Hintergrundinformationen und/oder -überlegungen (7): Wer wagt den Umbruch!

Corona hat uns jetzt vor Augen geführt, dass es (vielleicht) kaum so weiter gehen kann, wie in den letzten Jahrzehnten. Ein Weckruf? Und wer erkennt diesen Ruf eigentlich?

Vor Corona gab es diverse Diskussionen und Auseinandersetzungen um die Wirtschaft, v.a. die Finanzkrise, die Nationalbankeneingriffe, das Klima, die Umwelt und Biodiversität und vieles mehr. Und zwar immer wieder mit den gleichen Fragen: 

Ist das Gleichgewicht noch gegeben? Ist die Börse von der Realwirtschaft abgekoppelt? Reichen die natürlichen Ressourcen noch lange und für wen? Ist die stetige Erwärmung einfach eine normale Zykluserscheinung oder doch nicht? Soll unser Wirtschaften weiterhin den Wachstumstheorien des 19. und 20. Jahrhundert entsprechen? Ist also die These wirklich digital oder eben «grow or die»? Hat nicht insbesondere die Finanzindustrie dieses Credo apodiktisch umgesetzt und tut es weiterhin? Werden ihr zu viele «Freiheiten» gewährt?

Aber die Berge wachsen nicht in den Himmel. Heisst, es gibt Ressourcen, die schlicht und einfach endlich sind! Doch das versteckt man gerne hinter Aussagen wie: «...das hat man schon in den 70-iger Jahren mit der Ölkrise gemeint» (obwohl das nicht wirklich vergleichbar ist) oder «es gab immer wieder ein Aussterben von Tierarten (aber ist das Dinosauriersterben mit demjenigen von heute wirklich zu vergleichen; z.B. sind rund 40% der aktuellen Tierarten, 70% der Amphibien, in der Schweiz bedroht und 79% der Reptilien stehe auf der roten Liste; etc. etc.) Die Gewässer und die Landschaft sind massiv überdüngt (Schadstoffe, zu viel Stickstoff etc.; unser Trinkwasser scheint ebenfalls nicht mehr gut genug zu sein); über 80% der Moore in der Schweiz sind seit 1900 verschwunden. Schaut man weltweit, so sind seit 1970 gute 60% der Wildtiere verschwunden. Betreffend Regenwälder - Gebiete die für unser Leben hinsichtlich der CO2 Verwertung und vielem mehr lebenswichtig sind – sind weltweit seit 1950 die Hälfte verschwunden (gut 15% der Erde war 1950 mit Regenwald bedeckt); jedes Jahr werden aktuell 158’000km2 Regenwald gerodet. Das Verschwinden oder die erwähnte Veränderung geschehen schleichend und somit kann das relativ einfach «schöngeredet» werden. Die Politik, welche ebenfalls kurzfristig orientiert ist oder sein muss (nach den Wahlen, ist vor den Wahlen und die kommen für Veränderungen schnell!), kann einfacher darüber hinwegschauen. Sie hat sich im Wesentlichen um aktuell Vorliegen zu kümmern, die wie Corona plötzlich vor der «Haustüre» stehen. 

Altes Wissen geht verloren, einerseits weil alt eben nicht cool ist und andererseits, weil mit der Veränderung (z.B. die Industrialisierung mit Beginn im 19. Jh. sowie der Industrialisierung 4.0 im 21. Jahrhundert gewisses Wissen oder Erkenntnisse als nicht mehr opportun oder überholt gelten. Trotzdem taucht immer wieder mal was auf, das man als wissenschaftlich neu erwiesen sieht, obwohl es «alter Kaffee» ist (z.B. las man in der NZZ am Sonntag vom 30. August: «Laubbäume kühlen die Erde besonders effizient – sie anzupflanzen könnte helfen, die Folgen des Klimawandels zu vermindern»). Wer den Wald kennt und nicht einfach «durchgefahren» ist, kann das sogar selber feststellen. Im Zusammenhang mit der Waldwirtschaft wurde seitens der Fachspezialisten durchaus jahrzehntelang «gesündigt». Gerodeter Wald wurde vermutlich (bewusst, fahrlässig oder unwissend?) der Einfachheit halber und sicherlich auch aus Kostengründen zu einseitig aufgeforstet (Monokultur). Der ursprüngliche Wald, eben der Urwald, kennt diverse «Stockwerke» mit verschiedensten Pflanzenbereichen (je nach Bedarf: mehr oder weniger Sonne, Wasser etc. und im gegenseitigen Austausch der Nährstoffe), welche auch einen Schutz vor Hitze und Austrocknung, aber auch gegen Feuer (nicht die durch moderne Rodungstäter entfachte!) geboten haben. Borkenkäfer gäbe es in solchen natürlichen Wäldern auch nicht oder höchstens in ausbalancierter Form, so dass die Wälder deshalb nicht der Axt weichen müssten. Die Winde könnten die Wälder nicht so einfach flachlegen (Lothar etc.). Wenn die Balance nicht gegeben ist, fällt «das natürliche Kartenhaus».

Ist dieses Corona-Virus ein Wendepunkt? Erholt sich das seit Jahren heilige, gehütete und gepflegte «grow or die» der Wirtschaft nicht mehr in die Richtung, wie es vor 2020 allgemein Geltung hatte? Die ersten Anzeichen könnten bereits vorliegen. Die Corona-Pandemie oder deren Konsequenzen könnte genügend lange dauern, dass einiges nicht mehr wiederauflebt, wie erwünscht oder erhofft: «Es könnte radikal werden», meint der Lufthansa-Konzern Chef. Bereits sollen 22'000 Stellen abgebaut werden. Jedoch soll das Management noch tiefere Schnitte vorbereiten (NZZ am Sonntag, 30. August 2020). Gemäss «de.statista.com» sind in der erweiterten Airline-Branche 5-6 Millionen Arbeitsplätze potentiell gefährdet; in der Schweiz sollen es 128'000 sein, was etwa der Anzahl Arbeitslosen im 2019 entspräche. Weltweit sollen es gegen 25 Millionen sein. Andere Branchen trifft es ebenfalls stark. Die Reserven sind klein bis kaum vorhanden und die Unterstützung durch die Staaten können kaum dauernd aufrechterhalten werden. Aber was wird mit den Arbeitssuchenden? Einigen wird Umschulung nicht möglich oder ermöglicht respektive nützt eine solche nichts, da entweder die «Zeit davonläuft» oder die Erfahrung fehlt oder sogar die «Überqualifizierung» im Wege steht! Dies auch noch bezahlen, mit Fürsorgegelder oder Notenbankgeld? Oder mit einer «Umverteilung» wie es der Chef der Konjunkturforschungsstelle an der ETH-Zürich fordert (Extra-Steuer für Corona-Gewinner (swissinfo.ch). Oder soll doch eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden, was ebenfalls als eine Art Umverteilung zu verstehen ist, nämlich von denjenigen, welche im Wesentlichen auf diesem Markt betroffen sind (nachvollziehbar, jedoch schwierig in der Umsetzung, holen sich die in der Menge «Gebenden» solche Abgaben i.d.R. wieder über andere Kanäle zurück, und zwar zulasten der «Begünstigten»). Eine vernünftige Balance schaffen, scheint auch hier eine angemessene Lösung zu sein.

Wer dreht an der Uhr oder wo sind die Robin Hoods der heutigen Zeit?

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Weitere Artikel von Ivan Allemann

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen