Rechtsextremismus, Hass, Intoleranz: Ich bekenne Farbe!
(Copyright: Lothar Hiese)

Rechtsextremismus, Hass, Intoleranz: Ich bekenne Farbe!

Seit geraumer Zeit schon zeigen in Deutschland Rechtsextreme immer offener und ungenierter ihre widerlichen Fratzen, sie sind omnipräsent, lokal, auf Landes- und Bundesebene, selbstverständlich auch in (sozialen) Medien aller Couleur. Der rechtsextremen AfD werden in anstehenden Wahlen Rekordergebnisse prognostiziert. Für mich Anlass genug, in diesem Beitrag Farbe zu bekennen, die nachfolgenden ausnahmsweise rein politischen Ausführungen mit Ihnen zu teilen.

Als ich in den 80er Jahren nach Ausbildung und Studium meine ersten 4 Berufsjahre in Frankreich verbringen durfte (in meinem Zuhause wurde noch vom "Erbfeind Frankreich" gesprochen...), verfolgte ich dort ungläubig die politischen Umtriebe des Holocaustleugners und Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen, immerhin bis 2011 Vorsitzender der rechtsextremen Partei Front National, deren Erbe heute seine Tochter Marine und inzwischen auch seine Enkelin Marion liebevoll und konsequent pflegen und hegen. Genauso, allerdings positiv, überrascht war ich, dass ich trotz der sehr besonderen deutsch-französischen Geschichte niemals ein einziges negatives Wort über Deutschland/Deutsche gehört habe. Im Gegenteil, die Franzosen waren größten Lobes für typisch deutsche Tugenden, ich habe nur Höflichkeit und Zuvorkommenheit erlebt. Jedenfalls war ich damals fest davon überzeugt, dass es eine vergleichbare rechtsextreme politische Bewegung in Deutschland, mit dieser unserer Geschichte, niemals geben würde, überall wurden wir ja auch gelobt für eine beispielhafte Aufarbeitung unserer Geschichte.

Ich denke, unter der Oberfläche hat Rechtsextremismus in Deutschland immer geschwelt/seinen Platz (gehabt), bei mir zuhause (mein Vater, Jahrgang 32, hatte früher SPD und FDP gewählt, war viele Jahre Abonnent der Wochenzeitschrift "Die Zeit") kam braunes Gedankengut eines Tages sogar offen an die Oberfläche. Irgendwann lag in den 80er Jahren beim Besuch daheim die National Zeitung auf dem Beistelltisch, beim zufälligen Gang in den Keller des Elternhauses entdeckte ich dann auch noch eine Karte des deutschen Reichs an der Wand. Wie ich später erfuhr tagte bei uns in regelmäßigen Abständen eine Jugendgruppe des "Bundes Heimattreuer Jugend", eine vom Verfassungsschutz beobachtete rechtsextreme Jugendorganisation. Irgendwie war ich damals wohl zu sehr mit mir beschäftigt, habe das alles mit meinen Eltern nicht thematisiert, nach Kaffee und Kuchen - Besuchen habe ich mich auf mein Motorrad geschwungen und - bin wieder in mein schönes Leben eingetaucht. Sogar als mir vorgehalten wurde, dass ich keinen Wehrdienst leisten würde/wollte, wer solle denn dann die deutschen Ostgebiete zurück (ins Reich...) holen, habe ich gute Miene zu bösem Spiel gemacht. Hauptsache - kein Streit in der Familie.

Jahre später, Mitte der 90er, nach einem vielstündigen Gespräch mit einer jungen Israelin im Rahmen eines Neuseeland-Urlaubs, war es mit dem Verdrängen vorbei, wollte ich meine Eltern "stellen". Im Ergebnis ist es über mehrere Jahre zum Bruch gekommen, keine Kontakte mehr, "alle Vorwürfe seien aus der Luft gegriffen". Nun, nach einigen Jahren saß ich trotzdem wieder am - Kaffee und Kuchen-Tisch, aufgearbeitet war das Thema freilich immer noch nicht.

Erst vor wenigen Jahren, nach dem Tod meines Vaters und meiner Stiefmutter, stieß ich auf Belege, die klare Hinweise darüber enthalten, wie es zur politischen "Metamorphose" in meinem Elternhaus/bei meinem Vater kommen konnte. Der Vater meiner Stiefmutter war schon früh Mitglied der NSDAP, er hat es bis in einen sehr hohen Kaderkreis des SD geschafft (Gebietsführer), nach dem Krieg wurde er deswegen in der britischen Besatzungszone interniert. Geholfen hat das nichts. Er hatte Ende der 60er Jahre in der National Zeitung für seine Tochter eine Bekanntschaftsanzeige geschaltet, von der mein Vater erst über eine frühere Nachbarin aus Berlin erfahren hatte. Das Treffen auf diese Anzeige hin endete - in einer Ehe. Ganz offensichtlich ist mein Vater dann ideologisch/politisch den Vorstellungen eines rassistischen und unverbesserlichen Nazis auf den Leim gegangen, denen - seines Schwiegervaters.

Warum ich diese sehr persönliche Geschichte teile? Ich war damals nicht aufmerksam, habe nicht den innerfamiliären Konflikt gesucht, den ich hätte suchen sollen (ungeachtet aller möglichen Konsequenzen). Ich habe das Feld Rechtsextremen überlassen, gute Miene zu bösem Spiel gemacht, vielleicht auch in der Hoffnung, dass sich jede Gefahr von rechts von ganz alleine erledigen würde, lägen nur die letzten alten Unverbesserlichen unter der Erde.

Es ist bekanntlich anders gekommen. Björn Höcke dominiert heute eine AfD (objektiv gesehen ein "Kabinettstückchen", wie er diese einst Euro-kritische Bewegung zu einer weitgehend rechtsextremen Partei umgestaltet hat), die -wie oben ausgeführt- mit Rekordwahlergebnissen rechnen darf. Niemand kann ausschließen, dass diese Partei eines Tages einen Ministerpräsidenten stellen wird, ein Gedanke, bei dem mir speiübel wird. Wer hätte jemals gedacht, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland nicht mehr sicher sind, wer hätte gedacht, dass es soweit kommen würde?

Ich bin klar dafür, dass alle Rechtsmittel ausgeschöpft werden, um - zum richtigen Zeitpunkt - diese Partei zu verbieten, und - um Einzelpersonen wie Björn Höcke (der sein widerliches Gedankengut regelmäßig breit teilt/publiziert) ihre Bürgerrechte zu entziehen.

Ich habe kein Verständnis dafür, wie man/frau vor dem Hintergrund der unbestreitbaren Dominanz des Höcke-Flügels für diese Partei wirken kann, egal in welcher Rolle, wenn man/frau sich selber nicht im rechtsextremen Spektrum verortet.

Als Betriebswirt und Manager/Geschäftsführer von Wirtschafts-Unternehmen habe ich zudem kein Verständnis dafür, wie man/frau, mit der Wahl der AfD, den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig gefährden kann. Dass diese Gefahr bereits jetzt deutlich gesehen wird, zeigen entsprechende Kampagnen nicht nur, aber insbesondere von Unternehmen im Osten Deutschlands.

Schließlich: Ich habe auch kein Verständnis dafür, in welche Sackgasse unsere etablierten Parteien unser Land regiert haben, wie wenig Nähe diese offensichtlich schon seit langer Zeit zum Wahlvolk pflegen, wie sie über die Köpfe ihrer Wählerinnen und Wähler hinweg regieren. Im Ausland schaut man/frau nur noch fassungslos auf Deutschland. Diese Arroganz der Mächtigen hat nach meiner Einschätzung einen wesentlichen Einfluß auf das Erstarken der AfD. Der politische Diskurs ist darüberhinaus in geradezu unerträglicher Weise verroht, auch daran haben die etablierten Parteien einen großen Anteil. Ich begrüße deswegen ausdrücklich das Entstehen neuer politischer Parteien/Bewegungen, insoweit sie sich im Rahmen der Demokratie Ausdruck verschaffen wollen. Allerdings: Ich habe kein Verständnis dafür, wie man/frau trotz aller Unzufriedenheit eine rechtsextreme Partei wählen kann, die, erst einmal an der Macht, die Demokratie Schritt für Schritt abschaffen will/wird, Deutschland in einen autoritären, nationalistischen Staat verändern will, mit einem starken Führer an der Spitze (alles nachzulesen bei Herrn Höcke). Zur Erinnerung: Adolf Hitler hat sich nicht etwa an die Macht geputscht, er wurde in demokratischen Prozessen Reichskanzler, und hat aus dieser Position heraus seine grauenvollen Verbrechen geplant und durchgeführt.

Ich schweige nicht mehr.

#niewiederistjetzt




Gotthard Haug

Interim Executive - Investor - NED - CEO/CFO/CRO - Change Management, Turnaround, Restructuring, International Post Merger Integration & Carve Out, M&A, Corp. Finance

11 Monate

Lieber Herr Hiese, Respekt und Anerkennung für diesen persönlichen Beitrag, leider notwendig in diesen Zeiten. Bis bald, GH

Markus Guggenbühler

Managing Partner | Geschäftsführer | Board Member

11 Monate

Lieber Lothar vielen Dank für diesen großartigen und leider notwendigen Artikel.  Ich teile Deine Sicht voll und ganz. In der Erwähnung Deiner Erfahrungen in Frankreich gibt es eine Parallele. Die Familie meiner Frau - und ich denke hier vor allem an ihre Grosseltern, welche mehrfach in von Deutschen verursachten Kriegssituationen flüchten musste bzw. umgesiedelt wurden - gab es mir gegenüber NIE, zu einem keinem Zeitpunkt irgendwelche Resentiments. Das hat mich immer sehr beeindruck und auch berührt. Dies habe ich nie als selbstverständlich betrachtet und bin dankbar dafür.  In den heutigen - hochkomplexen - Zeiten, hat die Politik primär die Aufgabe, die Sachverhalte, Zusammenhänge, Zwänge, Risiken und Chancen transparent zu erklären und in die Zukunft zu führen. Leider kommt dies, vielleicht abgesehen von einem Robert Habeck, zu oft zu kurz und die Bürger suchen sich dann die einfachsten Antworten. Und leider werden diese von den Dumpfbacken wie Höcke & Co regelmässig und zuverlässig geliefert.  Gut, dass sich nun die Mehrheit aufmacht, die Werte zu bewahren. Denn sonst brauchen wir bald auch keine Netzwerke wie LinkedIn mehr. Sonst sagen uns die Dumpfbacken, wie und worüber wir uns austauschen… Danke&Respekt Lothar!

Thomas Schneevoigt

Executive und Führungskräfte Coaching, Organisationsberatung, Beratung in Konflikten, Begleiter auf dem Weg der Veränderung

11 Monate

Lieber Lothar vielen Dank für Deine klare Haltung gegen RECHTS! Danke auch für die Offenheit und den Einblick in Dein Elternhaus. Wegschauen geht nicht! Danke für die klare Botschaft.

Peter Rodinger

Interim-Manager Finance/Accounting

11 Monate

Sehr geehrter Herr Hiese. Ein lesenswerter Artikel und ein sehr gute Einordnung der aktuellen Situation. Herzlichen Dank dafür.

Michael Wald

Key Account Manager Neue Märkte & Bike Parts Außendienst Nord Bayern

11 Monate

Danke lieber Lothar für Deine wahren Worte! Danke 🙏 Auch ich werde nicht mehr schweigen! Niemals! 💪👍

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Weitere Artikel von Lothar Hiese

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen