Too much information
Eigentlich ist es schon ziemlich erstaunlich, dass du das hier liest.
Denn selbst wenn du eine bemerkenswerte Selbstbeherrschung an den Tag legst, du hattest wahrscheinlich bis hierhin heute schon ein gutes Dutzend verschiedene Apps und Applikationen vor der Nase, die dich mit #Informationen überschüttet haben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist das hier mindestens das zweite soziale Netzwerk, das du heute besuchst, und das vielleicht auch nicht zum ersten Mal an diesem Tag. Du hast wahrscheinlich schon heute mehr Wörter gelesen als an so manchem Tag deines Studiums.
Vieles davon im Autopiloten. Weil es sowieso nicht wichtig ist. Weil du nach dem scannst, was du eigentlich wissen wolltest oder was dich interessiert. Und was mit hoher Wahrscheinlichkeit trotzdem, nur rudimentär erfasst, der gescrollten sekündlichen Aufmerksamkeitsspanne zum Opfer fällt.
Unser Alltag ist voller Informationen, und das meiste davon ist Müll. Jetzt sind wir im KI-Zeitalter angekommen, und es kommt noch einmal exponentiell mehr Müll dazu. Auf jedes Foto, das du siehst, kommen 5–10 KI-generierte Bilder. Jeder intelligente Kommentar, den du liest, wird umringt von KI-generierten generischen Antworten. Dein E-Mail-Postfach quillt über mit Benachrichtigungen, und deine Aufgabenliste ist ein einziges Chaos.
Wie gut, dass es moderne Tools gibt, die Ordnung in das Chaos bringen. KI sortiert unsere Kalender und Todo-Listen, fasst uns längliche Artikel zusammen und generiert wunderbare Kennzahlen aus komplexen Vorgängen. Ein Blick auf unser Dashboard, und wir wissen, was Sache ist. Was dran ist. Super, das spart Zeit. Da kann man ja gleich nochmal eben bei Insta hereinschauen, man ist ja eh fast schon fertig …
Ist das wirklich die Lösung für die Informationsflut? Dinge auszublenden? Komplexität zu verringern? Alles schön im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie auszurichten? Ja, das kann helfen, aber seien wir einmal ehrlich, eigentlich ist das nur Symptombekämpfung. Und nicht nur das, wir bekämpfen diese Symptome oft genug nur, um sie durch gleichartige Symptome zu ersetzen.
Im Kahnemannschen Sinne tun wir alles, um unser bequemes Denksystem 1 überhaupt nicht mehr verlassen zu müssen. Ja, wir halten sogar die Fahne dafür hoch. Wir leben in der Aufmerksamkeitsökonomie – die will bedient werden. Unsere Arbeit muss mit Aufmerksamkeit vergolten werden!
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Aber ist es überhaupt noch unsere Arbeit? Und wie sehr schätzen wir sie selbst wert, wenn wir ihr selbst keine Aufmerksamkeit mehr schenken?
Zusammenhänge verdienen es, verstanden zu werden. Long-reads (was für ein Begriff!) guter Autoren verdienen es, gelesen zu werden. Probleme verdienen unseren Verstand, Herausforderungen verdienen unsere Energie. Menschen, die uns wichtig sind, deren Bedürfnisse uns wichtig sind, verdienen unsere Aufmerksamkeit. Diese Dinge verdienen unser Denken nach System 2.
Die Frage sollte also nicht sein, wie ich mich in System 1 halte, sondern welche Werkzeuge mich motivieren, System 2 zu benutzen. Welche Tools halten Informationsmüll von mir fern? Welche Werkzeuge erlauben mir ein tieferes Verständnis komplexer Zusammenhänge, anstatt diese vor mir zu verbergen.
Auch das kann Technologie leisten. Es bringt nur nicht schnelles Geld. Denn Geld verdient man heutzutage mit Aufmerksamkeit und Daten. Wer beides bei sich behält, wird damit unattraktiv.
Trotzdem brauchen wir solche Lösungen. Allein schon, um der ungewollten Informationsflut Herr zu werden. Soll die KI doch den ganzen KI-generierten Content verarbeiten. Nicht ich. Soll die KI doch Deep Fakes kennzeichnen oder gar aussortieren, damit mein kritisches Denken nicht völlig überfordert wird.
Bleibt das aus, dann haben wir meiner Meinung nach ein Problem. Dann wird KI die menschliche Intelligenz tatsächlich bald überflügelt haben. Nicht, weil sie immer „klüger“ wird. Sondern weil wir verlernen, unsere Intelligenz wirklich zu nutzen. Nicht nur, weil das wunderbar bequem ist. Sondern weil uns auch immer Chancen genommen werden, unseren eigenen Intellekt wirklich zum Einsatz zu bringen.
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1 Monat💪 War das jetzt schon ein „long read“?