Journalismus wird von Journalisten gemacht. Ein Plädoyer für eine Journalisten- statt einer Medien- oder Presseförderung
Medienminister Thomas Drozda hat am 19. September 2016 zu einer Enquete zur Neugestaltung der Medienförderung eingeladen. Statt der bislang 8,8 Mio. Euro, die die Medienbehörde KommAustria 2016 unter dem Titel „Presseförderung“ ausbezahlt hat, sollen in Zukunft 20 bis 25 Mio. Euro für Medienförderung zur Verfügung stehen. Die Journalistengewerkschaft fordert in einem Schreiben an den Minister gar 35 Mio. Euro. Kein Wunder, dass inzwischen heftig darüber diskutiert wird, wer das Geld in Zukunft bekommen soll. Was also tun? Hier einige Thesen:
Medienförderung ist für eine Demokratie unerlässlich.
Ohne die „vierte Gewalt“ gibt es keinen öffentlicher Diskurs und damit keine funktionierende Entscheidungsfindung in einem demokratischen Staat. Neben Exekutive, Legislative und Judikative braucht es Medien, die durch Berichterstattung eine öffentliche Diskussion des politischen Geschehens garantieren. Die zentrale Aufgabe jeder Medienförderung ist also die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit dieser medialen Agora.
Die Trennlinie zwischen Print und Digital ist obsolet.
Derzeit profitieren ausschließlich einzelne Printversionen der Medienunternehmen von der Presseförderung. In Zeiten, in denen sich Jugendliche und junge Erwachsene fast ausschließlich nur mehr online in den politischen Diskurs einmischen, ist dies absurd. Heute lesen nur mehr ein Viertel der unter 20Jährigen täglich oder mehrmals wöchentlich die Printversion einer Tageszeitung. Zehn Jahre zuvor waren es noch fast 50 Prozent.
Die Diskussion über die Förderung von Qualitätsberichterstattung führt ins Leere.
Die politische Diskussion um die zukünftige Medienförderung dreht sich derzeit vor allem um die Frage, ob nur sogenannte „Qualitätsmedien“ oder auch reichweiten-starke Medien Förderungen bekommen sollen. Wer entscheidet, was „Qualitätsberichterstattung“ ist? Es ist nicht die Aufgabe des Staates, über die Medienförderung die Inhalte der Berichterstattung zu beeinflussen. Die Aufgabe des Staates muss es sein, die mediale Vielfalt zu garantieren. Der Medienwissenschaftler Matthias Karmasin hat dazu einen gangbaren Vorschlag gemacht. Er fordert als Mindeststandard eine Förderung nur für Medien, die an anerkannten Maßnahmen der Selbstregulierung wie dem Presserat teilnehmen und die Einhaltung professioneller Standards, also zum Beispiel Redaktionsstatuten, geregelte Anstellungsverhältnisse und einen Code of Conduct sicherstellen.
Der neue Medienminister Thomas Drozda geht in seinen ersten Vorschlägen in die richtige Richtung. Drozda will eine plattformunabhängige Medienförderung. Ihm schwebt eine "Produktionsförderung" vor, die sich an der Zahl journalistischer Arbeitsplätze orientieren soll. Diese Förderung soll den größten Teil der neuen Medienförderung ausmachen. Dazu will er eine "Digitalisierungs-förderung", die noch nicht ausgearbeitet ist und eine Förderung für Ausbildung und Weiterbildung der Journalisten, z.B. über die Förderung von journalistischen Akademien. Das ist genau der richtige Ansatz.
Denn wer Journalisten fördert, fördert Meinungsvielfalt.
Wer die derzeitige Praxis in den Redaktionen kennt, weiß, dass niemanden, auch den oft beschimpften Boulevard-Medien und Online-Portalen nicht, der Wille zu journalistischer Sorgfalt und sauberer Berichterstattung fehlt. Was fehlt, sind die Journalisten. In den letzten 10 Jahren sind z.B. die Wirtschafts-redaktionen in einer Art und Weise auf Grund des Kostendrucks ausgedünnt worden, dass die Redaktionen ihre eigenen Qualitätsansprüche nur mehr durch die freiwillige Selbstausbeutung einzelner Journalisten gewährleisten können. In Österreich fehlt es nicht an der Vielfalt der Medien, es fehlt an gut ausgebildeten Journalisten, die von ihrer täglichen Arbeit auch leben können. Jeder Euro, der in die Schaffung einer Redakteurs-Stelle investiert wird, ist tatsächliche Förderung der Meinungsvielfalt. Wenn also jemand einen journalistischen Arbeitsplatz schafft, sollte er Anspruch auf Medienförderung haben. Die Zahl der Arbeitsplätze ist dabei kein Kriterium. Ein Online-Medium, das die Qualitätsmindest-Standards einhält, und nur einen oder zwei Arbeitsplätze hat oder ein Magazin, das einen Journalisten einstellt, sollte genauso förderbar sein wie eine der bislang geförderten Tageszeitungen. Den Rest reguliert der freie Markt der Meinungen.
Info-Kasten: Im Rahmen der besonderen Förderung zur Erhaltung der regionalen Vielfalt der Tageszeitungen erhält "Die Presse" 769.228,60 Euro, „Der Standard“ 729.155,70 Euro, das "Neue Volksblatt" 607.575 Euro, die "Neue Vorarlberger Tageszeitung" 592.483,10 Euro und das "WirtschaftsBlatt" 543.556,60 Euro. Über die Vertriebsförderung bekommen "Kronen Zeitung", "Kleine Zeitung", „Der Standard“, "Oberösterreichische Nachrichten", "Salzburger Nachrichten", "Tiroler Tageszeitung", "Vorarlberger Nachrichten" und "Neues Volksblatt" je 190.718,20 Euro, "Kurier", "Die Presse" und "Neue Vorarlberger Tageszeitung" je 152.574,50 Euro. An das "WirtschaftsBlatt" gehen 114.430,90 Euro. „Österreich“ geht trotz Ansuchen leer aus. Die KommAustria hat abgelehnt, da laut Gesetz nur Tages- oder Wochenzeitungen, die "vorwiegend im freien Verkauf oder im Abonnementbezug erhältlich" sind, förderungswürdig sind. Die eigentliche Presseförderung findet jedoch über die Informationspflicht öffentlicher Einrichtungen statt. Laut APA geben Regierung und öffentliche Stellen pro Jahr über 200 Millionen Euro für Werbung und Inserate aus. Der Großteil dieser Mittel geht naturgemäß in die Medien mit großer Reichweite.