LGBTQ+ Pride geht uns alle an
Viele meiner tollsten Kollegen und viele meiner besten Freunde sind nicht heterosexuell, sondern schwul, lesbisch oder bi. Ich persönlich habe mir lange keine Gedanken darüber gemacht – vielleicht, weil ich in einem Umfeld arbeite, in dem es keine wirkliche Rolle zu spielen scheint, welche sexuelle Orientierung oder Identität man hat. Für mich war der Idealzustand lange der, dass man über LGBTQ+ überhaupt gar nicht mehr reden muss. Denn: wer drüber redet, manifestiert, dass es da einen Unterschied gibt, richtig?
Nein! Vor Kurzem hat mein Kollege Dirk in einem Blogpost geschrieben: „Ja, ich muss mich oft überwinden, um als LGBTQ+ meine sexuelle Orientierung im Arbeitsumfeld offen zu zeigen.“ Ein Satz der mich überrascht, traurig und wütend macht. Wie kann es sein, dass wir im Jahr 2019 noch immer keine Arbeitswelt haben, in der jeder ganz bedenkenlos so sein kann, wie er ist?
Ohne Zweifel: Auf gesellschaftlicher Ebene hat die LGBTQ+ Community in den letzten Jahren und Jahrzehnten unglaubliche Veränderungen erreicht. Und jedes Jahr wenn wir Pride feiern, erleben wir ein farbenfrohes Fest der Freude und Liebe. Auch in der Arbeitswelt hat sich für die LGBTQ+ Community einiges getan: Eine aktuelle Studie, die wir gemeinsam mit YouGov durchgeführt haben, hat durchaus ermutigende Ergebnisse geliefert. So haben wir herausgefunden, dass 85 Prozent der Befragten davon überzeugt sind, dass es dem Unternehmen, in dem sie arbeiten, wichtig ist, ein diverses und inklusives Arbeitsumfeld zu bieten. Dies führt unter anderem auch dazu, dass zwei Drittel der Umfrageteilnehmer mit ihrer Identität und Sexualität ganz offen umgehen können. Das klingt doch gut, oder?
Jeder Fünfte wurde schon am Arbeitsplatz diskriminiert
Wie die Studie allerdings ebenfalls zeigte, hat fast jeder Fünfte schon Erfahrungen mit Diskriminierung am Arbeitsplatz machen müssen. Dazu gehört etwa, dass sie Zielscheibe von Witzen oder sexualisierten Kommentaren wurden (fast 50 Prozent der von Diskriminierung Betroffenen), eine Veränderung des Teamzusammenhalts oder gar Ausgrenzung erleben (28 Prozent), aber auch psychische Gewalt (28 Prozent) und verbale Gewalt (24 Prozent) erleiden. Zwölf Prozent aller Befragten geben an, aufgrund von Diskriminierung oder Benachteiligungen schon einmal den Arbeitsplatz gewechselt zu haben, weitere vier Prozent sogar mehrfach.
Diese Zahlen sind sicher nicht mehr so hoch, wie noch vor zehn oder 15 Jahren. Dennoch macht es mich traurig zu lesen, wenn mein Kollege schreibt, dass er bei jeder Frage nach einer Freundin erst einmal überlegt, wie offen er mit seiner Sexualität umgehen kann und ob er Nachteile befürchten muss.
Gerade in den letzten Tagen haben wir sehr viele tiefschürfende Berichte auf LinkedIn gesammelt, die interessante Perspektiven aufzeigen, wie sich #OutAtWork im Jahr 2019 in Deutschland eigentlich wirklich gestaltet. Folgende Artikel kann ich wärmstens empfehlen:
- Eva Kreienkamp // „LGBTIQ* am Arbeitsplatz im Wandel der Zeit – Eine Bestandsaufnahme“
- Ralph Breuer // Jobeinstieg: Back into the closet?
- Kai Werner und Holger Reuschling // Out at work - die Erfahrungen von Holger Reuschling und mir
- Stuart B. Cameron // I’m Gay. What’s your Superpower?
Je mehr Gedanken ich mir über das Thema mache, desto mehr bin ich der Meinung, dass Pride erstens uns alle etwas angeht – Pride ist ein Gesellschaftsthema, ganz egal welcher Sexualität oder Identität man sich zugehörig fühlt. Zweitens erreichen wir das Ziel genau dadurch, dass wir darüber sprechen und LGBTQ+ auch im Geschäftsleben sichtbar sind. Und drittens, dass, obwohl wir schon sehr weit gekommen sind, ein gutes Stück Weg durchaus noch vor uns liegt. Auch wenn wir vielerorts Pride mit bunten Paraden feiern, sollten wir nicht übersehen, dass wir noch lange nicht am Ziel sind. Nirgendwo.
Wie ist eure Sicht auf das Thema? Ich freue mich auf eure Kommentare. Diskutiert gerne mit unter den Hashtags #LinkedInDiscuss und #OutAtWork.