepriesen aber ist mehr pfui als hui
(…)“
Die Arbeitgeberin ließ kununu durch zwei kurz aufeinander folgende Anwaltschreiben auffordern, die Einträge zu löschen. Zur Begründung hieß es in beiden Schreiben jeweils gleichlautend: „Der genannte Bewerter hat unsere Mandantschaft negativ bewertet. Der Bewerber- und Mitarbeiter-Kontakt zu dem Bewerter wird mit Nichtwissen bestritten, da er nicht zugeordnet werden kann.“
kununu forderte die Arbeitgeberin hieraufhin auf, mögliche unwahre Tatsachenbehauptungen bzw. Rechtsverletzungen zu substanziieren.
Da kununu von der Arbeitgeberseite keine weiteren Informationen erhielt, sah sie von einer Löschung der Einträge ab.
Nach Erhalt des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wandte sich kununu an die Nutzer, die die hier beanstandeten Bewertungen abgegeben hatten. Die von diesen erhaltenen Unterlagen, aus denen sich der Nachweis ergeben sollte, dass die Nutzer bei der Arbeitgeberin beschäftigt gewesen seien, anonymisierte eine Mitarbeiterin von kununu und übersandte der Arbeitgeberseite zum Beleg, dass die Urheber der angegriffenen Bewertungen bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen waren, jeweils anonymisierte Tätigkeitsnachweise.
Das LG Hamburg wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Die zuletzt anonymisierten Tätigkeitsnachweise würden ausreichen, um eine tatsächliche Mitarbeiterstellung der Rezensenten nachzuweisen, so dass die Übermittlung ungeschwärzter Tätigkeitsnachweise nicht erforderlich gewesen sei.
Hiergegen wehrte sich die Arbeitgeberseite erfolgreich mit Ihrer sofortigen Beschwerde zum OLG Hamburg.
Die Entscheidung
Der Bewertete kann die Löschung der Bewertung verlangen, wenn der Portalbetreiber den Bewerter ihm gegenüber nicht so individualisiert, dass er das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes überprüfen kann (1.). Das gelte auch dann, so das OLG Hamburg, wenn der Portalbetreiber einwendet, aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen diese Individualisierung nicht vornehmen zu dürfen (2.)
1. Zu der vorliegend nicht ausreichenden Individualisierung heißt es in der Entscheidung (Hervorhebungen von uns eingefügt):
(…) Die der Antragstellerin im Laufe des gerichtlichen Verfahrens übermittelten Unterlagen mögen aus dem Geschäftsbereich der Antragstellerin stammen; wer die betreffenden Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter gewesen sein mögen, auf die sie sich beziehen, vermag sie aus diesen Unterlagen aber nicht zu erkennen, so dass sie nicht überprüfen kann, ob die Urkunden wirklich die Urheber der Bewertungen betreffen und ob es sich dabei tatsächlich um Personen handelt, die einmal für sie gearbeitet haben oder noch für sie arbeiten. Die Möglichkeit zu einer eigenen Überprüfung des Vorliegens eines geschäftlichen Kontakts darf dem von der Bewertung Betroffenen nicht in der Weise genommen werden, dass der Portalbetreiber die Überprüfung für sich vornimmt und dem Bewerteten dann versichert, sie habe ein positives Ergebnis erbracht; ansonsten stünde der Betroffene, der geltend macht, nicht zu wissen, ob er überhaupt Kontakt zu dem Bewerter hatte, der Behauptung des Portalbetreibers, dies sei der Fall gewesen, wehrlos gegenüber.
Der Umstand, dass es sich bei dem Portal der Antragsgegnerin um ein Arbeitgeber-Bewertungsportal handelt, rechtfertigt eine andere Sichtweise nicht. Die Antragsgegnerin meint zwar, dass der Antragstellerin hier schon aufgrund der geringen Anzahl der bei ihr beschäftigten Personen eine eigenständige Überprüfung darauf, ob eine Bewertung von einer dieser Personen stamme, möglich sein müsse, zumal ein Arbeitgeber viel eher in der Lage sei, aus einer Bewertung zu ersehen, ob die darin erhobenen Beanstandungen der innerbetrieblichen Verhältnisse von Angehörigen seines Personals stamme, als ein Unternehmer, der nur aufgrund einmaligen Kontakts mit ihm ansonsten unbekannten Kunden zu tun hat, aus einer Bewertung ersehen könnte, ob ihr ein tatsächlicher Geschäftskontakt zugrunde liegt.
2. Auch von kununu geäußerte datenschutzrechtliche Bedenken stünden der notwendigen Individualisierung nicht entgegen.
Datenschutzrechtliche Schutzvorschriften wie z.B. § 21 TTDSG dürften nicht dazu führen, dass eine Bewertung öffentlich zugänglich gehalten werden darf, solange dem Bewerteten die Möglichkeit genommen ist zu klären, ob ihr überhaupt ein geschäftlicher Kontakt mit dem Bewerter zugrunde liegt. Denn soweit es um die Verbreitung von Äußerungen gehe, deren Rechtmäßigkeit nur überprüft werden könne, wenn der Urheber oder die Quelle der Äußerungen bekannt ist, trage das Risiko, ob er den Urheber oder die Quelle namhaft machen darf, kann oder will, im Streitfall grundsätzlich der Verbreiter.
Geschieht die Verbreitung im Rahmen eines Geschäftsbetriebes, wie das bei einem Bewertungsportal der Fall ist, gehört dieses Risiko zu den typischen Geschäftsrisiken, die jeden Unternehmer bei seiner Tätigkeit treffen.
Ausblick / Weiterführende Hinweise
Die Entscheidung ist „nur“ im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ergangen. Es steht zu erwarten, dass kununu ein Hauptsacheverfahren zur abschließenden Klärung der Rechtsfragen um die Individualisierungspflicht anstrengen wird. Wir werden Sie über den Fortgang der Angelegenheit informieren.
Praxishinweise
Die bisherige Überprüfungs- und Löschungspraxis von Bewertungsportalen ist häufig wenig transparent und nachvollziehbar.
Die vorliegende Entscheidung ist deshalb zu begrüßen, da es Ihnen als Arbeitgebern möglich sein muss, sich effektiv gegen unzutreffende Bewertungen auf Internetportalen zur Wehr zu setzen.
Hierzu gehört auch die Klärung der Frage, inwiefern der Bewertende überhaupt in einem Arbeitsverhältnis zu Ihnen gestanden hat.
Unser Podcast "Arbeitsrecht für Arbeitgeber"
Zunächst einmal möchten wir allen danken, die an unserer Verlosung der 3 Bücher "Aufhebung und Abfindung" teilgenommen haben und wir gratulieren den 3 Gewinnerinnen. Die nächste Verlosung kommt bestimmt und zwar mit der Folge, die am 18.03. on air geht. Stay tuned!
Die neue Podcastfolge erscheint am Montag (04.03.) und es geht um das Thema Versetzung.
Als erstes stellen wir ein spannendes Urteil des LAG Rheinland-Pfalz zur Kurzarbeit vor. Dann folgt das Thema Versetzung. Hier wiesen wir auf viele Missverständnisse hin und geben Hilfestellungen, damit Sie Fehler vermeiden können.
Die neue und alle anderen Folgen finde Sie unter:
Zwar kein Arbeitszeitbetrug, aber trotzdem ein Grund für eine fristlose Kündigung!
Liegt ein (beweisbarer) Arbeitszeitbetrug vor, so ist dies stets - auch ohne Abmahnung - ein Grund für eine fristlose Kündigung. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Arbeitszeitbetrug nicht immer dann vorliegt, wenn ein Arbeitnehmender weniger arbeitet als seine Kolleg*innen.
Ein klassischer Arbeitszeitbetrug ist dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmender sich während einer Pause nicht aus dem Zeiterfassungssystem ausloggt, sich bereits deutlich vor Arbeitsbeginn ein- oder deutlich nach Arbeitsende ausloggt, somit objektiv unrichtige Arbeitszeiten erfasst und versucht sich dadurch einen finanziellen Vorteil zu verschaffen.
Das Arbeitsgericht Bremen hat jüngst zu entscheiden, ob auch das reine „absitzen“ ohne zu arbeiten bzw. bei deutlich geringeren Output als bei den Kollegen ein Kündigungsgrund sein kann.
Der Fall
Zwei Arbeitnehmende waren als Servicemitarbeiter beim Arbeitgeber beschäftigt. Der Arbeitgeber warf den Arbeitnehmenden nach einer Auswertung der Arbeitszeit vor, nur in sehr geringem Umfang Telefonanrufe entgegengenommen zu haben und kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Arbeitnehmenden erhoben hiergegen Klage zum Arbeitsgericht Bremen.
Die Entscheidung
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab und gab dem Arbeitgeber recht (Urteile vom 14.12.2023 - 2 Ca 2206/23 und 2 Ca 2207/23).
Die Kündigungen seien wirksam, da - so das Gericht - die von den Arbeitnehmenden erbrachte Arbeitsleistung (der Umfang der Telefoniezeiten) so gering sei, dass man hieraus auf eine vorsätzliche vertragswidrige Vernachlässigung der Arbeitspflicht schließen könne. Der äußerst geringe Umfang, in dem die Arbeitnehmenden telefoniert haben, könne man - so das Arbeitsgericht weiter - auch nicht durch bloße Minderleistung erklären.
Der Arbeitgeber hatte Telefoniezeiten im Umfang von 60% der täglichen Arbeitszeit erwartet. Die Arbeitnehmenden leisteten an einzelnen Tagen jedoch nur Telefoniezeiten zwischen 30 und 35% bzw. (beim anderen Arbeitnehmenden) zwischen 16 und 33%.
Praxistipp
Ein aus Arbeitgebersicht sehr gutes Urteil, das allerdings nicht als Freibrief für Kündigungen in ähnlichen Situationen verstanden werden sollte.
Zum einen gibt es genügend Richter, die die vorliegenden Kündigungen wohl für unwirksam erachtet hätten, zum anderen ist jeder Fall anders.
Wir können also nur dringend dazu raten, vor Ausspruch solcher Kündigungen fachanwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen.
Sinnvoll kann es in solchen Situationen auch sein, eine Verdachtskündigung auszusprechen, da Sie dann nicht das Vorliegen der Tatsachen, sondern nur das Vorliegen eines dringenden Verdachts beweisen müssen.
Wie eine Verdachtskündigung funktioniert, erläutern wir in der nachstehenden Folge unseres Podcast „Arbeitsrecht für Arbeitgeber“
"Die Verdachtskündigung - ein scharfes und oft erfolgreiches Schwert!"
Sollten Sie einmal Beratungsbedarf haben, kommen Sie gerne auf uns zu, wir beraten Sie gerne!
Ihnen allen wünsche ich ein schönes, sonniges Wochenende!
Dr. Alexander Scharf
as@scharf-und-wolter.de