Radsport ist wie Leadership. Nur ohne Würfel.

Radsport ist wie Leadership. Nur ohne Würfel.

Ein Führungskräfte-Manifest auf zwei Rädern. In den vergangenen zwanzig Jahren habe ich mich nun den ein oder anderen Berg hinauf gewuchtet. Und am Anfang dieser Zeit dachte ich noch, dass Radsport ein Einzelsport ist. Aber weit gefehlt. Es ist ein Freundschaftssport. Ein Teamsport. Ein Erlebnis für alle, die diese Faszination, einen Hügel, Berg oder die höchsten Gipfel erklommen haben. Was mir nie klar war, ist, wie viel ich im Vergleich zu meinen beiden anderen Sportarten Fußball und Tennis gelernt habe. Für mich gibt es in der Welt des Radsports so viele unerwartete Parallelen zur Berufung, als Führungskraft zu arbeiten, denn genau wie im Job ist es beim Radfahren sodass jede Pedalumdrehung eine Geschichte von Herausforderung, Wachstum und menschlicher Verbindung erzählt. Ich habe ein paar Sachen gelernt.

Demut.

Berge sind da. Sie sind während der Fahrt nach oben Deine Gegner. Auf dem Weg nach unten, Deine Freunde. Und bei beidem ist es wichtig, demütig zu sein. Nach oben konstant Tribut zollen, bergab vorsichtig sein. Im letzten Jahr hat ein 20-jähriger Radprofi am Großglockner sein Leben in der Abfahrt verloren. Und es zeigt Dir Deine Grenzen. Mein allererster Fahrradausflug mit dem Rennrad ging zum Stilftser Joch. Der allererste.

Ich hatte keine Demut und dachte, das ist easy. Ich wiege ja hundert Kio, das kann ja nicht so wild sein.

Das Stilftser Joch lehrte mich Demut. Bei Kehre 8 war Schluss.

Rien ne vas plus.

Gar nichts. Ich sah den Gipfel und er war unerreichbar. Was zunächst wie eine Niederlage aussah, wurde zu einer wertvollen Lektion in Demut. Ich habe nie wieder einen Berg unterschätzt. In der Geschäftswelt gibt es ähnliche Herausforderungen, die anfangs unüberwindbar scheinen. Menschen, die einen herausfordern. Demut vor den Aufgaben und Wertschätzung jeder und jedem Gegenüber zu zeigen, hat sich bei mir im Business etabliert.

Respekt auf dem Weg nach oben

Bei jedem neuen Aufstieg spürst du tiefe Ehrfurcht – nicht nur vor dem Berg, sondern vor jedem Mitfahrer und jeder Mitfahrerin. Alle leiden. Alle in ihrem Tempo. In der Führungsrolle gilt dasselbe: Respektiere jeden im Team, unabhängig von Geschwindigkeit oder Position. Jeder Beitrag zählt, jede Anstrengung verdient Anerkennung. Ich erwähne hier oft meinen Papa, und er hat mal gesagt: "Sei nett auf dem Weg nach oben – Auf dem Weg nach unten triffst Du alle wieder." Recht hat er. Und dennoch ist das für mich jeden Tag eine Herausforderung.

Genuss der Fahrt

Das Leben ist kurz, Karrieren sind flüchtig. Beim Radfahren wie im Beruf ist es wichtig, den Moment zu genießen. Als Führungskraft kannst Du eine Umgebung schaffen, die Freude und Engagement fördert. Nur wer mit Begeisterung dabei ist, wird Außergewöhnliches leisten. Ich muss mich da regelmäßig daran erinnern, denn die Sozialisierung mit höher, schneller, weitergeht. Und Sätze wie Qualität kommt von Qual sind noch tief in mir verankert. Die letzten Meter eines Berges fahre ich immer mit einem Lächeln im Gesicht. Im letzten Jahr am Umbrail Pass wollte ich immerzu nur fluchen, aber stattdessen habe ich den Kindergartensatz meines Sohnes: Du schaffst das immer wieder aufgesagt. Und am Ende konnte ich oben am Gipfel lächeln. Auch wenn ich kurz hinter unserer Geschäftsführerin oben angekommen bin. Es geht ja ums Genießen.

Das bunte Peloton des Lebens

Im Radsport treffen sich Menschen aller Art – ein Abbild der Gesellschaft. Mein langjähriger Mitfahrer Chris ist Kindergärtner. Wir beide hätten uns ohne Radfahren nie getroffen, und es ist eine der wichtigsten Begegnungen in meinem Leben geworden. Führungskräfte können daraus lernen und Vielfalt in ihren Teams fördern. Ob in Brixen, Colorado oder Tokio: Kindergärtner, Busfahrer, Arzt oder oder oder. Es zählt nicht die Herkunft oder der Beruf, es zählt der Mensch und das gemeinsame Ziel.

Konflikte als Anstiege der Beziehungen

Zwischenmenschliche Konflikte erfordern, genau wie anspruchsvolle Anstiege, Ausdauer und Verständnis.

Wut gibt mir und vielen anderen Energie, hat aber auch die Macht, zerstörerisch zu sein. Zerstörerisch, mir und anderen gegenüber.

Mut aus Wut ist mein Ziel.

Mutig zu sein. Positive Energie aus dem erst mal negativ konnotierten Gefühl der Wut zu ziehen. Als Führungskraft lernst Du, die Perspektive anderer einzunehmen. Ein kürzlich beigelegter Streit zeigte in einem offenen und sehr ehrlichen Gespräch: Wir haben den gleichen Kampf geführt. Nur von verschiedenen Seiten. Mit den gleichen Gedanken. Und da beide die ganze Zeit gegeneinander arbeiten, ist beider Energie vergeudet.

Im Normalfall fahre ich ja auch nicht mit Gepäck Berge hoch. Oder schraube mir vorher die Bremse zu. Noch viel besser ist das Bild, wenn zwei Radfahrer mit einem Gummiseil verbunden sind und in zwei Richtungen fahren. Das hält auf. Beide.

Führung auf zwei Rädern

Mich hat Radsport gelehrt, dass Führung eine Reise ist. Eine Reise mit Höhen und Tiefen, auf der Du lernst, Dich selbst und andere zu respektieren, Vielfalt zu schätzen und Konflikte als Wachstumschance zu sehen.

Die Straße mag steil sein, aber die Aussicht von der Spitze lohnt sich.

Manchmal ist man an der Spitze, manchmal in der Ausreißergruppe, im Hauptfeld oder im Grupetto. Entscheidend ist zu wissen. Ich bin nicht allein. Denn für mich ist Erfolg nur gemeinsam möglich. Oder zumindest macht er gemeinsam mehr Spaß.

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