Pension Tracking Systeme: Eine kleine Marktanalyse der Vorsorgedashboards
Seit dem 30. Juni ist die "Deutsche Rentenübersicht" online verfügbar. Diese ermöglicht es allen deutschen Bürgerinnen und Bürgern, ihre Ansprüche aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Alterssicherung übersichtlich und zentral gebündelt zu finden. Dies hat mich veranlasst, eine kurze Marktanalyse des allgemeinen Standes von Pension Tracking Systemen im Ausland zu erstellen und daraus Erkenntnisse für die Situation in der Schweiz abzuleiten.
Einführung zu Pension Tracking Systems (PTS)
Anmerkung: Leser und Leserinnen, welche die vorherigen Acrea-Blogposts zu PTS bereits gelesen haben (Links unten verfügbar), können direkt zum Kapitel «Kleine Marktanalyse» übergehen. Für jene, die bisher nicht mit dem Begriff "PTS" vertraut sind, bietet dieses Kapitel eine kurze Einführung.
Was sind PTS?
Unsere Altersvorsorge kann kompliziert und verwirrend sein. Sie besteht aus drei Säulen, aus denen wir später eine Rente erhalten. Doch bisher gibt es keine einfache Lösung, die all diese Informationen zusammenzieht und auf verständliche Weise aggregiert. Hier kommen Pension Tracking Systeme ins Spiel. PTS sind Softwarelösungen, die entwickelt wurden, um den Zusammenzug, die Darstellung und die Optimierung der Altersvorsorge für Privatpersonen einfacher zu machen.
Zusammenzug der Vorsorgedaten
PTS stellen sicher, dass Rentendaten von staatlichen, betrieblichen und privaten Vorsorgeanbieter über eine Schnittstelle bezogen werden können. Dabei ist es zentral, dass die Daten über eine gewisse Aktualität verfügen und standardisiert sind.
Darstellung des Vorsorgevermögens
Ein weiteres Merkmal von PTS ist die Fähigkeit, das aktuelle Vorsorgevermögen, welches man in der 2. und 3. Säule aufgebaut hat, darzustellen.
Rentenprognose
Zusätzlich bieten PTS Prognosen über die erwarteten Rentenauszahlungen im Ruhestand an. Diese decken die gesetzliche, betriebliche und private Rente ab. Diese Prognose hilft den Privatpersonen, ihre aktuelle Vorsorgesituation zu überblicken und besser zu verstehen, wie viel Geld ihnen im Ruhestand voraussichtlich zur Verfügung stehen wird.
Es können auch verschiedene Szenarien simuliert werden, wie zum Beispiel die Höhe der Rente bei einer vorzeitigen Pensionierung und Entwicklung der Rente bei zusätzlichen Einkäufen in die zweite Säule. Die Prognosefunktion ermöglicht den Privatpersonen eine ungefähre finanzielle Planung für ihre Zukunft. Die Prognose ist besonders nützlich, um mögliche Vorsorgelücken frühzeitig zu erkennen und entsprechende Massnahmen zu ergreifen.
Vorsorgeoptimierung
Ein wesentlicher Vorteil von PTS liegt in seiner Fähigkeit, das verfügbare Vermögen zu analysieren, gegebenenfalls zu benchmarken und daraus personalisierte Empfehlungen zur Optimierung abzuleiten. Dies kann Vorschläge zur Erhöhung der Sparquote zwecks Altersvorsorge, zu Einkäufen in die Pensionskasse oder zur Neuausrichtung von Anlagen zur Steigerung der Rendite beinhalten.
Gibt es Schweizer PTS?
Gemäss meinem aktuellen Kenntnisstand gibt es in der Schweiz noch kein PTS, insbesondere wenn man als Kriterium für ein PTS den direkten Datenbezug von den Vorsorgeanbietern betrachtet. Obschon Initiativen wie DIBS darauf hinarbeiten, ein erstes Schweizer PTS zu entwickeln. Der Trend im Ausland geht eindeutig in Richtung PTS: Bereits im Jahr 2021 hatten über 50% der EEA- und EFTA-Länder ein solches System etabliert.
Unter anderem gehe ich davon aus, dass ein PTS früher oder später auch in der Schweiz eingeführt wird. Natürlich sind noch einige Hürden zu überwinden. Wenn du mehr über diese Herausforderungen erfahren möchtest, empfehle ich dir, die früheren Blogbeiträge meiner Acrea-Kollegen zu lesen.
Kleine Marktanalyse
«Digitale Rentenübersicht» aus Deutschland
Am 30. Juni wurde mit der Einführung von Digitale Rentenübersicht in Deutschland einen Meilenstein im Bereich PTS gemacht.
Umfassender Überblick über Altersvorsorgeansprüche
Mit einer einheitlichen Darstellung der Rentenansprüche aus der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Vorsorge ermöglicht die "Digitale Rentenübersicht" den Nutzern eine umfassende Sicht auf die finanzielle Zukunft im Alter.
Datenverfügbarkeit und Transparenz
Die Plattform bietet eine Übersicht über die erste Säule sowie über vereinzelte Anbieter aus der zweiten Säule, die sich bereits auf freiwilliger Basis angeschlossen haben. Diese Daten werden über Schnittstellen bezogen. Künftig sollen auch Daten von allen Vorsorgeanbietern aus dem Umfeld der betrieblichen und privaten Vorsorge eingebunden werden. Gemäss unserem Verständnis sollen diese durch ein Gesetz dazu mandatiert werden.
In Bezug auf den rechtlichen Rahmen steht bis dato noch kein verbindlicher Stichtag für die verpflichtende Teilnahme aller Anbieter an der "Digitalen Rentenübersicht" fest (Stand: August 2023). Per Gesetz sind jedoch alle Vorsorgeeinrichtungen, die ihren Versicherten mindestens einmal jährlich Renteninformationen zu Rentenansprüchen zukommen lassen, dazu verpflichtet, diese Informationen für das deutsche PTS "Digitale Rentenübersicht" bereitzustellen.
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Export
Ein weiteres Merkmal von "Digitale Rentenübersicht" ist die Möglichkeit, die Vorsorgedaten als CSV zu exportieren, um sie beispielsweise in Vorsorgeberatungen mit Experten als Grundlage für die Beratung verwenden zu können.
«Pensions Dashboards» aus dem Vereinigten Königreich
Ein vielversprechender Schritt bei der Entwicklung von Pension Tracking Systems zeigt sich im Vereinigten Königreich. Während die Einführung von Pensions Dashboards in anderen Ländern bereits Realität ist, befindet sich das Projekt auf der Insel noch in der Pilotierungsphase. Mit dem geplanten Roll-Out bis spätestens September 2024 zeichnet sich jedoch ab, dass die britische Altersvorsorgelandschaft bald einen bedeutenden Wandel erleben wird.
Zu den bemerkenswertesten Aspekten des britischen Ansatzes gehört die Absicht, dass das Dashboard (also das Kundeninterface) nicht nur von staatlichen, sondern auch von privaten Parteien angeboten werden kann. Dies könnten Banken, FinTech-Unternehmen und andere regulierte Akteure sein.
Die technologische Infrastruktur, die für die Implementierung der Dashboards erforderlich ist, wird vom Pensions Dashboards Programme (PDP) entwickelt. Dieser staatliche Akteur spielt eine zentrale Rolle bei der Erstellung der notwendigen Plattform.
Im Bereich der betrieblichen Vorsorge verfolgt das Vereinigte Königreich einen ähnlichen Ansatz wie Deutschland und verpflichtet die sogenannten "Pension Funds" dazu, Vorsorgedaten der Kunden über Schnittstellen bereitzustellen. Hierbei müssen es nicht unbedingt Echtzeitdaten sein. Stattdessen kann zunächst auf Informationen aus dem Vorsorgeausweis der Pensionskasse zugegriffen werden, die nicht älter als 13 Monate sind.
Norwegens Pionierrolle bei Pension Tracking Systemen
Das norwegische Pension Tracking System wurde 2008 lanciert und wird vom privaten Unternehmen Norsk Pensjon betrieben und weiterentwickelt.
Seit der Gründung hat sich Norsk Pensjon PTS stetig weiterentwickelt und angepasst, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Interessanterweise bietet Norsk Pensjon nicht nur einen direkten Zugang zu seinen Daten über die eigene Web-App an, sondern hat auch im Jahr 2015 einen Meilenstein erreicht, indem es Banken und anderen Zugriff auf die Daten gewährte. Dieses offene Modell förderte die Entstehung vielfältiger kommerzieller Anwendungen, die auf diesen reichen Datenschatz aufbauen.
Im Jahr 2022 wurde das eigene PTS von Norsk Pensjon 750'000 Mal genutzt, während kommerzielle Anwendungen im gleichen Zeitraum erstaunliche 24 Millionen Zugriffe verzeichneten. Diese Zahlen verdeutlichen das breite Interesse an den Informationen, welche ein Pension Tracking System bereitstellen kann.
Erkenntnisse aus der Marktanalyse für die Schweiz
Gesetzliche Massnahmen für die Datenbereitstellung durch Vorsorgeanbieter
PTS ohne Schnittstellen zu verifizierten Daten von Vorsorgeanbietern sind im Grunde genommen lediglich herkömmliche Vorsorgerechner, wie sie bereits im Internet verfügbar sind. Die Bereitstellung von Daten gestaltet sich jedoch komplexer, da die Motivation der Vorsorgeanbieter für solche Schnittstellen oft fehlt – so auch in der Schweiz.
Die Gesetzesverpflichtung für Vorsorgeanbieter, standardisierte Daten über Schnittstellen bereitzustellen und regelmässig zu aktualisieren, hat in Deutschland und dem Vereinigten Königreich gut funktioniert. Andere europäische Länder wie Belgien und die Niederlande haben ähnliche Ansätze verfolgt, um PTS einzuführen. Dies verdeutlicht, wie legislative Massnahmen einen positiven Einfluss auf die PTS-Einführung haben können.
Der Bundesrat hat dies offensichtlich erkannt. In seiner Pressemitteilung vom 16. Dezember 2022 beauftragte er das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) damit, abzuklären, wie Vorsorgedaten digital verfügbar gemacht werden können. Dies könnte dazu führen, dass Vorsorgeanbieter endlich Schnittstellen anbieten, damit wir auch in der Schweiz mit der Entwicklung von PTS starten können.
Offener Ansatz für mehr Zugänglichkeit
Die Daten aus Norwegen zeigen, dass es sinnvoll ist, Vorsorgedaten nicht nur in einem zentralen "nationalen" Dashboard zu präsentieren. Ein offenerer Ansatz, der Anbietern ermöglicht, diese Daten an frequentierten Stellen zu zeigen, kann die Nutzung von PTS erheblich steigern. In Norwegen führte dieser Ansatz zu einer beeindruckenden 32-fachen Zunahme der Datenabrufe.
In der Schweiz müssen wir uns fragen, wer ein Kundeninterface betreiben darf. Im Ausland sind grundsätzlich drei Szenarien zu beobachten:
Da das Ziel von PTS darin besteht, Privatpersonen auf ihre Rente besser vorzubereiten, ist es logisch anzunehmen, dass die PTS-Informationen, wie Rentenprognosen, für möglichst viele Menschen zugänglich sein sollten. Daher liegt es nahe, PTS-Informationen dort zu präsentieren, wo sie eine breite Reichweite haben, etwa in bestehenden Kanälen wie eBanking oder Versicherungsportalen, anstatt auf separaten Plattformen. Zudem verfügen private Unternehmen über das Know-how und die Ressourcen, um ein benutzerfreundliches Dashboard zu gestalten, das eine hohe Nutzungswahrscheinlichkeit aufweist. Erfahrungen aus Norwegen stützen diese Überlegungen. Somit wäre es sinnvoll, dass in der Schweiz die Szenarien 2 und 3 genauer geprüft werden. Klare Sicherheitsstandards für private Anbieter von Dashboards für Privatpersonen werden jedoch unablässig sein, um die sensiblen Daten zu schützen.
Fazit
In Bezug auf PTS sind wir in der Schweiz als sogenannte "Late-Movers" zu betrachten. Dies hat den essenziellen Nachteil, dass wir derzeit noch kein PTS haben. Allerdings bringt es auch den Vorteil mit sich, dass wir von den Erkenntnissen bestehender PTS profitieren können. Aus diesem Grund sollten wir die Entwicklungen im Ausland regelmässig prüfen und analysieren, um sicherzustellen, dass ein zukünftiges PTS sein volles Potenzial entfalten kann.
Wir helfen gerne
Der Weg für Schweizer PTS mag noch nicht geebnet sein. Schweizer Unternehmen beschäftigen sich dennoch bereits heute mit den Möglichkeiten, die ein PTS ihnen bieten könnte, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklungen im Bereich Open Finance. Um die erforderlichen Massnahmen richtig zu planen und fundiert umzusetzen, kann externe Unterstützung entscheidend sein.
Acrea ist eine auf Digitalisierung spezialisierte Boutique-Beratung. Wir verfügen über umfassende Expertise im Bereich Open Finance. Unsere Erfahrung reicht von Banken verschiedenster Grösse bis hin zu Pensionskassen, Versicherungen und Softwareanbietern.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Vorbereitung auf eine Zukunft mit PTS.
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