Mullahs und Pistazien

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Unternehmer aus dem Südwesten entdecken Iran – Hohe Erwartungen an deutsche Firmen

Teheran sz Die einen kommen, weil sie endlich mal sehen wollen, wohin sie seit Jahren ihre Waren liefern. Die anderen, weil sie die neuen Möglichkeiten in einem riesigen Markt mit fast 80 Millionen Einwohnern erkunden wollen. Dieter Heiss ist so einer. Der Meister der Landesinnung Chirurgie-Mechanik aus Tuttlingen begleitet Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) auf dessen Reise im Iran. „Später gebe ich meinen Innungskollegen Kontakte weiter und identifiziere Partner, mit denen wir den Handel in Iran abwickeln können“, sagt der 66-Jährige. Heiss produziert Instrumente für die Augenchirurgie, seine Firma exportiert in die USA, nach Thailand und Südkorea. Und vielleicht irgendwann einmal nach Iran.

Gute Infrastruktur

 

So wie Heiss sind viele in der fast 70-köpfigen Delegation angenehm überrascht von der Infrastruktur in der Islamischen Republik und von der Offenheit der Iraner. Das wichtigste für Geschäftsleute hier sei der persönliche Kontakt, sagt Amir Alizadeh. Der Iraner ist stellvertretender Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer (AHK). Immerhin 1000deutsche Firmen sind in Iran vertreten, allein 80 von ihnen haben eigene Niederlassungen.

 

 

Aus dem Südwesten ist vor allem der Mittelstand mit Schmid gereist, Ingenieure, Architekten, Plastikproduzenten und Automobilzulieferer. Für diese versuchen AHK und Deutsche Botschaft Türen zu öffnen.

 

 

Mit der Unterzeichnung des Wiener Atomabkommens wird es ab 2016 eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen gegen das Land geben. Es dürfte eintreten, was in Schwellenländern nicht selbstverständlich ist: Die Qualität und das Ansehen der deutschen Produkte siegt gegen den Preis der chinesischen Waren. Die Chinesen waren nämlich während der Sanktionszeit nur zu bereitwillig in Iran eingesprungen und hatten Autobusse, Lastwagen, Raffinerien und Konsumgüter geliefert. Insbesondere die schlechte Betreuung durch die Chinesen hat viele iranische Geschäftsleute ernüchtert.

 

Großer Modernisierungsbedarf

 

Nach Sanktionen ist der Renovierungsbedarf etwa der Energieindustrie und der Zivilluftfahrt enorm. Die Weltbank prognostiziert für die nächsten zwei Jahre Wachstumszahlen von bis zu sechs Prozent. Der Ölminister braucht dringend Lastwagen, der Energieminister möchte neue Stromtrassen. Zwischen 50 und 180Milliarden Dollar, die auf ausländischen Konten eingefroren sind, sollen ab 2016 Iran wieder zur Verfügung stehen. Viele Iraner schauten dabei auf große Namen, sagt Investmentbanker Stefan Kille, der an der Teheraner Börse handelt. Aber es müsse Verständnis für das Potenzial des Mittelstandes geweckt werden. Doch auf der iranischen Seite gibt es einiges zu tun, um den Handel oder gar Investitionen zu erleichtern: Ein doppelter Wechselkurs erschwert die Buchhaltung und die Versteuerung, der Zinssatz für Investitionen liegt bei 26 Prozent. Die jahrelange Isolierung des Landes und der Kontrollwahn der religiösen Herrscher haben dazu geführt, dass dem baden-württembergischen Finanz- und Wirtschaftsminister nicht immer die weltgewandtesten Vertreter gegenüberstehen. Dass der freundliche Generalsekretär der iranischen Handelskammer, den man bei Tee und Pistazien trifft, nicht des Englischen mächtig ist, ist so ein Beispiel. Schmid betont, dass ihm die Transparenz und die Achtung des Rechts wichtig seien. „Es sind viele Familienunternehmen, die kommen werden, und die sicher sein wollen, wie ihr Geld eingesetzt wird“, sagt er seinen Gesprächspartnern.

 

 

Die meisten Verträge in Iran werden durch Ausschreibungen vergeben. 80 Prozent der Wirtschaft sind Staatsbetriebe oder von staatlichen Stellen kontrollierte Stiftungen. Das Regime unter dem liberaleren Präsidenten Hassan Rouhani betont die wachsende Bedeutung des privaten Sektors. Doch die Kultur einer Privatwirtschaft beschränkte sich bisher auf von einem Patriarchen geführte Familienunternehmen. Ein MBA galt bis vor kurzem in Iran nicht viel, „viele mittelständische Unternehmen werden mit Excel-Tabellen geführt“, erklärt kopfschüttelnd ein Geschäftsmann im Land.

 

 

Schmid fordert in Gesprächen mit Regierung und Industrie- und Handelskammer in Teheran denn auch, dass Ausschreibungen nicht mehr nur als Gesamtpaket erfolgen, sondern so, dass Bewerber sich auch auf Teilabschnitte bewerben können.

 

Ruf nach Investitionen

 

Iraner und Deutsche haben zum Teil sehr unterschiedliche Vorstellungen vom deutschen Engagement: Deutschland fühlt man sich im indo-germanischen Iran sehr verbunden, aber die Deutschen sollten bitte hier investieren, nicht nur Öl, Gas und Pistazien kaufen, sondern Produktionsanlagen aufbauen. Aus- und Weiterbildung müssten gefördert werden, ein Wissenstransfer stattfinden, um Arbeitsplätze zu schaffen. Solches Engagement ist aber vielen der Mittelständler bei allem Verständnis für das iranische Bedürfnis, die hohe Arbeitslosigkeit etwa unter Ingenieuren zu bekämpfen, zu riskant.

 

 

Dabei macht es der iranische Gesetzgeber potenziellen Investoren leicht: Es braucht in den meisten Industriezweigen, außer in der Energieindustrie und bei Medien, keinen iranischen Mindestanteil. Dividenden müssen nicht versteuert werden, das Investitionsschutzgesetz soll vor Nationalisierungen bewahren.

 

 

Produzieren wolle er in Iran nicht, sagt Chirurgieinstrumentehersteller Heiss. Es sei zu kompliziert, eine hochspezialisierte Produktion aufzubauen. Aber Geschäfte machen, will er gerne. Wichtig sei es, einen iranischen Partner zu finden, dem man vertrauen kann. Viele Firmen, die Komponenten für die Erdöl- und Gasförderung herstellen und schon vor den Sanktionen in Iran tätig waren, hoffen mit ihren früheren Partnern weiterzumachen, wo sie vor einigen Jahren aufhörten.

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