Restrukturierung ohne die Zustimmung der Gesellschafter möglich?
StaRUG-Verfahren gegen den Willen von Anteilsinhabern
Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) ist zum 1.1.2021 in Kraft getreten und ein vorinsolvenzliches Hilfsangebot für Schuldnerunternehmen, die drohend zahlungsunfähig sind. Voraussetzung ist, dass das Restrukturierungsvorhaben von den Geschäftsleitern bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht zur Anzeige gebracht wird.
Der Restrukturierungsplan kann auch gesellschaftsrechtliche Restrukturierungsmaßnahmen bzw. Eingriffe in Gesellschaftsrechte vorsehen. Möglich sind ein Debt-Equity-Swap, eine Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung, ein Bezugsrechtsausschluss oder die Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte (blockierender Anteilsinhaber). Ein Kapitalschnitt mit anschließendem Bezugsrechtsausschluss gegenüber einem oder alle Gesellschafter, um einen neuen Investor zu gewinnen, wäre möglich. Die Mitgliedschaftsrechte von Anteilsinhabern können somit im Rahmen eines StaRUG-Restrukturierungsplans auf dem „Spiel“ 🔥 stehen.
Aufgrund dieser Wirkungen eines Restrukturierungsplans gegen Anteilsinhaber von Schuldnerunternehmen, stellt sich die Frage, ob die Geschäftsleiter für die Anzeige der Restrukturierungssache bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht einen qualifizierten Gesellschafterbeschluss (GmbH) bzw. einen Beschluss der Hauptversammlung (AG) benötigen.
👉 Rechtsprechung
Dem Amtsgericht Hamburg (AG Hamburg) lag 2023 als Restrukturierungsgericht folgender Sachverhalt vor:
Im Rahmen der Durchführung eines Projekt entsteht ein Streit zwischen den Gesellschaftern einer GmbH. Das Projekt stockt aufgrund der Streitigkeiten, die Kosten laufen weiter, ein Darlehen wird kurzfristig fällig und die Gesellschaft wird drohend zahlungsunfähig nach § 18 InsO. Die Gesellschafter können keinen Beschluss hinsichtlich der weiteren Finanzierung fassen. Die Geschäftsleitung zeigt für das Schuldnerunternehmen das Restrukturierungsvorhaben an. Ein Gesellschafterbeschluss liegt nicht vor. Der Restrukturierungsplan sieht rein gesellschaftliche Maßnahmen vor.
Das AG Hamburg hob mit Beschluss vom 17.03.2023 die Restrukturierungssache mit der Begründung auf, dass die Anzeige des Geschäftsführers nicht wirksam sei, weil, sodass Hauptargument, dem Geschäftsführer die zur Einreichung der Anzeige erforderliche Vertretungsmacht bzw. ein ihn ermächtigender Gesellschafterbeschluss mit qualifizierter Mehrheit (75%) fehlt.
Das Beschwerdegericht, das Landgericht Hamburg (LG Hamburg), bestätigte mit Beschluss vom 20.04.2023 (Beschluss v. 20.04.2023 – 304 T 15/23, NZG 2023 S. 1133) die Rechtsauffassung des AG Hamburg und konkretisiert: Durch das StaRUG kann das gesellschaftsrechtliche Zustimmungserfordernis nicht unterlaufen werden.
Das Landgericht Berlin bestätigt in seiner Entscheidung vom 31.05.2023 (LG Berlin, Beschluss v. 31.05.2023, 100 O 18/23, NZI 2023 S. 928) die Rechtsauffassung des LG Hamburg.
Teilweise abweichend dazu das Amtsgericht Nürnberg (AG Nürnberg, Beschluss v. 21.6.2023, RES 397/23, NZI S. 881): Der Sachverhalt betrifft eine Aktiengesellschaft. Das Gericht führte aus, dass der Vorstand zur Anzeige und Antragstellung des Restrukturierungsvorhabens vertretungsberechtigt gewesen ist und nicht verpflichtet gewesen sei, zuvor die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen. Dies gilt zumindest dann, wenn ausreichend glaubhaft gemacht werden kann, dass das Restrukturierungsvorhaben im Hinblick auf ein Insolvenzverfahren alternativlos ist.
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👉 Literaturmeinung
Die herrschende Literaturansicht befürwortet aufgrund der Eingriffsintensität für Gesellschafter durch ein StaRUG-Verfahren einen zustimmenden Gesellschafterbeschluss für die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens. Argumente sind u.a.:
Dem wird in der Literatur teilweise gegenübergestellt, dass die vorinsolvenzliche Sanierung i.S.d. StaRUG im Interesse der Gesellschafter ist, da diese im Insolvenzfall an rangletzter Stelle stehen. Aus der Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft wird deren Zustimmungspflicht zur Einleitung eines StaRUG-Verfahrens abgeleitet, um den Erhalt der Schuldnergesellschaft zu ermöglichen, allerdings nur, sofern die Gesellschafter die Gesellschaft zuvor selbst erfolglos restrukturiert haben.
👉👉 Praxishinweis
Die „Geister“ scheiden sich an der Frage, ob eine Restrukturierungsanzeige nach dem StaRUG als ein Grundlagengeschäft, also eine Maßnahme von wesentlicher Bedeutung, die in den Zuständigkeitsbereich der Gesellschafter fällt, oder als Geschäftsführungsmaßnahme zu qualifizieren ist.
Festzustellen ist, dass von dem StaRUG eine vorherige Beschlussfassung der Schuldnerorgane nicht ausdrücklich gefordert wird.
Gleichgültig, wie das Zustimmungserfordernis für eine Restrukturierungsanzeige im StaRUG-Verfahren im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern und der Geschäftsleitung rechtlich beurteilt wird, das Fehlen eines Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafter hat grundsätzlich keine Außenwirkung. Es ist eine Frage der Haftung im Innenverhältnis. Zur Vermeidung von derartigen Haftungsrisiken ist es (aktuell) empfehlenswert, das Geschäftsleiter vor der Einleitung eines StaRUG-Verfahrens einen Gesellschafterbeschluss einholen.
Ob für StaRUG-Restrukturierungsvorhaben, die nur einen Eingriff in Gläubigerrechte vorsehen, ein Zustimmungserfordernis der Gesellschafter benötigt wird, ist nicht eindeutig klar. In der Literatur wird dieser Sonderfall selten besprochen. Unserer Auffassung nach ist eine Zustimmung der Gesellschafter in solchen Fällen grundsätzlich nicht erforderlich. Dies lässt sich im Umkehrschluss aus den Hamburger Entscheidungen ableiten. Die weitere Entwicklung hierzu bleibt abzuwarten.
🧐 Vor der Einleitung eines StaRUG-Verfahrens sollte die "Lage" bei der Gesellschaft also nicht nur wirtschaftlich und finanziell, sondern auch rechtlich gründlich sondiert werden.
Nur wenn Anlass bestehen sollte, dass Insolvenzreife vorliegt, liegt die Entscheidungsbefugnis bei der Geschäftsleitung.
Geschäftsführender Gesellschafter Buchalik Brömmekamp Rechtsanwalt GmbH
5 MonateHallo die Herren, aus meiner SIcht ist die Rechtslage eindeutig. Es bedarf eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses MfG Robert Buchalik