Homeoffice ist in Bewegung
Mein Editorial in der VIS A VIS 6/2023

Homeoffice ist in Bewegung

Vor Corona fristete Homeoffice in der deutschen Arbeitswelt ein stiefmütterliches Dasein, während Corona war Homeoffice unumgänglich, nach Corona hat sich Homeoffice fest etabliert und entwickelt sich dynamisch weiter. Die Versicherungswirtschaft steht exemplarisch für diese Entwicklung: Früher legten die Versicherungsunternehmen großen Wert auf Präsenz im Büro, heute wissen sie, dass sie ohne große Flexibilität beim Arbeitsort am Bewerbermarkt nicht bestehen können.

Wir marschieren in Sachen Homeoffice an der Spitze des Fortschritts! Das Hamburger Marktforschungsinstitut SWI hat im November seine im Auftrag des Handelsblatts erstellte Studie „Beste Arbeitgeber 2023“ vorgestellt. Knapp 2 400 Unternehmen unterschiedlicher Größe wurden analysiert und verglichen. Unternehmen, die auf Homeoffice setzen, berichten von einem erfolgreicheren Recruiting. 52 Unternehmen wurden vom SWI im Rahmen dieser Studie ausgezeichnet, darunter sieben mit mehr als 1 000 Beschäftigten. Unter diesen sieben „Besten“ waren vier (!) Versicherer.

In dem „Working From Home Research Project“ der US-Universitäten Chicago, Stanford und MIT wurden 42 000 Arbeitnehmer in 34 Ländern befragt. Ergebnis: In keinem Land der Europäischen Union ist die Heimarbeitsquote höher als in Deutschland.

Homeoffice ist eine echte win-win-Situation: Es spart Arbeitnehmern viel lästige Pendelei und erlaubt ihnen, in erschwinglicheren Wohngebieten „auf dem Land“ statt in den teureren Städten zu wohnen, Arbeitgeber können durch Homeoffice Spezialisten „aus der Provinz“ gewinnen, die sonst nie zu ihnen gekommen wären, und Bürofläche signifikant reduzieren, um nur einige Vorteile zu nennen.

Betrachtet man allerdings die Branchentrends genauer, so stellt man überwiegend einen zunehmenden Wunsch nach mehr Präsenz fest:

  • Laut einer KPMG-Umfrage aus Oktober gehen 68 Prozent der CEOs davon aus, dass ihre Angestellten innerhalb der nächsten drei Jahre wieder Vollzeit ins Büro zurückkehren werden. Drei von vier können sich sogar vorstellen, Mitarbeiter zu befördern oder ihnen mehr Gehalt zu bezahlen, wenn sie häufiger ins Büro kommen.
  • Die SAP SE hatte im Sommer 2021 alle Präsenzvorgaben aufgehoben und ihren 110 000 Beschäftigten komplett freigestellt, wo sie arbeiten wollen. Im Mai 2023 korrigierte der Softwarekonzern sich, startete die Initiative „I’m in“ und rief seine Beschäftigten dazu auf, mit persönlicher Präsenz „stärkere Beziehungen im Unternehmen zu fördern“ und „Möglichkeiten für persönlichen Kontakt zu schaffen“. Als „gute Praxis“ sieht SAP nun eine Kombination aus Homeoffice und zwei bis drei Tagen im Büro an.
  • Geradezu „rabiat“ ging Berenberg, die älteste Privatbank Deutschlands, vor. Sie schaffte Homeoffice im Sommer 2022 ganz ab. Ihr persönlich haftender Gesellschafter, Hendrik Riehmer, fand deutliche Worte: „Wir brauchen die volle Aufmerksamkeit fürs Geschäft, jeden Tag. Es geht nicht darum, sich selbst zu verwirklichen. Es geht darum, für die Kunden da zu sein.“

Ich glaube nicht, dass sich der CEO eines Versicherungsunternehmens ähnlich drastisch wie der Chef von Berenberg äußern würde. Unsere Branche verfügt mittlerweile über eine gefestigte Homeoffice-Kultur. Die Mehrzahl der Unternehmen erlaubt drei Tage Mobilarbeit pro Woche. Allerdings ist diese Entwicklung nicht statisch. Fast alle Unternehmen prüfen, wie sie mit ihren aktuellen Homeoffice-Regelungen zurechtkommen. Arbeitszufriedenheit auf der einen Seite und Arbeitsproduktivität auf der anderen Seite spielen dabei eine wichtige Rolle. Ich schließe nicht aus, dass wir hier im Jahr 2024 auch in unserer Branche die eine oder andere Überraschung erleben werden.

Ihr

Michael Niebler

Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des AGV


Da es sich beim "Home Office" um eine rein deutsche Bezeichnung für eine Arbeit von zu Hause handelt, bleibt die Frage, die ja auch im Artikel angesprochen wurde, ob dieses Arbeiten im heimatlichen Büro tatsächlich so effizient ist, wie erhofft und/oder gewünscht. In jedem Fall ein Thema, das uns noch einige Zeit kontrovers beschäftigt halten wird. Auf jeden Fall ein wichtiger und gelungener Beitrag zum Thema

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