„Lapsus Humani Generis – War der Sündenfall unser Use Case 1.0?
Anstelle der üblichen Wünsche formuliere ich nachfolgend einige Gedanken über meine Sicht auf die die zentrale Botschaft des Weihnachtsfestes. "Das Kind in der Krippe kann uns neue Erkenntnisse über unsere zentralen Fragen - Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich?" bieten. Der Bezug von Jesus zu Adam ist ein Mysterium und zugleich der Schlüssel für das sogenannte "Gute Leben" Eudaimonie, im Sinne von Aristoteles. Wenn diese stimmt, sollten wir uns auch als Ingenieure und Naturwissenschaftler zumindest grundlegende mit dem sog. Sündenfall, den ich eher als Use Case 1.0 beschreiben würde , beschäftigen.
Die Menschwerdung Gottes beginnt im Holozän
Weihnachten - oder besser die Geburt Jesus ist ein wesentlicher Bestand-teil der abrahamäischen Religionen (Judentum, Christentum, Islam). Ohne zu tief in die Theologie einzusteigen, mache ich einen Sprung in die hebräische Vorlage bei Genesis Kapitel 3, wo es um die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies geht. Jesus ist in der Interpretation des neuen Testament der neue Adam und Maria die neue Eva. Die zugrunde liegende Mythologie greift auf Quellen weit vor der Niederschrift des alten Testaments zurück. Eine oft in diesem Zusammenhang zitierte Quelle ist das Gilgamesch Epos. Das notwendige Hintergrundwissen liefert der Literaturwissenschaftler Stephen Greenblatt. Letzlich geht es ihm um den sogenannten Sündenfall, dem „Lapsus Humani Generis". Erwarten Sie bitte von mir keine moralischen und auch keine esoterische Abhandlung. Wenn Sie das Thema interessiert, empfehle ich Ihnen einen Artikel in der Neuen Züricher Zeitung Die Menschwerdung Gottes beginnt im Holozän. Jetzt fragen Sie sich sicherlich
Was hat der Sündenfall mit Weihnachten zu tun?
Nun das ist ganz einfach. Im Paradies gibt es zwei Bäume, den Baum des Lebens lignum vitae , der in Folge als "lignum crucis" Grundlage für die Auferstehung ist und der Baum der Erkenntnis lignum sapientiae boni et mali der ein Sinnbild für die Erde oder das (sterbliche) Fleisch ist. Wer Musik liebt, dem empfehle ich das Brahms Requiem "Denn alles Fleisch es ist wie Gras". Diese bittere und zugleich lustvolle Erkenntnis haben die mittelalterlichen Mystiker in ein Homonym (Teekesselchen) verwandelt. Das Böse "Malus" wird zum Apfel "Malum". Zwei phonetisch verwandte aber inhaltlich getrennte Begriffe verschmelzen und zeigen, wie wenig wir unserer sinnlichen Wahrnehmung trauen dürfen, wenn es um die Frage von gut und böse geht. Die Allegorie des Apfels ist sozusagen die Ursuppe der Mythologie. Vielleicht überrascht es sie nicht. Die roten Kugeln im Weihnachtsbaum sind Äpfel und der Baum selbst steht für den Baum des Lebens aber auch des Leidens. Der immergrüne Baum ist letzlich dazu verdammt im Kompost zu landen. Die harmlosen Putten sind Abbilder des Erzengels Gabriels, der nach islamischer Auffassung Sure 2:97 Mohammed den Koran überbracht hat. Die Sünde ist, wenn man genauer hinschaut, der Drang des Menschen, sich von einem übermächtigen (und zum Teil auch gewalttätigen) Gott zu emanzipieren. Jetzt wird es spannend, denn jetzt vermischen sich die Mythologien.
Warum bietet die Begleiterin von Äskulap - die Äskulapnatter Eva die Frucht des Baumes der Erkenntnis an?
Äskulap war der Sohn von Apollon (Gott des Lichts und der Heilung) und der thessalischen Fürstentochter Koronis. Er wurde er von Zeus mit einem Blitz erschlagen, weil er sich erdreistet hatte, dem Willen der Götter entgegenzuwirken. Sein Symbol ist der Äskulapstab ein von einer Schlange umwundener Stab. Asklepios ist der Sohn des Apollon und der Koronis, der Tochter des Königs Phlegyas. Koronis wurde von Apollons Zwillingsschwester Artemis getötet, weil sie sich, nachdem sie bereits von Apollon schwanger war, mit einem Sterblichen einließ. Als ihre Leiche auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, näherte sich Hermes und schnitt den ungeborenen Äskulap aus ihrem Mutterschoß. Hermes brachte ihn zum heilkundigen Kentaur Cheiron, der das Kind aufnahm und in der Heilkunst unterwies, welche er einst selbst von Apollon gelernt hatte. Ob nun aus göttlicher Eingebung oder als meisterlicher Arzt, er beherrschte die Heilkunst wie kein anderer. Mit den magisch heilsamen Kräften des Blutes der Gorgone Medusa, welches ihm Athene brachte, gelang es ihm sogar, einen Toten wieder zum Leben zu erwecken. Mit der Wiedererweckung eines Toten hatte er seine Befugnisse überschritten. Hades beschwerte sich energisch bei seinem Bruder Zeus über ihn. Letzterer fürchtete, dass bald kein Mensch mehr sterben würde. Er schleuderte daraufhin einen Blitz auf Asklepios und tötete diesen. Asklepios soll zu seinen Lebzeiten, bei Wanderungen oder auf dem Weg zu Kranken, immer eine Äskulapnatter dabei gehabt haben, die sich um seinen Wanderstab ringelte. Einige Darstellungen zeigen sogar die Verehrung von Asklepios selbst in Schlangenform. In den griechischen Heiltempeln, die dem Gott Asklepios geweiht waren, wurden Schlangen gehalten. In vielen Kulturen weltweit wurden Schlangen mit Göttern in Verbindung gebracht. Seit Menschengedenken gilt die Schlange als ein bedeutendes Wesen; so entwendet etwa der Gottkönig Gilgamesch im gleichnamigen Epos einer Schlange das lebensspendende Zauberkraut. Im Altertum wurde sie schließlich zum Symbol der Heilkunde. Bezogen auf die Entwicklung der Menschheit spielt die Medizin sicherlich eine zentrale Rolle. Beispielsweise hat erst Alexandre Yersin am 20. Juni 1894 nach der Pestpandemie in Indochina den Bazillus "Yersinia pestis" entdeckt, isoliert und der Pest zugeordnet. Allein im Mittelalter war die Pest die gefährlichste Infektionskrankheit in Europa und forderte während der Seuchenwelle von 1347 bis 1352 mehr als 25 Millionen Todesopfer; rund ein Drittel der Bewohner Europas. Wie hat Zeus wohl die Entdeckung von Alexandre Yersin bewertet?
Der Quanten-Sprung in die Moderne
Von der mythologischen Sicht wage ich nun einen Sprung in die Moderne. Ich benutze bewusst das Wort Quantensprung mit Bezug auf die Erkenntnisse von Physikern wie Heisenberg und Einstein. Sind das vielleicht die Äskulaps unserer Zeit? Auf jeden Fall stellen sie Zeit und Raum in Frage und konfrontieren uns Kinder des Apollon mit Erkenntnissen wie der Stringtheorie. Laut Prof. Dr. rer. nat. Harald Lesch ist die Stringtheorie so etwas wie eine Zauberkugel. Und da ist es wieder - dieses Bild der Kugel, das die Kaiser als Reichsapfel in der Hand halten. Als Bürger der Stadt Frankfurt ist mir die Moderne Dialektik der Aufklärung von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno bekannt. Im Jahr 1944 begründeten sie die Kritische Theorie der sogenannten Frankfurter Schule. Sie unterzogen den Vernunftbegriff der Aufklärung einer radikalen Kritik und formulierten die These, dass sich bereits zu Beginn der Menschheitsgeschichte mit der Selbstbehauptung des Subjekts gegenüber einer bedrohlichen Natur eine instrumentelle Vernunft durchgesetzt habe, die sich als Herrschaft über innere und äußere Natur befestigte. Ausgehend von diesem „Herrschaftscharakter“ der Vernunft beobachteten Horkheimer und Adorno einen Aufschwung der Mythologie, die Rückkehr der aufgeklärten Zivilisation zur Barbarei in der Wirklichkeit, welche sich in der gegenwärtigen Gesellschaft auf unterschiedliche Weise manifestiere.
Der Sündenfall als Use Case
Aus Sicht der Normung und Standardisierung bündelt ein Anwendungsfall (Use Case)alle möglichen Szenarien, die eintreten können, wenn ein Mensch versucht, mit Hilfe der ihm zur Verfügung stehenden Mittel (System) ein von ihm bestimmtes Ziel zu erreichen. Der Use Case beschreibt, was inhaltlich beim Versuch der Zielerreichung passieren kann und abstrahiert von konkreten technischen Lösungen.
Der Kosmos weist nicht nur die üblichen drei, sondern neun oder sogar zehn Raumdimensionen auf
Eva unterstützt Adam. Sie besitzt die Fähigkeit aus dem Besonderen das Allgemeine zu entnehmen, was wir als induktives Denken beschreiben. Ihr Abstraktions-vermögen verbindet sie mit der Attitüde einer moderne begehrenswerten Frau, die mithilfe der Schlange Adam den Blick für ihr gemeinsames (Über) Leben öffnet. Ihre Welt ist nicht dualistisch und weder gut noch böse. Vielmehr stehen Adam und Eva im Spannungs-bogen ihrer Vergänglichkeit und den offenen Grenzen der Unendlichkeit. Auch wir kennen dieses Gefühl, und sei es nur, wenn es sich um unbestimmte Ausdrücken (wie z.B. Eins geteilt durch Null) handelt. Wir lernen gerade, dass unser Kosmos nicht nur die üblichen drei, sondern neun oder sogar zehn Raumdimensionen aufweist. Die Stringtheorie führt uns zu einem vollständigen Modell ohne freie Parameter, das als M-Theorie bekannt, aber noch weitgehend unverstanden ist. Hierbei steht ‚M’ für Matrix, Membran, magic oder mystery, je nachdem welchen Aspekt man hervorheben möchte. Die Bibel würde die String Theorie als die Helix einer sich um den Erkenntnisbaum windenden Schlange beschreiben, ein geheimnisvolles Wesen, das uns aus den einfachen Grenzen unserer Naivität führt (und deshalb gefährlich ist?).
Die Analogie der Elektrotechnik und Informationstechnik
Wem dieser geistige "Höhenflug" zu weit geht, biete ich ein wesentlich einfacheres Bild an. Die sich um den Erkenntnisbaum windende Schlange hat definitiv Ähnlichkeiten mit einer Spule und steht somit elektrotechnisch für Induktivität (L) und die Erzeugung eines Magnetfeldes. Ist das nicht ein schönes Bild für den heiligen Geist "Spiritus Sanctus"? Adam und Eva nehmen sowohl die Energie des Lebensbaumes als auch des Baumes der Erkenntnis auf. Sie bilden funktional einen Kondensator (C), der ein elektrisches Feld erzeugt. Der Baum des Lebens ist ihre Batterie. Das sieht für mich wie ein Schwingkreis aus, den wir z. B. aus der Nachrichtentechnik kennen. Das Ersatzschaubild des elektrischen Schwingkreises können Sie der Literatur entnehmen. Mathematisch lässt sich das Verhalten von Adam und Eva im unerregten Zustand (also vor dem Rausschmiss) mit der Laplace Gleichung beschreiben, die als Feldgleichung zur Bestimmung des Potentials φ wirbelfreier Vektorfelder v = grad φ in Gebieten angewendet werden kann, die keine Quellen der Felder enthalten (div v = 0). LC Glieder kennen wir aus der Nachrichtentechnik als Tief- oder Hochpass-Filter. Wenn also die Kommunikation zwischen Gott als Prinzip des Werdens- und Vergehens (Amplitude, Frequenz eines Energiefeldes) und einem nicht linearen Istwert Geber (Spule) abgebildet wird, ist der Schwingkreis (resonant circuit) eine Allegorie für die Freiheit menschlichen Handelns.
Künstliche Intelligenz (KI) ist die moderne Frucht des Baumes der Erkenntnis
Viele kritische Stimmen befassen sich heute mit der Frage nach der Freiheit des Menschen, wenn es um die moralische Dimension des Fortschrittes geht. Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, hat mit Blick auf das Voranschreiten der Künstlichen Intelligenz (KI) zu mehr klassischer Bildung aufgefordert. Die Bibel, Goethes "Faust", Mathematik und Logik, zwei Fremdsprachen, Musik und Sport seien wichtiger als bereits nach einigen Monaten veraltete Programmiersprachen. Das, glaube ich, brauchen wir mehr denn je, umso komplexer die Welt wird." Dieser Auffassung schließe ich mich an. Gerade in der Weihnachtszeit haben wir die Gelegenheit dazu, über das Leben und unsere Rolle im Kosmos nachzudenken.
Wenn Sie an einer Diskussion mit mir interessiert sind, erreichen Sie mich unter meiner E-Mail Adresse christian.gross@vde.com.
Frohe Weihnachten und eine "Gute Zeit" für Sie, Ihre Partner und Ihre Familien.
Ihr Christian Groß
Der Analytiker
2 JahreEs freut mich wahrlich, 'hier' auf ein solches 'Werk' zu stoßen - Danke dafür. Hierzu möchte ich Ihnen, gemäß diesen engen Raumes, ein paar kurzgefaßte Worte entgegen bringen. Horkheimer und Adorno bin ich gegenwärtig mit erstaunen am lesen. Des Wesens Kern im Erstteil, daß jegliche Aufklärung zur Verwerfung derer führen, basiert darauf, daß die Sinne (gemäß dem erfahrenden Sein), keine Begründungen und Erklärungen liefern und dies ein reines Geisteswerk ist. Im 18. Jh. (Descartes/Wolff, Locke, Kant, Schopenhauer) gelangte es zur Aufklärung, daß der Sinne, des Geistes und der Sprache Bildnisse substanziell andere sind und das Eine im Anderen nicht in Erscheinung treten kann. Des Wesen Kern, zu welchem ich darüber hinaus gelangt bin, besteht darin, zu erkennen, worauf unsere etablierte und vom Latein übernommene künstliche Sprache beruht. Das Substantiv, welches im Dialekt nicht existierte (wie auch nicht die Gegensatzworte!), beruht auf einer Objektivität, welche das Subjekt nicht enthält (Ursprung: Parmenides). Das Elementare hierin ist der Wandel. Die Sinneswahrnehmung vollzieht sich über das Licht (Euklid), wohingegen man im Verbund mit diesem Sprachwandel, einzig DAS erachtet, WAS über die Lichtreflektion hervortritt.