Ich komm’ wieder, keine Frage!

Ich komm’ wieder, keine Frage!

URLAUBSZEIT – Ich bin eine treue Seele. Ich gehe nicht fremd. Ich brauche auch nicht ständig den neuen Kick. Aber wehe, wenn ich enttäuscht werde. Dann werde ich ungemütlich. Ich bin nämlich ein Stammgast.

Es naht die Urlaubszeit, auch für mich. Und ich werde zum achten Mal – im Ernst, zum achten Mal! – an denselben Ort, in dieselbe Unterkunft fahren. Ich bin also so einer wie die Mehrheit der Südtirolgäste. Wer mich versteht, versteht somit auch die allermeisten Südtirolgäste. Und deswegen: Wer sie verstehen will, sollte jetzt weiterlesen.

Offiziell bin ich meinem Urlaubsort so treu ergeben, weil es die Kinder wollen. Aber – das bleibt jetzt unter uns – um ehrlich zu sein, kämpfe ich gar nicht dafür, mal anderswohin zu fahren. Mir gefällt es nämlich gut am Ort, an dem ich mich zum achten Mal erholen werde. Natürlich hätte ich auch mal Lust auf etwas Neues, aber Treue ist bequemer, entspannender, stressfreier. Ich kenne die Anlage, das Dorf, die Umgebung, vor allem die Leute. Und sie kennen mich. Es ist ein bisschen wie Urlaub daheim. Wenn’s passt, warum sollte ich ein Abenteuer riskieren? Ich entdecke auch so jedes Jahr etwas Neues, zum Beispiel bei meinen morgendlichen Radtouren.

Ich bin der Typ Gast, den die Gastgeber unter Umständen vernachlässigen.

Ich bin der Typ Gast, den die Gastgeber mögen: Er kommt immer wieder, ohne dass sie groß Marketingbudgets aufwenden müssten, um ihn zu kriegen. Ich bin aber auch der Typ Gast, den die Gastgeber unter Umständen vernachlässigen: Er kommt ja eh wieder, kümmern wir uns um die neuen Gäste oder um die Nochnichtgäste. Es mag schon stimmen, dass das Gewinnen von Neukunden ein Vielfaches dessen kostet, was das Halten von Altkunden kostet, aber bei dem da brauchen wir keine Angst zu haben – der kommt wieder, er war ja schon sieben Mal da, sieben Mal!

Liebe Gastgeber, das ist fahrlässig! Ein Stammgast wie ich ist nicht so pflegeleicht, wie es scheint, im Gegenteil. Wir Stammgäste kommen blöderweise mit guten Erinnerungen (sonst würden wir ja nicht wiederkommen), und diese guten Erinnerungen müssen sich wiederholen, sonst sind wir enttäuscht. Gute Erinnerungen an den Service, die Anlage, die netten Urlaubsbekanntschaften … Wir gehen davon aus, dass sich das Gewohnte wiederholt und noch ein bisschen besser wird. Wir wollen gewissermaßen etwas Besseres, obwohl wir selbst zu bequem sind, uns etwas Besseres woanders zu suchen.

Wir Stammgäste sind ganz schön anspruchsvoll. Und das Allerblödeste kommt erst noch.

Nur wenn es besser als eh schon gut wird, fahren wir begeistert nach Hause. Wenn es gleich gut wird wie im Vorjahr, sind wir zufrieden, ganz nüchtern, aber Gratismundwerbung darf dann niemand von uns erwarten, es gibt ja nichts zu erzählen, alles schon vor einem Jahr erzählt. Hochriskant ist es, wenn der Urlaub schlechter wird als die Erinnerungen. Das muss gar nicht an der Anlage liegen oder am Service. Schon Wetterkapriolen können uns auf das Gemüt schlagen, obwohl die Gastgeber nichts dafürkönnen, oder das Fehlen von liebgewonnenen Mitarbeitern (was fällt dem Neuen ein, nicht zu wissen, dass ich zum Veneziano immer ein paar Patatine kriege!) oder das Ausbleiben von ähnlich netten Urlaubsbekanntschaften wie im vergangenen Jahr.

Wir Stammgäste sind also ganz schön anspruchsvoll. Und das Allerblödeste kommt erst noch. Wir sind der Meinung, uns eine Vorzugsspur zu verdienen. Immerhin lassen wir unser Geld schon zum achten Mal hier liegen. Da haben wir uns gefälligst eine Sonderbehandlung verdient, wäre ja noch schöner! Sollen die Liegestuhlnachbarn erst einmal ähnlich lange hier ihr Geld ausgeben.

Die Hotelcomputer wissen mehr über uns Stammgäste als wir selber – man muss nur wollen.

Wir Stammgäste halten uns halt ein bisschen für etwas Besseres. Wir sind ja schon länger hier als mancher Mitarbeiter. Und wenn wir dann nicht mehr die bevorzugte Unterkunft oder dieselben Liegestühle im Schwimmbad erhalten, dann sind wir verschnupft. Ob uns unsere Gastgeber im Winter Geburtstagsglückwünsche per Mail schicken oder Weihnachtsgrüße, ist uns völlig wurscht. Aber wenn wir da sind, dann wollen wir einen Treuebonus haben. Wir wollen das Gefühl haben, dass man sich an uns erinnert. Das geht heutzutage mit den Computern ja ganz einfach, denn jede Weinbestellung, jede Wellnessbehandlung, jede Liegestuhlreservierung läuft über die Computersysteme. Die Hotelcomputer wissen mehr über uns Stammgäste als wir selber – man muss nur wollen.

Wir sind also so kompliziert, dass man besser auf uns verzichten würde. Wären wir nur nicht so gute Werbeträger. Wenn wir im Bekanntenkreis erzählen, acht Mal am selben Ort gewesen zu sein, dann ist das eine Visitenkarte, selbst wenn wir es nicht schwärmerisch erzählen.

Ich stelle fest, Sie wollten die Stammgäste verstehen. Sonst wären Sie nicht bis hierhin gekommen. Jetzt grübeln Sie. Tun Sie es, dann kommen die Stammgäste wieder, keine Frage.

Christian Pfeifer

christian@swz.it

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