Was ist eigentlich psychologische Sicherheit? Und warum ist sie so wichtig?

Was ist eigentlich psychologische Sicherheit? Und warum ist sie so wichtig?

Psychologische Sicherheit ist ein zunehmend populäres Schlagwort, dessen Bedeutung oft unklar bleibt. In diesem Leadership Snack klären wir, was es damit auf sich hat und warum psychologische Sicherheit so wichtig ist. Außerdem habe ich einige wichtige Tipps, um sie in deinem Team zu fördern.

Gute Führungskräfte wissen um psychologische Sicherheit!

Vor einigen Tagen saß ich abends mit einem befreundeten Arzt zusammen, der als Anästhesist in einem Münchner Krankenhaus arbeitet. Was ich nicht wusste: Anästhesisten sorgen während einer Operation nicht nur für Bewusstlosigkeit und Schmerzfreiheit. Ihre Aufgabe ist es, den Patienten während der Operation mit allen erforderlichen Maßnahmen am Leben zu erhalten.

Was für ein Job! Wir kamen auf das Thema Hierarchie und Offenheit innerhalb von Teams zu sprechen. Und plötzlich hielt mein Freund einen flammenden Appell: Wenn eine ATA (das sind anästhesistisch-technische Assistenten) sieht, dass eine Oberärztin eine ungewöhnliche Dosis eines Medikaments verordnet, dann MUSS sie das ansprechen dürfen. Alle müssen mitdenken und aktiv mithelfen! Ansonsten ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein folgenschwerer Fehler passiert, trotz aller individuellen Sorgfalt. Und er fügte nachdenklich hinzu, dass das leider nicht selbstverständlich sei. Gerade den Neuzugängen im Team müsse er das immer wieder deutlich machen. 

Ohne den Begriff auch nur einmal zu verwenden, hielt mein Freund ein eindringliches Plädoyer für psychologische Sicherheit.

Nachdem wir gehört haben, wie lebenswichtig eine offene und vertrauensvolle Kommunikation in einem Team sein kann, stellt sich die Frage: Was ist das eigentlich,  ‘psychologische Sicherheit’?

Was ist psychologische Sicherheit?

Kurz gesagt, bezeichnet psychologische Sicherheit die Überzeugung der Teammitglieder, dass sie für das Äußern von Meinungen, Fragen, Bedenken oder Fehlern nicht bestraft oder gedemütigt werden. Es geht darum, eine Umgebung zu schaffen, in der sich alle trauen können, sich einzubringen und Risiken einzugehen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen für das Selbstbild, den Status oder die Karriere.

Dabei darf man psychologische Sicherheit nicht als einen "An/Aus"-Schalter verstehen. Einer der Begründer des Konzeptes, Timothy Clark, beschreibt, dass sie sich über vier verschiedene Stufen hinweg entfaltet. Diese Stufen spiegeln den Grad wider, in dem sich Individuen in einem Team sicher fühlen, sich zu beteiligen und Risiken einzugehen.

Die vier Stufen sind:

  1. Sicherheit der Zugehörigkeit: Das Gefühl, dazuzugehören und Teil des Teams zu sein. Jedes Teammitglied fühlt sich wertgeschätzt und akzeptiert.
  2. Sicherheit des Lernens: Die Ermutigung und Akzeptanz, Fragen zu stellen, Fähigkeiten zu entwickeln und auch Fehler zu machen.
  3. Sicherheit des Beitragens: Die Überzeugung, dass man selbst mit der eigenen Leistung einen wirkungsvollen Beitrag leisten kann und darf.
  4. Sicherheit des Herausforderns: Die Freiheit, den Status quo und die vorherrschende Meinung in Frage zu stellen und neue Wege zu gehen.

Jede Stufe erfordert die Sicherheit der vorherigen Stufe. Alle gemeinsam spielen eine wichtige Rolle, um eine Kultur zu schaffen, in der wirkungsvolle Zusammenarbeit gedeihen kann.

Der leidenschaftliche Appell meines Freundes, des Anästhesisten, spiegelt die höchste Ebene von Timothy Clarks Modell der psychologischen Sicherheit wider: die Sicherheit des Herausforderns. Seine Forderung, dass anästhesistisch-technische Assistenten die Freiheit haben müssen, ungewöhnliche Dosierungen anzusprechen, selbst wenn diese von einer Oberärztin vorgeschlagen werden, veranschaulicht die Notwendigkeit einer Kultur, in der Teammitglieder den Status quo in Frage stellen dürfen. 

Ohne die vorherigen Stufen der Zugehörigkeit, des Lernens und des Beitragens könnte diese Ebene der Offenheit und des Mutes, bestehende Praktiken herauszufordern, nicht erreicht werden. Es war sehr eindrucksvoll für mich, so eindringlich erzählt zu bekommen, dass jede Stufe der psychologischen Sicherheit innerhalb eines Teams unerlässlich ist, um in kritischen Momenten Leben zu schützen. 

Zum Mitnehmen und Ausprobieren

Für jede einzelne Stufe gibt es eine Vielzahl von konkreten Ansätzen, um für mehr psychologische Sicherheit zu sorgen. Diese drei Ansätze sind ein guter Startpunkt:

  1. Schaffe eine Kultur des Vertrauens: Ermutige Offenheit und Transparenz in deinem Team. Zeige durch dein eigenes Verhalten, dass es sicher ist, Fragen zu stellen, Ideen vorzuschlagen und Fehler zuzugeben. Das beginnt mit dem Zuhören. Zeige echtes Interesse an den Ideen und Sorgen deiner Teammitglieder.
  2. Fördere den gegenseitigen Respekt: Jedes Teammitglied sollte sich wertgeschätzt fühlen. Achte darauf, dass alle Stimmen gehört werden und dass Beiträge unabhängig von Hierarchie oder Erfahrung ernst genommen werden.
  3. Nutze Feedback als Werkzeug: Konstruktives Feedback kann ein mächtiges Instrument sein, um Lernen und Entwicklung zu fördern. Gib regelmäßig Feedback, das sowohl Stärken als auch Bereiche für Verbesserungen aufzeigt, und ermutige dein Team, das Gleiche zu tun.

Ein Umfeld der psychologischen Sicherheit steigert nicht nur Leistung und Zufriedenheit im Team, sondern fördert auch Mitgefühl und Verbundenheit der Teammitglieder - besonders wertvoll in unserer schnelllebigen Zeit. 

Was tust du, um psychologische Sicherheit zu fördern? 

Mehr erfahren

Eine gute Einführung bietet das Buch “Die vier Stufen der psychologischen Sicherheit - Auf dem Weg zu mehr Vielfalt und Innovation am Arbeitsplatz” von Timothy R. Clark.

Auch das Buch von Amy Edmondson „Die angstfreie Organisation - Wie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz für mehr Entwicklung, Lernen und Innovation schaffen” ist eine wertvolle Quelle.

Wenn du eher einen interaktiven Zugang zu diesen Themen bevorzugst, sind vielleicht meine „Agile Leadership Journey“-Kurse bei Colenet etwas für dich.


Eine hervorragende Zusammenfassung zum Sicherheitsgefühl. In meiner Projektpraxis habe ich mir angewöhnt zu jedem Projekt-Kickoff das Thema Offenheit, Transparenz, Vertrauen und sichere Umgebung wo Ideen, Sorgen, Fragen und Fehler offen von jedem Teammitglied und Stakeholder kommuniziert werden dürfen und sollen - denn nur so werden wir besser, die Qualität steigt und die Projekte eine größere Chance auf Erfolg haben. Nochmal: ganz tolle Zusammenfassung Pascal.

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