Rücklagen in der Insolvenzvermeidung – Ein Plädoyer für hohe Unternehmerbezüge?

Rücklagen in der Insolvenzvermeidung – Ein Plädoyer für hohe Unternehmerbezüge?

 

Einleitung

 

Nach dem Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im Rahmen der Corona-Maßnahmen häufen sich in den vergangenen Monaten die Berichte über Insolvenzen teilweise prominenter Unternehmen. In den meisten Fällen handelt es sich um Unternehmenskrisen, die bereits als strategische Krise ihren Anfang nahmen und dann über Ertrags- und Liquiditätskrise letztlich zur Insolvenz führten.

In der Analyse und der Lösung der Krisensituation wird deutlich, welche zentrale Rolle die Rücklagen des Unternehmens, aber vor allem auch des Gesellschafters spielen.

Hierbei sind die Rücklagen im Unternehmen sowie die Rücklagen des Gesellschafters differenziert zu betrachten.

 

Abgrenzung Rücklagen vs. Rückstellungen 

Zur strukturierten Betrachtung der Rücklagen ist zunächst mit einem weit verbreiteten Missverständnis aufzuräumen: Rückstellungen sind keine Rücklagen. Rückstellungen sind Bestandteil des Fremdkapitals und werden als Vorsorge für einen bestimmten Sachverhalt mit ungewisser Höhe und unklarem Zahlungszeitpunkt gebildet. Dagegen werden Rücklagen dem Eigenkapital zugerechnet und gelten als Puffer für jegliche Form von Verlusten des Unternehmens. 

Neben den sogenannten „stillen Reserven“ (z.B. Sachanlagen, deren Buchwert geringer ist als der Verkehrswert) sind die „Offene Rücklagen“ im Jahresabschluss erkennbar. Sie ergeben sich beispielsweise aus thesaurierten Gewinnen.

Während in Personengesellschaften (Einzelunternehmen, OHG, KG und GmbH & Co KG) die Rücklagen unmittelbar über die variablen Kapitalkonten ausgewiesen werden, erfolgt der Ausweis bei Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) bilanziell offen als Kapital- oder Gewinnrücklage. 

Diese sind einzuteilen in

  • Gesetzliche Rücklage/Kapitalrücklage: sie folgen den gesetzlichen Vorschriften. Gemäß § 150AktG sind sie für Aktiengesellschaften beispielsweise in Höhe von 5 % des Jahresüberschusses zu bilden, bis 10 % des Grundkapitals erreicht sind. Für die Auflösung bzw. Verwendung dieser Rücklagen ist § 272 HGB zu beachten
  • Satzungsgemäße Rücklage: die Höhe der Gewinnrücklage wird in der Unternehmenssatzung festgelegt. Sie kann zweckgebunden sein und die Geschäftsführung ist bei deren Verwendung oder Auflösung ebenfalls an die Regelungen des Gesellschaftsvertrages bzw. der Satzung gebunden.
  • Andere Gewinnrücklagen: können zweckgebunden sein, soweit sie es nicht sind, besteht auch keine Voraussetzung für den Verbrauch oder deren Nutzung

 

Bildung und Nutzung von Rücklagen

Rücklagen werden für „schlechte Zeiten“ gebildet. Sie dienen der Glättung von Gewinnausschüttungen oder generell zur Verbesserung der Kapitalstruktur, denn sie werden dem Eigenkapital zugerechnet. Vor allem sollen die Rücklagen etwaige Verluste auffangen. Soweit sie nicht im Rahmen einer Kapitalerhöhung als Agio vereinnahmt werden, stammen sie typischerweise aus erwirtschafteten Gewinnen.

Aus bilanzrechtlicher Sicht ist die Nutzung oder Auflösung von Rücklagen nur in genau umrissenen Situationen zulässig. Aktiengesellschaften ist es nach § 150 (3) und (4) AktG gestattet ihre Gewinnrücklagen nutzen, um einen Jahresfehlbetrag oder einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr zu kompensieren.

 

Ein Plädoyer für hohe Unternehmerbezüge?

Was hat diese Rücklage mit dem Unternehmerlohn zu tun?

Rücklagen kann der Unternehmer auch außerhalb des Unternehmens bilden. Sie dienen vor allem im Notfall zur Bereitstellung frischer Liquidität für das Unternehmen. Sie wird häufig in Krisen- oder Sanierungssituationen, wenn beispielsweise von den kreditgebenden Banken Nachschüsse gefordert werden, erforderlich. Denkbar sind aber auch Situationen, in denen von einer Beteiligungsgesellschaften Nachschüsse geleistet werden und der Unternehmer so eine Verwässerung seiner eigenen Anteile vermeiden kann.

Entgegen der weit verbreiteten Annahme dient der Unternehmerlohn nicht nur dem privaten Konsum des Unternehmers, sondern bildet auch ein Polster für schwierige Zeiten im Unternehmen.

Häufig sind öffentliche Neidbekundungen ideologisch motivierten. Sie sprechen dem Unternehmer die Berechtigung eines angemessenen Unternehmerlohns ab. Betrachtet man mittelständischen (Familien-) Unternehmen in der Krise, zeigt sich immer wieder die Notwendigkeit für diese Form der Rücklagenbildung. Häufig ist es der Unternehmer selbst, der in falsch verstandener Bescheidenheit „jeden Euro im Unternehmen lässt“.

Entscheidend ist bei dieser Form der Rücklagenbildung zunächst die Auszahlung an den Gesellschafter/Unternehmer. Nur dann ist er zu gegebener Zeit in der Lage nachzuschießen. Verbleiben die Rücklagen im Unternehmen, kann im Krisenfall kein frisches Geld zur Verfügung gestellt werden. Die bereits geschilderten bilanziellen Rücklagen können lediglich zu einer bilanziellen Sanierung genutzt werden, erweitern aber nicht die Haftsumme.

Während bei Vereinen die Bildung von Rücklagen beispielsweise auf maximal 10 % der Gewinne begrenzt ist, bieten sich dem Unternehmer bei einer Ausschüttung oder Entnahme in den privaten Bereich weitere Spielräume. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass eine ertragssteuerliche Belastung erfolgt.

Um den richtigen Umfang dieser ausgezahlten Rücklagen zu bemessen, ist eine Analyse des jeweiligen Unternehmens erforderlich. Kriterien für die Bemessung sind beispielsweise

  • Branche
  • Organisationsgrad
  • Wettbewerbssituation
  • Größe des Unternehmens
  • Ertragslage

 

Sprechen Sie uns gerne hinsichtlich eines individuellen Vorschlages für Ihre Situation an.

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