Legal Bits - Gesellschafterausschluss und Syndikatsvertrag
OGH: Einstweilige Verfügung gegen Gesellschafterausschluss zulässig
In der gesellschaftsrechtlichen Praxis ist es üblich, als Ergänzung zu den Regelungen des Gesellschaftsvertrages schuldrechtliche Nebenvereinbarungen über die Ausübung des Stimmrechtes in der Gesellschaft sowie zur Vereinbarung einer weitergehenden Corporate Governance abzuschließen. Diese Vereinbarungen werden als Syndikatsvertrag (Shareholders' Agreement) bezeichnet.
In jüngster Vergangenheit hatte der OGH über die Auslegung eines solchen Syndikatsvertrages zu entscheiden (siehe OGH 25.02.2022, 6 Ob 211/21d). In diesem Fall war vertraglich unter anderem vereinbart, dass die Mehrheitsgesellschafterin Geschäftsanteile nur dann übertragen und Strukturänderungen bzw Umstrukturierungen nur dann vornehmen darf, wenn die Minderheitsgesellschafterin zustimmt. Einige Umstrukturierungsmaßnahmen (Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung) waren im Syndikatsvertrag demonstrativ genannt.
In weiterer Folge strebte die Mehrheitsgesellschafterin einen Ausschluss der Minderheitsgesellschafterin (Squeeze-out nach § 1 GesAusG) an. Daraufhin beantragte die Minderheitsgesellschafterin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung ihres Anspruches auf Unterlassung des Gesellschafterausschlusses.
Der OGH entschied wie folgt: Der drohenden Verletzung eines Syndikatsvertrages kann mit vorbeugender Unterlassungsklage begegnet werden. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kann dieser Unterlassungsanspruch auch mittels einstweiliger Verfügung gesichert werden (RIS-Justiz RS0117682).
Im vorliegenden Fall sah der OGH den Unterlassungsanspruch als ausreichend bescheinigt an. Wie auch Verschmelzung, Spaltung und Umwandlung ist der Gesellschafterausschluss eine Strukturmaßnahme. Eine Regelung, die für die Übertragung von Geschäftsanteilen und für Umstrukturierungen eine Zustimmung der Minderheitsgesellschafterin vorsieht, kann redlicherweise nur so verstanden werden, dass diese auch nicht ohne ihre Zustimmung aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden darf.
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Aufgrund des drohenden unwiederbringlichen Schadens aus einem Gesellschafterausschluss waren nach Auffassung des Gerichtshofes auch die Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung gegeben. Die Minderheitsgesellschafterin konnte ihren Ausschluss also (vorerst) verhindern.
Die Entscheidung zeigt einmal mehr die Möglichkeiten aber auch die weitreichenden Konsequenzen der vertraglichen Gestaltung von Gesellschaftsstrukturen auf. Die sorgfältige und vorausschauende Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen von Gesellschaften ist sowohl im laufenden Geschäftsbetrieb als auch im Konfliktfall entscheidend.
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Rechtsanwalt - Attorney at Law // Corporate Law and Commercial Litigation
2 JahreDer neue Beitrag der Legal Bits wurde wieder zusammen mit Maximilian Eder geschrieben. bkp Rechtsanwälte