Rechtsprechungsreport: Sachgrundlose Befristung alle drei Jahre möglich? Zum Begriff der Vorbeschäftigung
Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG können Arbeitsverträge ohne Sachgrund für maximal zwei Jahre befristet abgeschlossen werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, dass nicht bereits zuvor ein Arbeitsvertrag zwischen den Parteien bestand. Es ist umstritten, ob "bereits zuvor" im Sinne von "jemals zuvor" zu verstehen ist, oder ob es eine zeitliche Beschänkung gibt. In einer Reihe von mehreren LAG-Entscheidungen hat sich zuletzt auch das LAG Schleswig-Holstein (vom 27.07.2017 – 4 Sa 221/16) mit der Frage beschäftigt, ob eine solche, die sachgrundlose Befristung ausschließende Vorbeschäftigung dann nicht mehr vorliegt, wenn die Vorbeschäftigung mehr als drei Jahre zurück liegt.
Die Klägerin war bei der Beklagten – der Bundesagentur für Arbeit – als Vollzeitkraft bereits vom 22.10.1991 bis zum 30.11.1992 beschäftigt worden. Knapp 22 Jahre später – am 01.10.2014 – schlossen die Parteien erneut einen Arbeitsvertrag. Dieser enthielt eine Befristung für den Zeitraum 15.10.2014 bis 30.06.2015. In § 8 des Arbeitsvertrags ließ sich die Beklagte von der Klägerin versichern, dass zwischen den Parteien in den letzten drei Jahren kein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Klägerin begehrte nun die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses mangels Wirksamkeit der Befristungsabrede. Das Arbeitsgericht wies die Klage unter Verweis auf die Rechtsprechung des BAG ab.
Das LAG Schleswig-Holstein entschied anders: Der Wirksamkeit der vereinbarten sachgrundlosen Befristung stehe das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen. Nach diesem scheide eine sachgrundlose Beschäftigung aus, wenn mit demselben Arbeitgeber „bereits zuvor ein […] Arbeitsverhältnis bestanden hat“. Das gelte auch, wenn – wie hier – das Ende eines zwischen den Parteien vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliege. Eine zeitliche Einschränkung des Anschlussverbots existiere nicht. Hierfür spreche sowohl der klare Wortlaut, die Entstehungsgeschichte und der Wille des Gesetzgebers als auch die Systematik und der Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Rechtsprechung des 7. Senats des BAG sei daher nicht zu folgen.
Hinweis:
Das BAG hatte zunächst vertreten, dass das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbeschränkt bestehe (BAG vom 06.11.2003 – 2 AZR 690/02). Nach einer Neubesetzung im 7. Senat des BAG hatte dieser dann aber am 06.04.2011 entschieden, dass insoweit nur Arbeitsverhältnisse zur berücksichtigen seien, die weniger als drei Jahre zurück liegen (Az. 7 AZR 716/09). Die Frage schien damit geklärt und die Arbeitgeber und das diesen zugeneigte Schrifttum frohlockten.
Allerdings formiert sich mittlerweile beachtlicher Widerstand. Eine Vielzahl von Landesarbeitsgerichten ignoriert die Rechtsprechung des 7. Senats: Neben dem LAG Schleswig-Holstein vertreten auch das LAG Baden-Württemberg (26.09.2013 – 6 Sa 28/13, 21.02.2014 - 7 Sa 64/13, 13.10.2016 – 3 Sa 34/16 und 16.11.2016 – 17 a Sa 14/16), das LAG Niedersachsen (16.02.2016 – 9 Sa 376/15, 23.05.2017 – 9 Sa 1304/16, 9 Sa 1154/16 und 20.07.2017 – 6 Sa 1125/16) und das LAG Hessen (11.07.2017 – 8 Sa 1578/16) ein unbefristetes Anschlussverbot. Lediglich das LAG Nürnberg (08.05.2013 – 2 Sa 501/12) und das LAG Hamm (15.12.2016 – 11 Sa 735/16) haben sich dem BAG angeschlossen. Eine Klärung könnte das BVerfG bringen: Gegen die Entscheidung des LAG Nürnberg (Nichtzulassungsbeschwerde) wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt und das Arbeitsgericht Braunschweig bat das oberste deutsche Gericht um Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.
Bis zu einer Entscheidung besteht für Arbeitgeber damit das Risiko, dass eine Betrachtung lediglich der letzten drei Jahre vor Vertragsschluss nicht ausreicht, sondern jedes Arbeitsverhältnis aus der Vergangenheit eine sachgrundlose Befristung unwirksam macht.