Kennst du das Land, wo die Gabionen blühen?
Gewiss, Deutschland ist nicht das Land der Pflanzer und Gärtner.
Da kann man uns scheinbar noch so viele bunte Bundesgartenschauen als Reizpunkte in die Landschaft ballern. Was man seit einiger Zeit in deutschen Vorgärten geboten bekommt, ist allerdings die Verhöhnung der pflanzlichen Lebensform.
Ein teutonischer Vorgarten scheint heute erst dann als schick zu gelten, wenn er aussieht wie eine Teststrecke für den Mars-Rover.
Dort, wo früher wenigstens eine grüne Klon-Armee von Lebensbäumen das Auge botanisch langweilten, stellt der moderne Hausbesitzer heute optisch gern das West-Berlin in den Grenzen von 1981 nach – und zwar vom Todesstreifen aus gesehen.
Als Prunkstück der gestalterischen Blickabwehr gilt hierbei die Gabione.
Was beim ersten Hören wie eine Pflanzenart klingt, ist nichts anderes als eine vertikal verkäftigte Geröllhalde, die das Anwesen vor Augenzeugen schützen und gleichzeitig wohl auch einer militärischen Intervention standhalten soll.
Dem herannahenden Besucher bauen sich Gabionen oftmals wie jene Brustwehrböschung auf, die seinerzeit der Ami vorgefunden haben muss, als er den Strand der Normandie stürmte. Einziger Unterschied: heute fehlen die Schießscharten – zumindest noch.
Im Vergleich zur militärisch angeordneten Konifere vergangener Tage muss der Drahtschotterkasten als schwerer archaischer Rückschritt gewertet werden, den man sich nur dann schön reden kann wenn man zu faul oder zu blöd ist, eine Mischhecke oder Sträucher zu pflegen.
So reüssiert die oftmals selbsterbaute Gabione mittlerweile im gesamten Land als Stein der ganz Weisen. Im Ausland ist die Massensteinhaltung für den Privatbereich dagegen noch nicht so negativ ins Auge gefallen, was auch wieder tief blicken lässt.
Der deutsche Basalt-Cowboy legt noch einen drauf
Es ist geradezu bezeichnend, dass hierzulande bei der Frage der Gartengestaltung nicht mehr die Gärtnerei sondern der Baustoffhandel aufgesucht wird. Dort lacht man sich bestimmt scheckig, wenn wieder mal ein Kleingrundbesitzer eine Fuhre Schutt im Draht für den Vorgarten bucht, um seine eigene Mondlandschaft aufzupeppen.
Das Ergebnis ist dann derartig unwirtlich, dass es gar nicht wundert, wenn sich im Gelände höchsten noch Assel und Steinlaus „Gute Nacht“ sagen.
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Insgesamt zeigt sich das moderne, deutsche Neubaugebiet als ein Eldorado für Leute, die sich an Kies und der schnöden Waschbetonplatte nicht satt sehen können. Menschen, denen das Herz aufgeht beim Anblick von großen Granitkugeln und Betonpalisaden, und die dahin schmelzen, wenn ihnen ein japanischer Terracotta-Drache neckisch Rücken und Kopf aus dem Kies zur Begrüßung entgegenreckt.
Nicht selten warten jene Steinwüsten mit derart viel Kies auf, wie es auch abseits der anspruchvollsten Formel-Eins-Strecken nicht zu finden ist. Als würde einem das eben nicht schon genug Steine in den Weg legen, der deutsche Basalt-Cowboy legt noch welche drauf.
Eine gewisse Schizophrenie des germanischen Häuslebauers wird allerdings bei einem Blick nach hinten raus offenkundig, wo man gerne mal versucht, auf 50 m2 Gartenfläche Michael Jacksons Neverland-Ranch nachzustellen, damit der gepuderte Nachwuchs nicht in die peinliche Verlegenheit kommt, den öffentlich angelegten Abenteuerspielplatz zwei Straßen weiter frequentieren zu müssen.
Rasenflächen und Pflanzen bleiben ohne Chance gegen Schaukel, Spielhaus, Trampolin und Swimmingpool. Hauptsache, die kleinen Geldsauger sind abends schön müde und somit pflegeleicht.
Statt aber den hyperaktiven Nachwuchs über die Toys ´R´ Us-Kampfbahn jagen zu lassen, könnten Eltern ihre Brut auch zur guten, alten und ertragreichen Gartenarbeit heranziehen, damit abends Ruhe im Karton ist.
Nebenbei würden die angehenden Youtuber und Blogger wieder lernen, dass man Apple auch an Bäumen finden kann.
Somit hätten dann alle gewonnen, die Eltern, die Kinder und nicht zuletzt die gesteinigte Natur.
Stoppen wir also die Gabionisierung des Abendlandes!
Retten wir den Garten!
Weil, ganz ehrlich, ich bin es so leid wie Steine kloppen.