Ist Cannabis bei Multipler Sklerose medizinisch notwendig?

Der Neurologe eines 42-jahrigen Patienten mit Multipler Sklerose

beantragt die Behandlung mit Cannabis. Die Multiple

Sklerose ist seit 2015 bekannt. Es liegt ein vorherrschend

schubformiger Verlauf mit Progression vor. Im letzten Jahr seien

zwei neue spinale Herde hinzugekommen.

Der neurologische Befund zeigt keinen Meningismus und eine

glatte Blickfolge bei freien NAP. Einbeinhupfen ist nicht möglich.

Der Patient hat eine leichte Paraspastik mit steifem Gangbild.

Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich. Keine Paramidenbandzeichen.

Die Sensibilitat ist ungestort.

In der Vergangenheit war eine Therapie mit NSAR und Morphinen

aufgrund massiver Nebenwirkungen abgebrochen

worden. Der Patient klagt uber eine morgendliche Spastik der

unteren Extremitaten. Der Neurologe beschreibt chronische unbeeinflussbare

Schmerzen bei spinalen Herden.

Medikamentos wurde der Patient mit dem monoklonalen

IgG1k-Antikorper Atemtuzumab behandelt. Zusatzlich erhielt

er Physiotherapie sowie Akupunktur.

Ein MRT zeigte multiple supra- und infratentorielle Entmarkungsherde.

Im Vergleich zur Voruntersuchung zeigten sich

neu aufgetretene Lasionen im Gyros parazentralis sowie im

subkortikalen Marklager rechts, am Hinterhorn, Vorderhorn

sowie im Bereich des Pons.

Zusatzlich besteht eine massive Lumbago bei klinischen Zeichen

eines Facettensyndroms im Bereich LWK 5/SWK 1 und

LWK 4/5 bds. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2017 bereits

eine CT-gesteuerte Facettengelenkstherapie im Bereich LWK 4/5

und LWK 5/SWK 1 bds. durchgefuhrt – leider erfolglos.

FRAGE AN DEN GESELLSCHAFTSARZT

Ist die Behandlung mit einem Cannabispraparat medizinisch

notwendig?

Die Behandlung mit Cannabis war bereits begonnen worden.

Darunter ist es zu einer deutlichen Besserung der Schmerzen

und einer leichten Besserung der Tetraspastik gekommen. Der

Patient war mobiler und die nachtliche Miktion konnte beherrscht

werden.

Unter der Behandlung mit Cannabis geht es dem Patienten

deutlich besser. Die Schmerzen sind deutlich geringer. Der Patient

hat enorm an Lebensqualitat gewonnen und kann sogar

seiner Arbeit nachgehen.

BEURTEILUNG

Die medizinische Notwendigkeit der Behandlung mit Cannabis

konnte im vorliegenden Fall anerkannt werden. Begrundet ist

dies mit einer gravierenden, unheilbaren Grundkrankheit sowie

Schmerzen und Spastik, die unter der vorherigen Medikation

nicht beherrschbar waren. Zudem hat eine Dauertherapie mit

Morphin und NSAR zu massiven Nebenwirkungen gefuhrt.

Aufgrund der spinalen Herde hat der Patient eine chronische

Schmerzkrankheit, die die Lebensqualitat deutlich beeintrachtigt.

Zudem zeigt die bereits begonnene Behandlung mit Cannabis

eine gute Wirksamkeit in Bezug auf die Schmerzen und die

Spastik.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Rainer Hakimi

Leitender Gesellschaftsarzt und Betriebsarzt

HALLESCHE Krankenversicherung a.G.

Reinsburgstr. 10

70178 Stuttgart



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