Raus aus der Wohlfühlzone - vom Neustart in einer fremden Sprache zur erfolgreichen Kanzlei

Raus aus der Wohlfühlzone - vom Neustart in einer fremden Sprache zur erfolgreichen Kanzlei

Wenn du alles hinter dir lassen würdest – sichere Karriere, vertrautes Umfeld, Sprache, Kultur – was würdest du mitnehmen? Elena Nestmeyer hat auf diese Frage eine Antwort gefunden: Mut und einen klaren Fokus. 2009 kam sie nach Deutschland, ohne die Sprache zu sprechen, ohne berufliche Anerkennung und ohne Netzwerk. Heute, 15 Jahre später, führt sie die erfolgreiche Steuerkanzlei PROFIL, die sie in nur vier Jahren in Nürnberg aufgebaut hat.

Wie schafft es jemand, solche Hürden zu überwinden und beruflich wie persönlich erfolgreich zu sein? Ich habe Elena auf einer Netzwerkveranstaltung kennengelernt, und ihre Geschichte hat mich sofort neugierig gemacht. Zwei Wochen später besuchte ich sie in ihrer Kanzlei, um mehr über ihren Weg zu erfahren.

Der Sprung ins Ungewisse: Von Russland nach Deutschland

In Russland begann Elenas Karriere schon früh: Mit bereits 21 Jahren wurde sie nach ihrem BWL Studium Abteilungsleiterin in der Finanzbuchhaltung. Sie hatte eine sichere Position, ein gutes Gehalt und vielversprechende Aussichten. Eine weitere Beförderung stand im Raum: „Ich hatte ein Jobangebot mit Wohnung und Auto – meine Eltern und meine Schwester haben zusammen weniger verdient, als ich damals hätte bekommen können“, erzählt sie.

Dann kam die Liebe und es ergab sich die Möglichkeit, nach Deutschland zu ziehen. Ohne Sprachkenntnisse, ohne die Anerkennung ihres Studiums, ließ Elena alles zurück und wagte einen Neuanfang. Ein Schritt, der für viele unvorstellbar erscheint.

Superkraft: Fokus und Priorisierung

Wie erlebt man eine solche radikale Veränderung? Elena hat eine Superkraft: den kompromisslosen Fokus auf das Wesentliche. Direkt nach ihrer Ankunft begann sie, intensiv Deutsch zu lernen.

„Ich hatte schon in Russland gelernt, mit Unsicherheiten umzugehen. Mein Alltag dort war extrem fordernd – 80 bis 90 Stunden Arbeit pro Woche. Als ich nach Deutschland kam und ‚nur‘ die Sprache lernen musste, fühlte sich das fast wie Urlaub an.“

Innerhalb weniger Jahre sprach sie die Sprache fließend und schaffte den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt.

„Ich habe mich auf kleine Etappen konzentriert. Erst die Sprache, dann die Weiterbildung zur Bilanzbuchhalterin“, sagt sie.

Diese Doppelbelastung meisterte sie als berufstätige Mutter eines Kleinkinds mit hoher Disziplin: „Ich blende alles andere aus, wenn ich ein Ziel habe – manchmal sogar so sehr, dass ich grundlegende Dinge wie Essen oder Trinken vergesse, das ist nicht immer gut“, gibt sie zu. „Aber diese Fokussierung hat mich durch jede Phase gebracht.“

Große Hürden, klare Visionen

Nach sechs Jahren als Bilanzbuchhalterin wagte Elena den nächsten Schritt: die Steuerberaterprüfung. Eine der härtesten Prüfungen in Deutschland, die jahrelange Vorbereitung erfordert. Parallel meisterte sie die private Herausforderung einer gescheiterten Beziehung – und fand in dieser Zeit ihre nächste Vision:

„Ich wollte eine Kanzlei, die nicht nur Buchhaltung macht, sondern Unternehmen aktiv berät. Ein digitales, modernes Büro, nah an meiner Wohnung.“

Mit dieser Vision im Kopf fand sie wenige Monate nach ihrer Steuerberaterprüfung ein Büro. „Ich habe angerufen, und es war frei. Ich wusste, das ist es!“

Der ultimative Test: Selbstständigkeit während der Pandemie

Kaum hatte Elena ihre Kanzlei gegründet, wurde sie von gleich zwei Rückschlägen getroffen: Eine Operation zwang sie wochenlang auf Krücken, und die Corona-Pandemie legte die Welt lahm.

„Ich konnte kaum laufen und durfte wegen der Beschränkungen sowieso nicht raus. Aber ich habe die Zeit genutzt, um Prozesse zu planen, Netzwerke aufzubauen und mich weiterzubilden.“

Dieser pragmatische Ansatz zahlte sich aus. Heute ist ihre Kanzlei ein Vorzeigebetrieb – nicht nur für Mandanten, sondern auch für Mitarbeiter.

Erfolg mit Vision: Mehr als Buchhaltung

Elena hat ihre Kanzlei nicht nur auf Wachstum, sondern auch auf eine starke Unternehmenskultur ausgerichtet. Fast die Hälfte ihrer Mitarbeiter sind Auszubildende – ein beeindruckender Wert in Zeiten des Fachkräftemangels.

„Es liegt an der Atmosphäre, die wir schaffen“, sagt Elena. „Unsere Mitarbeiter tragen nach außen, dass sie hier gut betreut werden und eine erstklassige Ausbildung erhalten. Das spricht sich herum – sogar Familienangehörige wie Geschwister klopfen bei uns an. Das ist ein tolles Gefühl.“

Ihre Kanzlei denkt weit über klassische Buchhaltung hinaus: Mit klaren Zahlen hilft sie Mandanten, Strategien für die Zukunft zu entwickeln. Dabei hat Elena eine klare Vision: „Ich möchte die Kanzlei weiter ausbauen, mehr Kollegen einstellen und vielleicht Partner aufnehmen. In fünf Jahren plane ich, viermal so groß zu sein, mit einem klaren Fokus auf Digitalisierung und zukunftsorientierte Beratung. Es geht nicht nur darum, Zahlen aus der Vergangenheit aufzuarbeiten, sondern die Zukunft unserer Mandanten aktiv mitzugestalten.“

Drei Dinge, die uns alle weiterbringen

Auf Elenas LinkeIn Profil findet sich ein Zitat von Cicero „Suche nicht andere, sondern dich selbst zu übertreffen.“ Und genau diese Einstellung habe ich aus ihren geschilderten Lebenserfahrungen immer wieder herausgehört.

Hier sind meine drei wichtigsten Learnings aus unserem Gespräch: 1. „Mut wird belohnt“ Elena hat in Russland alles aufgegeben: eine Spitzenkarriere, ein komfortables Leben, die Nähe zur Familie. Und wofür? Für einen kompletten Neustart in einem Land, dessen Sprache sie nicht einmal kannte.

Wir reden oft davon, dass es „zu spät“ sei oder dass wir „nicht alles aufs Spiel setzen“ können. Aber: Sicherheiten loszulassen kann der Anfang von etwas Großem sein – selbst wenn es am Anfang schwierig aussieht.

2. „Ein Ziel nach dem anderen – und dann mit Vollgas“ Elena beschreibt ihren Erfolg nicht als magische Geschichte, sondern als einen Plan. Sie hat sich immer nur auf die nächste Etappe konzentriert: Erst Deutsch lernen, dann Bilanzbuchhalterin werden, dann die Steuerberaterprüfung bestehen, dann die Kanzlei aufbauen.

Statt uns von großen Zielen abschrecken zu lassen, sollten wir sie in kleine Schritte zerlegen – und dann mit vollem Einsatz daran arbeiten. Es ist nicht wichtig, wie schnell wir starten, sondern dass wir fokussiert bleiben.

3. „Mach dir ein Bild – und dann bau es dir selbst“ Bevor Elena ihre Kanzlei gründete, wusste sie genau, wie sie aussehen sollte: digital, modern, in Laufweite ihrer Wohnung, mit einem Team, das zusammenhält. Dieses Bild hat sie nicht nur geträumt – sie hat es Stück für Stück Realität werden lassen.

Träumen allein reicht nicht. Wenn wir wissen, was wir wollen, müssen wir es uns klar vor Augen führen – und bereit sein, hart dafür zu arbeiten. Der Weg dahin ist selten perfekt, aber das Ziel wird es umso mehr.

Das Beste daran: Diese Prinzipien funktionieren für uns alle. Ob wir eine Karriere starten, ein Unternehmen gründen oder unser persönliches Leben verändern wollen: Mut, Fokus und Vision sind die Zutaten, die Erfolg möglich machen.

Elena Nestmeyer

"Suche nicht andere, sondern sich selbst zu übertreffen" (Cicero)

3 Wochen

Danke dir für den Artikel

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