Was kommt. Was bleibt.

Was kommt. Was bleibt.

Mit 2024 bin ich fertig. Also fast. Und 2025 wird sicherlich ähnlich spannend, bewegt und herausfordernd werden. Für uns alle. Was können wir erwarten? Und was wünschen wir uns?

Ich fang' einfach mal an: Ich wünsche mir endlich wieder einen realistischen Investitionswillen in digitale Technologien in der deutschen Wirtschaft, vom KMU bis zum Konzern. Vor allem wünsche ich mir, dass man in echten Problemlösungen investiert und nicht in Dinge, die man „halt so macht“ oder die gerade angesagt sind. Ich wünsche mir auch, dass viel mehr Menschen sich aktiv mit Daten, mit KI, damit, wie beides untrennbar zusammenhängt und auch mit dem Schutz vor allem der eigenen Daten beschäftigt. Denn damit schaffen wir vielleicht wieder einen kleinen Schritt mehr heraus aus dem digitalen Drittweltsektor und hinein in die Weltgesellschaft, zu der wir ja eigentlich gehören wollen. Nicht nur als Exportweltmeister, sondern vor allem auch als mündige Weltbürger. Außerdem wünsche ich mir für Deutschland einen vernünftigeren Umgang mit dem Unternehmertum. Innovation und Wachstum kann nur da stattfinden, wo man die Meckerer von gestern links liegen lässt und sich stattdessen auf die Macher von heute und morgen konzentriert. Dem sollten Wirtschaft, Politik und Gesellschaft Rechnung tragen.

Was erwarte ich? Nun, da sind zunächst einige Dinge im Sektor KI, die ich erwarte. Ich denke, wir werden im kommenden Jahr einiges bodenständiges abseits von großen Sprachmodellen und generativer KI erleben. KI wird, auch in Deutschland, zum Teil des Arbeitsalltags werden. Assistenzsysteme werden uns vielerorts begleiten und diejenigen, die sich darauf einlassen, deutlich produktiver werden lassen. Ein Grund mehr, dass alle sich mit dem Thema beschäftigen sollten.

Was werden wir noch sehen? Wir werden sehen, dass agentische KI nicht die nächste technologische Revolution sein wird. Agenten werden ihre Nische und ihre Bedeutung finden, aber kaum darüber hinaus reichen. Warum? Weil das keine bloße Frage der Leistungsfähigkeit ist und dasselbe Konzept schon mehrfach in der Vergangenheit nicht punkten konnte. Und weil viele Anwendungsfälle, die vielleicht jemand sehen mag, auch in den Regulatorien des AI Act stecken bleiben werden (was nichts Schlimmes ist, sondern besser gut für alle Betroffenen).

Apropos AI Act, der tritt in seiner ganzen Schärfe im nächsten Frühjahr bzw. nächsten Sommer in Kraft. Für Anbieter von generativer KI dürfte das noch einmal spannend werden. Ich würde auch davon ausgehen, dass wir im nächsten Jahr sehen werden, dass erste Datenschutzklagen gegen KI-Ersteller und -Betreiber eingehen werden. Und nicht nur das, global werden wir vor allem sehen, dass der allzu frei flottierende Umgang mit urheberrechtsgeschütztem Material so manches KI-Unternehmen teuer zu stehen kommen wird. Vielleicht sogar so teuer, dass die absurde Investitionslawine in die KI-Industrie etwas abebbt und der Hype endlich einem erwachsenen Umgang mit generativer KI weicht.

Wir werden natürlich auch wieder von phänomenalen Durchbrüchen und dem angeblichen Erreichen von selbst denkender (AGI) hören. Aber, wie schon dieses Jahr, wird dies auch im kommenden Jahr vor allem sehr viel Bühnenmagie und fantasievolle Auslegung von Fachbegriffen sein. Untermalt mit Benchmarks, deren Ausdruckskraft ebenso imposant wie für den Realeinsatz unbedeutend sein wird. Hier bleibt also alles beim alten, wie 2024. Es bleibt aber zu hoffen, dass die Menschen dem ganzen Quatsch weniger Glauben schenken. Obwohl, allein schon den o3-Hype der letzten Tage betrachtend – vielleicht passiert das auch nicht.

Auch personell werden sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiter warm anziehen müssen. Der digitale Fachkräftemarkt wird auch 2025 weiterhin in Bewegung bleiben. Das sehr voreilige Ablösen von IT-Fachkräften durch KI sowie die das Überangebot an (übrigens meiner Meinung nach eher schlecht qualifizierten) Fachkräften in diesem Sektor werden sich wieder etwas austarieren. Unternehmen werden erneut feststellen müssen, dass Qualität Geld kostet, und dass ein Heer eher mauer Fachkräfte selbst im Zusammenspiel mit KI keine nachhaltig brauchbaren Ergebnisse liefert. Oh, und dass KI vielleicht Coden kann, aber nicht unbedingt Hard- und Software entwickeln und betreiben.

Dass Compliance und Regulierung richtig viel Geld kosten, wenn man sie nur lange genug ignoriert hat, weil's einem „zu teuer“ war.

Trotzdem sollten sich IT-Spezialist:innen und Softwareingenieur:innen weiterbilden und gut vorbereiten. Wer denkt, Themen wie Low Code und KI-Assistenz im eigenen Job ausblenden zu können, wird es zunehmend schwerer haben. Das gilt im Übrigen auch für Analysten und Projektmanager, denen moderne Tools noch sehr viel mehr Arbeit abnehmen werden. Überflüssig wird dadurch kaum jemand – Menschen meidende Codemonkeys und effektivitätsneutrale Ticketschubser mal außen vor gelassen. Aber die können wir uns eigentlich auch heute schon längst nicht mehr leisten.

Diese Entwicklungen werden Wellen schlagen, horizontal und vertikal. Denn mit der Produktivitätssteigerung, die uns ja angeblich in Deutschland so fehlt, kommen nicht nur die direkten Wertschöpfer physischer und digitaler Produkte unter Zugzwang. Wer hochproduktiv sein will, braucht gute und digital versierte Führungskräfte (bis in die Chefetage), einen Vertrieb, der auf Zack ist und eine Personalabteilung, die alles zu koordinieren und stetig weiterzuentwickeln weiß.

Gerade im Führungsbereich sind wir da meiner Meinung nach noch sehr schlecht aufgestellt, ob sich das aber zügig ändern wird, ist natürlich zu bezweifeln. Die fehlende strategische Produktivität auf der Führungsebene werden eben diese Führungskräfte mit fortschreitender Digitalisierung und der Produktivtätssteigerung der Angestellten aber im Gegensatz zu heute nicht mehr verstecken können. In den Unternehmen, die die Abwärtsspirale verlassen wollen, wird es auch zu personellem Kahlschlag in den mittleren und oberen Hierarchieebenen kommen müssen. Denn nur dann kommt die Produktivität aus dem Operativen auch dort an, wo sie hingehört – beim Kunden; der an dieser Stelle übrigens auch Bürger:in sein darf, denn für den öffentlichen Sektor gilt das alles im selben Maße.

Das alles könnte passieren. Einiges davon sollte besser passieren, damit endlich Bewegung kommt. Die bringen nämlich weder Scholz noch Habeck noch Merz nach Deutschland, sondern wir alle!

Und jetzt schön beschauliche Feiertage und einen guten Rutsch euch allen.


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