Kreatives Vakuum?

Kreatives Vakuum?

In einem jüngst von mir kommentierten Post reagierte Frau Timm mit den Worten, daß das reine Weglassen von unternehmerischen Ballast alleine nicht ausreichen würde, sondern es auch [...] klare Kommunikation, wirklich offenen Austausch und wahre Dialogfähigkeit [...] benötigen würde. Diese Worte regten den hier vorliegenden Artikel an.

Selbstverständlich braucht es klare Kommunikation, wirklich offenen Austausch und wahre Dialogfähigkeit, Dinge die allzu oft im Unternehmen vermisst werden. Diese Forderung an Unternehmen heranzutragen, ist eine Selbstverständlichkeit, ebenso wie es eine Selbstverständlichkeit ist, daß Unternehmen Gesetze und andere normative Regeln einzuhalten haben. Der Forderungskatalog kann angereichert werden, bedenkt man, daß Unternehmen kundenzentriert sich zu verhalten haben, dem #ESG Rechnung zu tragen haben, den Gleichstellungsgedanken zu leben haben... und noch viele andere Dinge zu wahren haben.

Der Forderungskatalog an geschriebenen und ungeschriebenen Regeln, den Unternehmen, Manager und Mitarbeiter im Auge zu haben müssen, ist also lang und reduziert die Freiräume.

Damit stellt sich die Frage, wie eingedenk dieses Rahmens sich noch Kreativität und geistige Freiheit entfalten sollen. Wer 8 Stunden und mehr pro Arbeitstag Regeln zu erfüllen hat, kann kaum in den wenigen, freien Minuten auch noch ein Born überschäumender geistiger Freiheit und Kreativität sein - wer 8 Stunden und mehr pro Arbeitstag sich in einer "Box aus Spielregeln" befindet, wird kaum auf Knopfdruck zum eingeforderten Denken "out of the box" in der Lage sein.


Kreativität braucht Freiräume

Für dieses freie und zur Kreativität führende Denken braucht unser Verstand Zeit und Raum. Diese Zeit muss geschaffen werden. Und dies kann nach m. Dafürhalten nur dann gelingen, wenn wir Mensch und Unternehmen Zeit zum Denken geben.

Der Ansatz, den ich bevorzuge, ist das "Entrümpeln" von Unternehmen bzgl. Regeln, ungeschriebenen Gesetzen und "Verboten", denn diese führen zwangsläufig zu zeitlichen Engpässen und latenten Denkverboten. Kreeativität darf sich keine Grenzen (jenseits der Gesetze) durch die laut oder leise formulierten Sätze à la "Sowas sagt/denkt/tut man nicht!" setzen lassen. Dieses "Entrümpeln" (verankert im Unternehmen als Prozess der systematischen Müllabfuhr; siehe Malik) erzeugt zeitliche Freiräume, die unser Hirn vortrefflich dazu nutzen kann, erst einmal "in der Gegend rumzudenken". Der Geist, der ent-regelt wurde, wird im Sinne einer kreativen Langeweile bisweilen glatt Lösungen finden, die dem Unternehmen und dem Kunden zum Vorteil gereichen. Bildlich ausgedrückt: Wer im Hobbykeller neue Dinge erschaffen will, braucht Platz und darf nicht im Wust der abgestellten Dinge absaufen.

Wie lässt sich dieses Entrümpeln nun organisieren, welche Regeln gehören geprüft, durchdacht und ggf. entsorgt bzw. verändert?

Meinem Dafürhalten nach sind alle Regeln, die gesetzlich determiniert sind bzw. alle Regeln, die offensichtlich der Wertschöpfung des Kunden UND unserer Wertschöpfung dienen, sakrosankt (Gruppe 1). Dem gegenüber sind die Regeln zu stellen, die eben nicht so offensichtlich diesen Zweck unterstützen (Gruppe 2). Bei genauerem Hinsehen lässt sich jedoch das Regelkonvolut der Gruppe 2 in zwei Teilgruppen 2a und 2b unterscheiden. Dabei sei die Gruppe 2a das Sammelsurium all der Regeln, die als "heilige Kühe" bezeichnet werden können. Sie haben nicht selten identitätsstiftenden - bzw. wahrenden Charakter und sind nicht selten nur äußerst schwer zu verändern. Damit sind sie nicht zwingend das Regelbündel, welches man in den Fokus nehmen sollte, so man vorhat, Regeln zu verändern oder gar zu abzuschaffen.


Entrümpel tut Not

Und damit sind wir bei die Regeln der Gruppe 2b. In dieser findet man zumeist eine Vielzahl an Regeln, die man wenig liebevoll als Managementklimbim, Businesstheater und Ballast bezeichnen kann. Oftmals sind diese Regeln unüberprüft vorhanden, man macht es, weil man es schon immer so gemacht hat... bis man aufsteht, diese mit dem Ziel einer systematisch Entrümpelung zu überprüfen, neu zu formulieren oder gar zu entsorgen.

Fazit: Wer [...] klare Kommunikation, wirklich offenen Austausch und wahre Dialogfähigkeit [...] im Unternehmen möchte, wer zusätzlich noch Gesetzen, #ESG und anderen wichtigen Dimensionen gerecht werden will, braucht Raum und Zeit. Diesen Raum, diese Zeit, findet man nicht einfach, außer man kreiert ihn, in dem an anderer Stelle Firlefanz und Ballast entsorgt wird.

Mitarbeiter, mögen es nun Menschen in Leitungsfunktion oder ohne einen solchen Auftrag sein, wollen Freiheit und Gestalträume. Unternehmen brauchen deren kreatives Potential, um Zusammenarbeit und Wertschöpfung zu organisieren. Damit ist es unsere Aufgabe, diese Gestalträume zu erschaffen, in dem wir den Sperrmüll entsorgen.



Michael Kiesswetter

Presilienz für die Logistik | Team- und Organisationsentwicklung | Beratung

11 Monate

Zustimmung. Über die zeitlichen Freiräume hinaus, die entstehen, ist der Prozess des Infragestellens, also der Identifizierung des „Mülls“ bereits kulturbildend und kreativ. Muss man doch über Alternativen, Sinn und Nutzen von (implizieten) althergebrachten Regularien gemeinsam nachdenken. Auch für diesen Prozess benötigt man Freiraum und manches Mal auch die expliziete Erlaubnis der Führung.

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