Provision oder Honorar – kann es nur eines geben?
Aktien oder Anleihen? Aktiv oder passiv? Fonds oder Zertifikate? Technisch oder Fundamental? Die Investmentbranche wird seit jeher mit pointierten Entweder-oder-Fragen konfrontiert. Ganz weit oben in dieser Kategorie rangiert derzeit die Frage „Provision oder Honorar?“. Dies ist nur allzu verständlich, seit vor wenigen Wochen bekannt wurde, dass die Debatte um ein Verbot der provisionsbasierten Finanzberatung zurück auf der Agenda EU-Kommission ist.
Ausgangspunkt war ein (Liebes- ?)Briefwechsel zwischen dem CSU-Politiker Markus Ferber, seines Zeichens Mitglied des EU-Parlaments, und EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness. So kam zu Tage, dass nach 2011 (MiFID Novelle) und 2018 (MiFID II) ein neuer Anlauf seitens der EU genommen werden könnte, der provisionsgestützten Anlageberatung den Todesstoß zu versetzen.
Nun braucht es wahrlich nicht vieler Worte, um die Tragweite eines solchen Verbotes zu skizzieren. Laut Handelsblatt verkaufen hierzulande rund 300.000 Berater in Sparkassen, Banken und Versicherungen Finanzprodukte auf Provision. Die öffentliche Debatte wird daher entschlossen und energisch geführt. Auf der einen Seite Interessenvertreter der Banken- und Versicherungsbranche und Politiker wie Christian Lindner, auf der anderen Verbraucherschützer und Vertreter der Honorarberatung wie Karl Matthäus Schmidt. Letzterer argumentiert in der Börsen-Zeitung ganz ungeniert, die Befürchtungen, viele Anleger hätten nach einem Verbot keinen Zugang mehr zu Beratung, seien völlig unbegründet. Schließlich würde man mit ihnen kein Beratungs- sondern ein Verkaufsgespräch führen. Das diese Ansicht (noch) nicht von der Mehrzahl der Kunden gekauft wird, verschweigt er hingegen. Zum 1. Januar 2023 waren insgesamt 306 Honorar-Finanzanlagenberater mit Erlaubnis nach § 34h GewO im Vermittlerregister eingetragen.
Unterschlagen werden sollte an dieser Stelle jedoch auch nicht, dass auch klassische Vermögensverwalter im besten Sinne Honorarberater sind. Verlangen sie doch üblicherweise eine feste prozentuale Abgabe auf Basis des verwalten Vermögens und haben so ebenfalls kein Interesse daran, teure Produkte zu allokieren. Allein der Name weist hier auf ein zentrales Problem hin. Nicht jede Anlegerin, jeder Anleger hat bereits ein Vermögen. Und so kenne selbst ich nur sehr wenige Vermögensverwalter, die unterhalb von „Sechsstellig“ ernsthaft aktiv werden.
Ich habe in dieser Debatte eine fast neutrale Haltung. Manche Argumente gegen die Provisionsberatung sind nicht von der Hand zu weisen. Gleichwohl scheint das Meinungsbild vieler Akteure zum Thema „provisionsbasierte Anlageberatung“ viele Entwicklungen der letzten Jahre nicht ausreichend zu reflektieren und von Eigeninteressen geleitet zu sein. Gerade bei Banken, Sparkassen und Finanzdienstleistungsinstituten hat sich der regulatorische Rahmen in den letzten fünf bis zehn Jahren erheblich in Richtung Transparenz, Aufklärung und Dokumentation verschoben. Hinzu kommt der Umstand – bitte entschuldigen Sie meine Offenheit – dass ich viele hervorragende Berater kenne, die auf Provisionsbasis arbeiten und leider auch weniger gute Vermögensverwalter. Während bei ersterem die Gefahr besteht ein schlechtes, weil teures Produkt zu erhalten, besteht beim zweiten das Risiko, das dieser nur so viel wie nötig für den Kunden macht, da das Honorar unabhängig vom Umfang der Aktivität fließt. Oder anders gesagt: Der Mischfonds wird’s schon richten.
Bei näherer Betrachtung wird schnell deutlich, eine Welt ohne jeglichen Interessenkonflikt wird es nicht geben. Umso mehr scheint mir hier die Forderung des Highlanders „Es kann nur einen geben“ als veraltet und nicht zielführend. Vielmehr sollte die Antwort auf die Frage „Provision oder Honorar“ die gleiche sein, wie auf die anderen eingangs genannten: Von allem etwas und vor allem für jeden das Richtige!
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Gespannt grüßt Sie
Ihr
Christian Köker
PS: Der vorgenannte Text erschien erstmals vor wenigen Tagen in unserem Newsletter für professionelle Zertifikate-Anwender "Flurfunk". Gerne nehme ich Sie auf Wunsch auch auf den Verteiler auf - senden Sie mir einfach eine kurze Nachricht.
Service Owner Ideenwerkstatt bei ARTS Extending your Success
1 JahrMit Highlander kriegst du mich echt dazu, einen Artikel zu einem Thema zu lesen, mit dem ich mich noch nie beschäftigt habe - Chapeau! 🎩 Und danke für die Erklärung.
Co-Founder @ MentalStark 👩⚕️ 📳 Turning Ideas into Reality
1 JahrDas Problem ist ja nicht, dass Berater bezahlt werden (entweder so oder so). Das Problem sind schlechte Beratungen. Leider gab und gibt es davon viel zu viele. Ich glaube nicht, dass ein Provisionsverbot das richten kann. Viel wäre schon geholfen durch wirkliche Transparenz. (zB verständliche Kostenausweise oder zu veröffentlichende Zuwendungsdoku - oder eine klare Ansage, was nun den Kundennutzen verbessert und was nicht) Vielen Kunden fehlt noch immer, auch nach Mifid I und II ein Gespür für die Interessenskonflikte ihrer Berater. Das sorgt nicht eben für Vertrauen in die Branche…
Ein ehemaliger Hartz 4 Empfänger ("Fels in der Hartz 4 Brandung") und aktueller Privatier sucht Arbeit. Hamm' Sie was für mich ?
1 JahrEs muss jedem freigestellt sein, keine Beratung oder eben Provisions- oder Honorberatung in Anspruch zu nehmen. Oder beides von Letztgenanntem. Es sollte aber verpflichtend darauf hingewiesen werden, das "Vermögensberater" (eigentlich Verkäufer oder Vertreter) z.B. von der DVAG eben an Produktpool der kooperierenden KAGs / Versicherungsunternehmen gebunden sind - und dadurch teilweise Topprodukte gar nicht anbieten und das meist gilt, "Je teurer die Produkte, desto höher unserere Provisionsvergütung". Mir hat mal ein Strukki gesagt, er vermittele ausdrücklich keine ETFs, weil er an denen wegen der geringen jährlichen Kostenquote kaum verdient. Hier wird also der Interessenkonflikt Kundin / Kunde - Provisionsberatung sehr schön deutlich.