Jetzt kommt die ehrgeizige Generation Z - und löst die verweichlichten Millennials ab
Die heutige Jugend strebt nach Karriere, Prestige und gutem Lohn. Auch an Selbstvertrauen mangelt es nicht, wie eine Studie zeigt.
Dieses junge Paar sprengt die üblichen Normen: Mit 14 bewirbt sich Yaël Meierspontan beim Schweizer Fernsehen und bekommt die Hauptrolle in einem Spielfilm. Nach der Matura mit 17 Jahren zieht sie von zu Hause aus und startet eine Karriere als Schauspielerin und Journalistin – allein auf Tiktok zählt sie 200 000 Follower. Mit 19, das war im letzten Jahr, gründet sie zusammen mit ihrem Freund Jo Dietrich eine eigene Agentur. Sie beraten Firmen darin, wie sie die junge Generation am besten erreichen.
Auch Jos Leben verläuft im Zeitraffer: Noch während der Agenturgründung ist er Student. Gerade hat der 24-Jährige sein letztes Semester an der London School of Economics abgeschlossen. Zuvor hatte er als Startup-Scout innovative Firmen aufgespürt. Ab Sommer gibt er eine Vorlesung an der Hochschule Luzern. Das Magazin «Forbes» zählt Jo und Yaël zu den 30 einflussreichsten Personen unter 30 in der Schweiz.
Als wäre das nicht genug: Seit Januar sind sie Eltern eines Sohnes. Was treibt die beiden an in ihrem rastlosen Leben? «Wenn wir eine Idee haben, überlegen wir nicht lange und setzen sie einfach um», sagt Jo Dietrich. Er vergleicht das mit dem Kompass des Kapitäns Jack Sparrow im Film «Pirates of the Caribbean»: Dieser zeigt nicht nach Norden, sondern in die Richtung, wo sein Herz hinwill.
STARTUPS VERNETZEN SICH ÜBER TIKTOK
«Unsere Generation erhält über Social Media Inspirationen aus der ganzen Welt», so Dietrich. «Doch statt nur von tollen Zielen zu träumen, wollen wir diese auch erreichen.» Im Kollegenkreis sei der Aufbau eines eigenen Geschäfts ein Riesenthema. Auch auf Tiktok habe sich eine Szene von Startups entwickelt, die sich untereinander vernetzen.
Diese junge Generation bringe frischen Wind in die Arbeitswelt, sagt Leo Marty, Schweiz-Chef der Beratungsfirma Universum. Aus der Befragung von mehr als 11 000 Studenten an 78 Schweizer Hochschulen beobachtet er zudem einen interessanten Wandel: Auf die weniger ambitionierten Millennials folgt nun die zielstrebige Generation Z.
Die Millennials umfassen die Jahrgänge 1981 bis 1996. Ihre Prägung erfolgte um die Jahrtausendwende – daher ihr Name. Dagegen ist die Generation Z nach 1997 geboren; derzeit sind sie also 24 oder jünger. «Charakteristisch für die Generation Z sind ihr Ehrgeiz und ihre Tatkraft. Erfolg und ein kompetitives Umfeld haben für sie eine grosse Bedeutung», sagt Marty. Ein gutes Einkommen, Verantwortung und Prestige sind ihnen wichtig im Job. Dagegen legen die Millennials mehr Wert auf sogenannte weiche Faktoren wie flexible Arbeitsbedingungen und eine attraktive Work-Life-Balance.
Weil die Millennials nach Selbstverwirklichung streben, tragen sie den Ruf, weniger ausdauernd zu sein und die Arbeitsstelle häufiger zu wechseln. Das «Time Magazine» bezeichnete sie in einer vielzitierten Titelgeschichte als «The Me Me Me Generation» und beschrieb sie als «bequem, anspruchsvoll, selbstbezogen und oberflächlich».
Der britische Autor und Unternehmensberater Simon Sinek sieht die Ursache für diese angebliche Verweichlichung in der Elterngeneration der Millennials, den Babyboomern: «Ständig haben sie ihren Kindern eingeredet, dass sie etwas Besonderes seien und alles im Leben haben könnten.»
Leo Marty von Universum sieht aber ebenso die Vorzüge der Millennials: «Sie haben uns gelehrt, stärker auf den Sinn unserer Tätigkeit zu achten. Zudem haben sie uns von den festgefahrenen Hierarchien, Normen und Kleidervorschriften im Arbeitsleben befreit.» Doch nun, mit der Generation Z, gehe der Trend wieder zurück zu einem stärkeren Leistungswillen, erklärt Marty: «Ich beobachte eine verbreitete Ungeduld in dieser Altersgruppe: Sie beherrschen die neuen Technologien besser als wir alle – und diesen Vorsprung wollen sie gezielt für ihre Karriere nutzen.»
DIE DREI GENERATIONEN X BIS Z
Was für unglaubliche Sprünge möglich sind, zeigt die Geschichte der beiden Zürcher Luca Steffen und Jascha Rudolphi. Sie waren gerade 22 und 23, als sie während des Lockdowns vor einem Jahr zu den grössten Importeuren von Schutzmasken in Europa avancierten. Allein dem deutschen Gesundheitsministerium haben sie Schutzausrüstung im Wert von 670 Mio. € verkauft – und damit etablierte Handelsfirmen ausgestochen.
«Weil bei den Masken eine riesige Knappheit herrschte, kam es auf die Geschwindigkeit an», sagt Steffen. «Uns ist es gelungen, schneller als die Konkurrenz Verträge mit den Lieferanten aus China abzuschliessen.» Für den Transport nach Europa haben die Jungunternehmer mehrere Flugzeuge gechartert – was angesichts des blockierten Luftverkehrs einiges an Improvisationskunst und Risikobereitschaft verlangt habe.
Bereits als Lehrling und Gymnasiast stiegen die beiden ins Geschäft mit Parallelimporten ein. Ihr Startkapital betrug 20 000 Fr. – wofür sie ihr gesamtes Sparkonto plünderten. Der erste Deal war die Einfuhr von 1300 Flaschen Coca-Cola aus Polen, welche sie eigenhändig an Restaurants auslieferten. «Der Anfang war hart», erinnert sich Rudolphi, «wir brauchten ein ganzes Jahr, um den ersten Lieferanten zu überzeugen.»
Doch dann lernten sie rasch, die Preisunterschiede zwischen den verschiedenen Ländern auszunutzen. Sie begannen mit dem Handel von Schokolade, Kosmetika oder Parfum. «Mit Recherchen im Internet finden wir heraus, wenn etablierte Marken in einem Land zu viel für ihre Produkte verlangen.» In kurzer Zeit expandierten sie ihr Geschäft in 30 Nationen. Die geknüpften Kontakte nach China halfen ihnen auch beim Import der Masken.
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JUNGE WERDEN UNTERSCHÄTZT
Dass so junge Leute so dick ins Geschäft kamen, rief Kritiker auf den Plan. Als «Masken-Schnösel» wurden sie in manchen Berichten tituliert. An ihrer Seriosität wurde gezweifelt. Steffen verteidigt sich: «Die deutschen Behörden haben uns attestiert, dass wir verlässlich lieferten und unsere Ausfallquoten zu den tiefsten aller Anbieter gehörten.» Unter den 300 Millionen gelieferten Masken seien vereinzelt Mängel aufgetreten, doch hätten sie diese umgehend ersetzt. Auch ausserhalb des Maskengeschäfts gehörten renommierte Handelsketten zu den langjährigen Kunden.
«Unsere Generation ist mutig und geht neue Wege – trotzdem werden wir oftmals unterschätzt», sagen die beiden. «Doch uns hat diese Skepsis erst recht angespornt. Wir hatten von Anfang an grosse Ziele.»
Studien zeigen, dass die Generation Z ihre Zukunft weniger zuversichtlich einschätzt als die Jahrgänge zuvor. Leo Marty sieht darin einen Grund für ihren Aktivismus: «Sie wollen ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen und nicht länger zusehen, wie wir Älteren die globalen Probleme vor uns herschieben.» Diese Generation habe realisiert, dass die Zeit bei vielen Fragen wie dem Klimawandel immer knapper werde.
Diese Unrast ist auch bei Yaël Meier und Jo Dietrich spürbar: «Was wir in der Schule und an der Universität lernen, genügt nicht, um uns auf das Leben vorzubereiten. Deshalb wollen viele nebenbei etwas Eigenes aufbauen», sagt Dietrich. Was ihn und seine Altersgenossen antreibe, sei aber ebenso die Lust auf den Wandel: «Für keine Generation vor uns war es so einfach, etwas zu bewegen und ein globales Publikum zu erreichen.» Die Aktivistin Greta Thunberg oder die Sängerin Billie Eilish hätten gezeigt, dass bereits Teenager die Welt erobern können.
Der Wunsch nach Unabhängigkeit war auch für Jascha Rudolphi die Triebfeder: «Hätte es mit der Firma nicht geklappt, so wäre ich womöglich ausgewandert – Hauptsache, ich habe etwas gewagt und ausprobiert.»
GOOGLE IST FÜR JUNGE DER ATTRAKTIVSTE ARBEITGEBER
Aus der Befragung von 11 800 Studenten in 78 Hochschulen kürt Universum alljährlich die beliebtesten Arbeitgeber in der Schweiz. Im neusten Ranking steht Google – einmal mehr – an der Spitze. Dahinter folgen je nach Fachrichtung die Bank UBS, der Elektrokonzern ABB oder der IT-Gigant Microsoft.
«Die junge Generation ist besser ausgebildet denn je», sagt Leo Marty von Universum. «Deshalb verstärken die Firmen ihr Engagement, um diese Talente für sich zu gewinnen.» Damit die Integration des Nachwuchses auch gelingt, hat der Nahrungsmittelkonzern Nestlé ein Mentoring-Programm geschaffen. «Die jungen Leute arbeiten sehr effizient, sie sind schnell im Denken und innovativ», sagt Sonia Studer, Personalchefin von Nestlé Schweiz. «Damit ihre Initiativen aber nicht ungenutzt verpuffen, helfen ihnen Mentoren dabei, sich in unserer Organisation einzubringen.»
Besonders für Berufseinsteiger sei das Arbeitsumfeld wichtig, bestätigt Marty. «In unserer Befragung hat das Kriterium klar an Bedeutung gewonnen: Gerade in der Corona-Krise hat eine starke Firmenkultur die Motivation gefördert.»
Quelle: NZZ-Magazin
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