Lust auf Führung

Lust auf Führung

Fragt man Führungskräfte, wann sie neben all ihren fachlichen Aufgaben bewusst in die Führungsrolle gehen, dann erhält man immer die gleichen Antworten. Sie lauten:

Ich muss als Führungskraft aktiv werden, wenn

... die Personalabteilung wieder die Mitarbeitergespräche einfordert

... Fehler passiert sind

... Vorgaben von oben weiterzuleiten sind (wie zum Beispiel Zielvorgaben oder Budgetkürzungen)

... Reklamationen von Kunden kommen

... Konflikte das Team lähmen

... Prozesse unrund laufen

... usw.

Was an dieser Liste bei genauerer Betrachtung auffällt: Die „Auslöser“ sind immer fremdbestimmt und sehr häufig negativ. Man könnte den Eindruck bekommen, Führung sei die undankbare Aufgabe, immer nur auf Negatives zu reagieren und heiße Kartoffeln aus dem Feuer zu holen. Eigentlich ein Sch...-Job! Aus Leiten wird häufig ein Leiden. Wenn man dann auch noch die selbstausbeuterische Lebensgestaltung mancher Manager anschaut, so darf es nicht verwundern, wenn junge, fähige Vertreter der Y-Generation (Generation „Why“) fragen: Warum sollte ich mir das antun?

Zweifelsohne: Führung ist eine manchmal anstrengende Tätigkeit.  Aber was Führungskräfte heute allzu oft übersehen, ist das, was aus meiner Sicht eigentlich Führung ausmacht:

Ich habe in meinem mir zugewiesenen Bereich oder Unternehmen eine gewisse Macht und das bedeutet: Ich kann etwas machen und gestalten.

Führung bedeutet ja auch sich den Weg aussuchen und Standards setzen zu können. Denn wer vorne geht, kann die Richtung zumindest mitbestimmen. Führungskraft sein, heißt, dass ich eigenverantwortlich mitgestalte statt mich als Opfer der Umstände sehe und ständig jammere:
„Mir sind die Hände gebunden“ – „Ich habe keine Kompetenzen“ – „Die anderen (Vorstand/Aufsichtsrat/Kunden/ Kollegen/ Mitarbeiter...) sollten endlich....(tun)“.

Gestalter sagen: „Ich entscheide mich...“, „Ich will...“, „Mein Anteil am Fehler war....“, „Im Rahmen meiner Möglichkeiten kann ich...“

 

Macht Führung Freude? – Worum geht es eigentlich beim Führen?

FührungsKRAFT ist für mich das aktive und bewusste Gestalten von Beziehungen und Rahmenbedingungen, um vereinbarte oder vorgegebene Ziele zu erreichen. Indem wir führen, sorgen wir für das Funktionieren und für die Zukunftsfähigkeit der Organisation. Wir dienen ihrem Existenzgrund. Dieser kann sehr unterschiedlich sein: In einem Industriebetrieb ist es die Produktion von Gütern, in einem Amt die öffentliche Verwaltung einer Kommune, in einer karitativen Organisation eine soziale Hilfeleistung und in einer Regionalbank das Anlegen und Verleihen von Kundengeldern - wir verfolgen eine unseren Werten entsprechende, sinnvolle Aufgabe. Der Dirigent Sir Simon Rattle beschrieb seine Führungsarbeit am Dirigentenpult einmal mit den Worten: „Sobald du denkst, es geht um dich, scheiterst du. Wenn man nicht glaubt, dass die Musik das Wichtigste ist, hat man ein Problem“. Es geht also bei Führung nicht um Selbstdarstellung und Bedienen des eigenen Egoismus, sondern um ein Dienen zur Erfüllung des Existenzgrundes und der Ziele der Organisation.

 

FührungsKRAFT sein bedeutet

  • unsere Welt verantwortungsvoll gestalten,
  • Träume und Visionen verfolgen,
  • attraktive und sinnvolle Ziele verfolgen,
  • mit Hingabe und im Flow arbeiten und
  • an den Herausforderungen persönlich reifen.

 

Führungskräfte sind Menschen von denen Kraft ausgeht. Die Aufgaben dazu sehe ich in 3 Bereichen:

  1. Führung ist Kopfarbeit und erfordert StrukturKRAFT:
    Als Manager steuert die Führungskraft die Organisationsstruktur und den Planungsprozess (Kennzahlen, Kostenmanagement, ...). Zu ihren Aufgaben zählen Führen mit Zielen, Projektmanagement, Controlling und Kostenmanagement, Ressourcenplanung, Informationsmanagement und strukturierte Besprechungen. Hier bewegt sich die Führungskraft im Bereich der klassischen BWL und im Qualitätsmanagement und benutzt man die klassischen „Management-Werkzeuge“.
  1. Führung ist Arbeit mit Menschen und erfordert BeziehungsKRAFT:
    Als Leadergestaltet und beeinflusst die Führungskraft die Beziehungen. Sie sorgt innerhalb des Teams für einen Team-Spirit, fordert und fördert die Mitarbeiter. Sie fördert gute Kommunikation und menschlichen Umgang miteinander. Dadurch beeinflusst sie die Werte, Sinn und Kultur in der Organisationseinheit. Doch bei der BeziehungsKRAFT geht es nicht nur um die Beziehung zu den direkt unterstellten Mitarbeitern. Führungsarbeit bedeutet auf „360°“ Beziehungen zu pflegen:  zu Kunden, Geschäftspartnern, anderen Abteilungen, Geschäftsleitung oder Aufsichtsorganen. Und für viele Führungskräfte ist die Frage: „Wie ´führe´ ich eigentlich meinen Chef?“ herausfordernder als die Gestaltung der Beziehung zu ihrem Team.
  1. Führung ist Zukunftsgestaltung und erfordert AufbruchsKRAFT:
    Als Entwickler ihres Bereichs sorgt die Führungskraft für Inspiration und attraktive Zukunftsbilder, für die Entwicklung eines Leitbildes und einer Strategie sowie die Umsetzung konkreter Ziele. Damit unterscheidet sie sich von reinen „Verwaltern“: Sie gibt sich nicht mit dem Status quo zufrieden, sondern setzt sich ständig für die bewusste Weiterentwicklung in allen Bereichen ein: Für Innovation in der fachlichen Expertise, für konsequente Verbesserung der Strukturen, Prozesse, Abläufe und für ständige Entwicklung der Menschen – und dabei beginnt sie bei sich selbst.

Entwickler sein ist eine Grundhaltung der Offenheit, im Kopf und auch im Herzen und im Wollen.

 

Der Einsatz von Führunsginstrumenten

 Wenn ich mich selbst als Führungskraft in allen drei Kraftfeldern weiter entwickeln soll, so wird es notwendig sein, sich vor allem das Handwerkszeug der Führungsinstrumente anzueignen. Das erfolgt in 3 Stufen:

  1. Was ist zu tun?
    Wenn zum Beispiel Mitarbeitergespräche geführt werden sollen, so muss die Führungskraft den genauen Ablauf und die Struktur kennen und verstehen. Viele Mitarbeiterjahresgespräche in Unternehmen scheitern schon daran, dass die Führungskräfte das Formular viel zu kompliziert finden, nicht wissen, wie man wirklich gute Ziele formuliert.
  2. Wie?
    Um ein Instrument gut einzusetzen, muss ich auch seinen Einsatz beherrschen. Auf das Beispiel des Jahresgesprächs bezogen hieße das: Kontakt aufbauen, Feedback geben, klare Vereinbarungen treffen können. Um das zu lernen müssen wir unsere „Führungsmuskel trainieren“ und uns in der Gesprächsführung üben. Es ist wie beim Laufen oder eine Sprache oder ein Instrument spielen erlernen: je öfter man es tut, umso besser wird man und umso mehr macht es auch Spass.
  3. Warum?
    Das Wichtigste beim Erfüllen von Führungsaufgaben ist sicher die Grundhaltung, das „Warum?“ oder das „Wozu?. Allzu oft heißt es noch in den Betrieben: „Wir müssen bis nächste Woche wieder diese Jahresgesprächsformulare ausfüllen. Die HR-Abteilung hat schon mehrmals nachgefragt. Also setzen wir uns heut Mittag schnell zusammen und machen das halt.“ Bei solchen „Einladungen zum Gespräch“ signalisiert die Führungskraft klar und deutlich ihre negative Grundhaltung. Diese wird beim Gespräch mitschwingen. Die Intention des Jahresgesprächs wird damit sicher verfehlt.

 

Wenn wir wirklich FührungsKRAFT erleben wollen, so ist es vor allem wichtig an den persönlichen Grundhaltungen zu arbeiten.

Wichtig ist dabei, dass wir einer Aufgabe nachgehen, die unseren Werten entspricht. Wer sich für etwas „hergibt“, das nicht mit seinen Grundhaltungen vereinbar ist, fragt bald nach „Schmerzensgeld“, verliert seine Kraft und ist bald einmal erschöpft Burnout-gefährdet.

Diese Werte kommen nicht aus dem Nichts: Wir alle hatten Lernmodelle von frühester Kindheit an: Wir wurden geprägt durch Eltern, Lehrer, Sporttrainer, erste Vorgesetzte. Wir haben unsere eigenen Erfahrungen gemacht und so einen Grundstock an Haltungen und Prinzipien entwickelt, wie wir Menschen führen wollen, welche Werte uns dabei wichtig sind. Wir haben ein Menschenbild, das unseren Umgang und unser Verhalten im Alltag prägt: Wir führen anders, wenn wir denken: „Alle rund um mich sind bezahlte Feinde“, oder „Ich bin von lauter Idioten umgeben, daher gibt es nur die 3 Ks: kommandieren- kontrollieren - korrigieren“ oder wenn unsere Grundhaltung lautet: „Ich arbeite mit Menschen, die alle ihre unterschiedlichen Fähigkeiten haben und mit mir gemeinsam etwas Tolles aufbauen wollen“.

Bei erfolgreichen Führungskräften kann man immer wieder folgende Prinzipien und Haltungen beobachten:

  • Eigenverantwortung: Sie haben Lust, ihre Handlungs-Spielräume auszunützen und ihren Verantwortungsbereich zu gestalten und auch für die Zukunft vital zu halten.
  • Hingabe: Ihre Aufgabe entspricht ihren Werten, Fähigkeiten, Interessen. Das setzt bei ihnen oft unheimliche Kräfte frei und vitalisiert ein ganzes Team. Sie wundern sich manchmal, dass sie für etwas, was so Freude macht sogar noch Geld verdienen.
  • Achtsamkeit: Wer FührungsKRAFT behalten will, geht achtsam mit sich und seiner Umwelt um und kann voll präsent sein und die Arbeit auch einmal „abschalten“. Er geht aber auch achtsam mit Menschen, ihren Emotionen und mit Ressourcen um.
  • Verlässlichkeit: Mitarbeiter können sich auf die Einhaltung von Zusagen, Vereinbarungen und Regeln verlassen .
  • Mut: Erfolgreiche Führungskräfte wagen es auch „gegen den Strom zu schwimmen“ statt immer nur auf „Nummer Sicher“ zu gehen. Sie geben sich nicht für etwas her, das nicht ihren Werten entspricht. Das bedeutet auch Risiken einzugehen, Stellung zu beziehen, kritische Punkte oder Spannungen in Beziehungen mutig anzusprechen, wenn es die gemeinsame Zielerreichung fördert.
  • Selbstbewusstsein: Eine gute Führungskraft kennt ihre Stärken und auch ihre Grenzen. Sie ist sich nicht zu gut, Mitarbeiter um ihre Meinung oder Ideen zu fragen und kann gut damit leben, dass Mitarbeiter eigenverantwortlich ihre Aufgaben lösen und .
  • Wertschätzung: Dieser so oft strapazierte Begriff aus Unternehmensleitbildern hat nichts mit „Kuschelkurs“ oder ständige „Lobhudelei“ zu tun. Es geht darum, als Führungskraft die Beiträge der Mitarbeiter zu schätzen. Das erfordert zuerst einmal, sie überhaupt zu sehen und wahrzunehmen. Ein respektvoller Umgang, Präsenz und Aufmerksamkeit im Gespräch, Einbeziehen in die Entwicklung von Lösungen und  ein einfacher Dank für geleistete Arbeit sind viel stärkere Signale von Wertschätzung als überschwängliches Lob bei der Weihnachtsfeier.
  • Demut: Die innere Einstellung einer Führungskraft mit Demut zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht jeden Erfolg, jeden Vorteil und Nutzen aus der Funktion für sich beansprucht und sich bewusst ist, dass immer auch fördernde Umstände oder andere (Förderer, Mitarbeiter, …) dazu beigetragen haben, dass sie Erfolg hatte. Typische Aussagen dafür sind: „Ich hatte einfach auch Glück…“ oder „Das hat mein Team ermöglicht.“

 

Ergebnisse gelungener Führung

Das Ergebnis solcher Grundhaltungen in der Führungsarbeit ist eine Kultur des Vertrauens, die Exzellenz ermöglicht.

Diese erkennen wir, wenn

  • die Mitarbeiter einen Sinn in ihrer Arbeit und ihren Beitrag zu etwas größerem Ganzen sehen,
  • die Mitarbeiter die Ziele kennen und sich damit identifizieren,
  • Sie als Führungskraft Mitarbeiter überzeugen können, etwas zur Erreichung der Ziele beizutragen,
  • Rückschläge und Belastungen gemeinsam bewältigt werden,
  • die Ziele erreicht und Erfolge gewürdigt werden,
  • Mitarbeiter bei Sitzungen über Ziele, Grundhaltungen und Entwicklungschancen und nicht nur über Alltagsprobleme reden möchten,
  • ein hohes Maß an Leistungsbereitschaft und Identifikation existiert,
  • Mitarbeiter ihre eigenen Aufgaben und die Erwartungen an sie kennen,
  • Mitarbeiter selbständig arbeiten und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen,
  • Freude an der Arbeit und an der Zusammenarbeit im Team besteht,
  • die Stärken der Mitarbeiter genutzt werden,
  • das Unternehmen oder der Bereich normal weiterläuft, wenn wir vorübergehend abwesend sind,
  • Mitarbeiter sich bei Problemen vertrauensvoll an uns wenden,
  • konstruktive Kritik als Hilfestellung empfunden wird,
  • die Mitarbeiter aktiv und kreativ eigene Ideen, Vorstellungen und Meinungen einbringen,
  • Mitarbeiter auf Fehler und Missstände hinweisen und Verbesserungsvorschläge machen,
  • aus individuellen Mitarbeitern ein Team geworden ist, das gut zusammenarbeitet,
  • das Team Kollegen in einer persönlichen Krise unterstützt und „trägt“,
  • Unterschiedlichkeit im Team geschätzt und genutzt wird,
  • Mitarbeiter anderer Organisation gerne in diesen Führungsbereich wechseln,
  • Kunden, Mitarbeiter und Führungskräfte anderer Bereiche sich anerkennend über die Arbeit des Unternehmens oder Bereichs äußern
  • und wir im Team auch miteinander lachen können!

 

Situationen, in denen wir das bewusst erleben, sind so etwas wie „Magic Moments“. Diese Momente zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und sie geben uns Kraft für den herausfordernden Alltag: Sie sind nichtmonetärer Lohn und Ansporn zugleich für noch mehr Führung mit Hingabe.

Wenn es uns immer wieder und immer öfter gelingt, so zu führen, dann springt der Funke über und wir können auch bei jüngeren Mitarbeitern die Lust auf Führung wecken. Dies ist für uns alle wichtig: Unsere Gesellschaft braucht Menschen, die Lust darauf haben, Verantwortung zu übernehmen, um ihr Umfeld sinnvoll zu gestalten und daran persönlich zu reifen.

 

Literaturhinweise

Grobner Marianne, (2016): Lust auf Führung – FührunsgKRAFT entwickeln,  Hamburg Kreutzfeldt Digital

Lengyel-Sigl Sabine,(2012): Corporate Awareness – Werte und die (R)evolution der Arbeit, Wien

Gallwey, w.Timothy (2000): The Inner Game of Work, New York

Ulrich, Dave und Ulrich Wendy(2012): Das Geheimnis der Arbeit, München

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